Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
M ist Eigentümerin eines kleinen Museums, wo unter anderem eine Uhr im Wert von 50€ ausgestellt ist. B ist ihr Angestellter und beauftragt, die Ausstellungsstücke des Museums zu beaufsichtigen. 2003 nimmt B die ausgestellte Uhr mit nach Hause, obwohl er weiß, dass er dies nicht darf, denkt aber damit sein sowieso zu geringes Gehalt auszugleichen. M bemerkt nicht, dass die Uhr fehlt.
2004 verkauft B auf einem Flohmarkt die Uhr an den G, wobei er diesen informiert, dass er nicht Eigentümer der Uhr ist, sondern im Namen der M handelt. G ist redlich. M übergibt die Uhr an G mit den Worten „Sie soll nun dir gehören“.
2006 bemerkt die E die Uhr des G und möchte sie diesem Abkaufen. G behauptet wahrheitswidrig, er habe die Uhr in einem renommierten Uhrengeschäft erworben. E glaubt dies und kauft G die Uhr ab.
2015 bemerkt M den Verlust der Uhr und auch, dass es sich in Wahrheit nicht um ein nachgemachtes Stück handelt, sondern um eine Original „Ludwig“ Uhr, welche zu Preisen bis zu 5000€ gehandelt werden. Als B von dem wahren Wert der Uhr erfährt, empfindet er Reue und erzählt M von den Geschehnissen. Zusammen suchen sie nach der verbliebenen Uhr und finden sie 2015 bei E.
M verlangt von E die Uhr heraus und weist darauf hin, dass weder sie noch B davon gewusst haben, welchen Preis die Uhr in Wahrheit hatte. E lehnt dieses Verlangen ab und meint jedenfalls sei der Anspruch mittlerweile verjährt.
Frage 1: Kann M die Uhr von E heraus verlangen?
E ist von den Geschehnissen zutiefst schockiert und möchte wissen, ob sie gerichtlich gegen M vorgehen kann, und möchte festgestellt haben, dass sie Eigentümerin der Uhr ist.
Frage 2: Hat die Klage der E Aussicht auf Erfolg?
Unverbindliche Lösungsskizze
Frage 1: M gegen E auf Herausgabe der Uhr
A. § 985 BGB
I. Besitz des E (+)
II. Eigentum des M
Urspr.: M
Eigentumserwerb des B (-)
Eigentumserwerb des G
a) Eigentumserwerb des G von M gem. § 929 S. 1 BGB
aa) Einigung M-G
(1) Direkt (-)
(2) Stellvertretung durch B, §§ 164 ff. BGB
(a) Eigene Willenserklärung (+)
(b) Im fremden Namen (+)
(c) Im Rahmen der Vertretungsmacht
(aa) Rechtsgeschäftlich (-)
(bb) Gesetzlich (-)
(cc) Rechtsschein (-)
(3) Ergebnis: (-)
bb) Gutgläubiger Erwerb des G, §§ 929 S. 1, 932 BGB
(-);Arg.: nicht möglich, wenn bereits keine Einigung vorliegt.
cc) Ergebnis: (-)
b) Eigentumserwerb des G von B gem. § 929 S. 1 BGB
aa) Einigung G-B
(-); Arg.: Handeln im fremden Namen
bb) Ergebnis: (-)
c) Ersitzung, § 937 BGB
aa) Bewegliche Sache (+)
bb) Eigenbesitz des G, § 872 BGB (-)
cc) Keine Bösgläubigkeit des G, § 937 II BGB (+)
dd) Frist: 10 Jahre (-)
ee) Ergebnis: (-)
- Eigentumserwerb des E
a) § 929 S. 1 BGB
aa) Einigung G-E (+)
bb) Übergabe
cc) Einigsein zum Zeitpunkt der Übergabe
dd) Berechtigung des G
(-);Arg.: G nicht Eigentümer (s.o.)
ee) Gutgläubiger Erwerb des E, §§ 929 S. 1, 932 BGB
(1) Rechtsgeschäft i.S.e. Verkehrsgeschäfts (+)
(2) Rechtsscheinstatbestand, § 1006 I BGB
(+); Arg.: Besitz des G.
(3) Gutgläubigkeit des E, § 932 II BGB
Hier: Kein Anlass, an den Angaben des G zu zweifeln.
(4) Kein Abhandenkommen, § 935 BGB
Hier: Uhr des M von B unterschlagen (= unfreiwilliger Besitzverlust).
(5) Ergebnis: (-)
ff) Ergebnis: (-)
b) § 937 BGB
aa) Bewegliche Sache (+)
bb) Eigenbesitz des E (+)
cc) Frist: 10 Jahre
Hier: eigentliche nur 9 Jahre Eigenbesitz des E (2006-2015)
Aber: Zurechnung der 2 Jahre Eigenbesitz des Rechtsvorgängers G, § 943 BGB.
dd) Keine Bösgläubigkeit des E, § 937 II BGB
(+), auch nicht über § 142 II BGB: Ein eventueller Irrtum über den Wert der Uhr begründet kein Anfechtungsrecht des M oder B gem. § 119 I, II BGB. Im Übrigen dürfte auch keine Kenntnis des E von einer eventuellen Anfechtbarkeit vorliegen.
ee) Ergebnis: (-)
c) Ergebnis: (+)
- Ergebnis: (-)
III. Ergebnis: (-)
B. Sonstige Herausgabeansprüche
I. § 861 BGB
(-); Arg.: Keine verbotene Eigenmacht des E.
II. § 1007 I BGB
(-); Arg.: Keine Bösgläubigkeit des E.
III. § 1007 III BGB
(-); Arg.: Eigentumserwerb des E gem. § 937 BGB (s.o.)
IV. §§ 823 I, 249 I BGB
(-); Arg.: zumindest kein Verschulden des E.
V. § 812 I 1 1. Fall BGB
(-); Arg.: keine Leistung M an E.
VI. § 812 I 1 2. Fall BGB
(-); Arg.: vorrangige Leistung G an E.
Frage 2: Erfolgsaussichten der Klage des E
A. Zulässigkeit
I. Allgemeine Prozessvoraussetzungen (+)
II. Besondere Prozessvoraussetzungen
- Feststellungsinteresse wohl (+); Arg.: drohende Geltendmachung von Ansprüchen seitens des M
B. Begründetheit
(+); Arg.: E = Eigentümer (s.o.)
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