A. Sachverhalt
Der Kläger erhält Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch das Jobcenter X. Am 21. Oktober hat er Klage erhoben gegen die Benennung als Jobcenter. Zur Begründung hat er geltend gemacht, diese Bezeichnung verstoße gegen den Grundsatz, dass die Amtssprache deutsch sei. Ferner hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
B. Die Entscheidung des VG Neustadt (Beschl. v. 17.12.2013, Az. 4 K 918/13.NW; BeckRS 2014, 45264)
Dem Antrag wäre stattzugeben, wenn die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg hätte und der Kläger bedürftig wäre (§ 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO). Das VG stellt zunächst die Anforderungen dar:
“Nach diesen Vorschriften setzt die Gewährung von Prozesskostenhilfe in verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten voraus, dass ein Beteiligter nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, und dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei dürfen die Anforderungen hinsichtlich der Erfolgsaussichten nicht überspannt werden. Ihre Prüfung dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfG, NJW 2008, NJW Jahr 2008 Seite 1060). Hinreichende Erfolgsaussichten einer Klage sind daher schon dann zu bejahen, wenn nach einer summarischen Überprüfung des Sach- und Streitstandes der Ausgang des Verfahrens offen erscheint (vgl. BverwG, NVwZ-RR 1999, NVWZ-RR Jahr 1999 Seite 588).”
I. Die verwaltungsgerichtliche Klage müsste zunächst zulässig sein. Zunächst war zu prüfen, ob der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO) oder der Sozialrechtsweg eröffnet ist; das VG bejaht Ersteres:
“Obwohl der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezieht, handelt es sich vorliegend nicht um eine Angelegenheit der Sozialhilfe, für die gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 a Sozialgerichtsgesetz - SGG - der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist. Denn die von dem Kläger sinngemäß begehrte Feststellung, dass die Bezeichnung „Jobcenter“ nicht der deutschen Amtssprache entspricht, ist keine sozialhilferechtliche Angelegenheit.”
Fraglich ist aber, ob die Klage statthaft ist. In Betracht kommt eine Feststellungsklage iSv § 43 VwGO. Dazu das Verwaltungsgericht:
“Die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO ist statthaft, wenn der Kläger u. a. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt. Unter einem Rechtsverhältnis versteht man die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlichrechtlichen Norm ergebenden rechtlichen Beziehungen für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (BverwG NVwZ 2007, 1428). Voraussetzung für die Statthaftigkeit einer Feststellungsklage ist stets, dass das Rechtsverhältnis hinreichend konkret ist, d.h. es muss „in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits übersehbaren Sachverhalt streitig“ sein (BverwG NVwZ 2009, 1170). Rein abstrakte Rechtsfragen können nicht durch eine Feststellungsklage geklärt werden. Nach diesen Grundsätzen liegt hier kein konkretes Rechtsverhältnis vor. Dem Kläger geht es ausschließlich um die abstrakte Rechtsfrage, ob die Bezeichnung „Jobcenter“ mit dem Grundsatz, dass die Amtssprache deutsch ist, vereinbar ist. In welchem Zusammenhang die Verwendung dieses Begriffs für ihn konkret von Bedeutung sein soll, hat der Kläger nicht dargetan.”
Überdies gelangt das Gericht zu der Auffassung, dass der Kläger weder klagebefugt ist noch über das notwendige Feststellungsinteresse verfüge:
“Darüber hinaus ist eine Klagebefugnis des Klägers nach der auf Feststellungsklagen entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO (s. z. B. BverwG NVwZ 2008, 423) nicht ersichtlich. Nichts anderes gilt für das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche „berechtigte Interesse“ an der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses.”
II. Doch auch eine zulässige Klage wäre nach Ansicht der Kammer unbegründet:
“Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass die Bezeichnung „Jobcenter“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen den Grundsatz verstößt, dass die Amtssprache deutsch ist. Deutsch als Staatssprache hat auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Grundgesetz Verfassungsrang (Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 23 Rn. 4). Es ist Ausfluss des Demokratiegebots, dass die Entscheidungsverfahren der Hoheitsgewalt ausübenden Organe allgemein verständlich sind und der Bürger mit der Hoheitsgewalt, der er unterworfen ist, in seiner Landessprache kommunizieren kann (BverfGE 89, 155, 185). Einfachgesetzlich ist der Grundsatz, dass die Amtssprache deutsch ist, u. a. in den §§ 23 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -, 19 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - niedergelegt. Die verbindliche Amtssprache umfasst neben der Hochsprache auch die deutsche Umgangssprache und die Fachsprache (Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 23 Rn. 24). Die Verwendung fremdsprachiger Begriffe ist zulässig, wenn diese Begriffe allgemein geläufig sind und ihre Bedeutung auch dem (nur) deutschsprachigen Adressatenkreis ohne Weiteres klar ist (OVG Nordrhein-Westfalen, NJW 2005, 2246).
Mit Jobcenter wird nach § 6 d Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - der zugelassene kommunale Träger (Optionskommune) oder die gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II der Bundesagentur für Arbeit und kommunalem Träger bezeichnet. § 6 d SGB II wurde durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 03. August 2010 mit Wirkung ab 01. Januar 2011 neu in das SGB II eingefügt. Die Benennung „Jobcenter“ geht zurück auf den Abschlussbericht der Hartz-Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ vom 16. August 2002 (http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-Aktuell/_Politikfelder/Arbeitsmarkt/Dokumente/hartzteil1.pdf, s. dort insbesondere Seite 65 ff.) sowie auf die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 16. Juni 2010 (BT-Drucksache 17/2188, s. dort insbesondere Seite 18). In der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 16. Juni 2010 heißt es dazu:
„Der Begriff „Jobcenter“ hat bundesweit breite Akzeptanz und Zustimmung erfahren. Mit der klarstellenden Regelung wird sichergestellt, dass nicht nur die gemeinsamen Einrichtungen, sondern auch die zugelassenen kommunalen Träger die Bezeichnung Jobcenter führen und unter dieser Bezeichnung in Rechts- und Verwaltungsverfahren auftreten. Ergänzend können bereits etablierte Bezeichnungen verwendet werden. Damit erhalten alle erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ihre Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und zur Sicherung des Lebensunterhalts von dem für sie zuständigen Jobcenter.“
Der Begriff „Jobcenter“, der sich auch im Duden wiederfindet, ist allgemein geläufig und in seiner Bedeutung dem deutschsprachigen Adressatenkreis ohne Weiteres klar.”
C. Fazit
Eine äußerst skurrile Entscheidung, die sich aber dennoch - oder gerade deswegen - dazu eignet, zum Gegenstand eines mündlichen Prüfungsgesprächs gemacht zu werden.
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