A. Sachverhalt
Am Nachmittag des 21. Januar 2012 stellte die B ihren bei der V-Versicherung haftpflichtversicherten Pkw in der Tiefgarage des von ihr mitbewohnten Hausanwesens ab. K parkte seinen Pkw neben dem Fahrzeug der B. Am frühen Morgen des 23. Januar 2012 kurz nach 1.00 Uhr geriet der Pkw der B aufgrund Selbstentzündung durch einen technischen Defekt in Brand, wodurch auch der Pkw des K beschädigt wurde. B trifft kein Verschulden.
K verlangt von B und ihrer Versicherung Schadensersatz in Höhe von 3.000,00 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.
B. Die Entscheidung des BGH (Urt. v. 21.1.2014, Az. VI ZR 253/13)
Da B an dem verursachten Schaden kein Verschulden trifft, kommen lediglich verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlagen (zu § 906 II 2 BGB analog siehe zuletzt den “Wasserschaden-Fall”) in Betracht.
Die Haftung des Fahrzeughalters könnte sich aus § 7 I StVG ergeben, wobei eine gesamtschuldnerische Haftung von B und V aus § 115 I S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG folgen würde.
§ 7 I StVG setzt voraus, dass eine Sache bei dem Betrieb eines Fahrzeugs beschädigt wird. Der BGH fasst dabei die Grundsätze über die Auslegung des Merkmals „bei dem Betrieb“ wie folgt zusammen:
„Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist dieses Haftungsmerkmal entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 I StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann “bei dem Betrieb” eines Kraftfahrzeuges entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist (vgl. Senatsurteile vom 5. Juli 1988 - VI ZR 346/87, BGHZ 105, 65, 66 f.; vom 19. April 1988 - VI ZR 96/87, VersR 1988, 641; vom 6. Juni 1989 - VI ZR 241/88, VersR 1989, 923, 924 f.; vom 3. Juli 1990 - VI ZR 33/90, VersR 1991, 111, 112; vom 27. November 2007 - VI ZR 210/06, VersR 2008, 656 Rn. 7; vom 31. Januar 2012 - VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rn. 17 und vom 26. Februar 2013 - VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rn. 15). Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist (vgl. Senatsurteile vom 3. Juli 1962 - VI ZR 184/61, BGHZ 37, 311, 315 ff.; vom 27. Januar 1981 - VI ZR 204/79, BGHZ 79, 259, 262 f.; vom 6. Juni 1989 - VI ZR 241/88, aaO, 925; vom 3. Juli 1990 - VI ZR 33/90, aaO; vom 26. April 2005 - VI ZR 168/04, VersR 2005, 992, 993; vom 31. Januar 2012 - VI ZR 43/11, aaO und vom 26. Februar 2013 - VI ZR 116/12, aaO). Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (vgl. Senatsurteile vom 11. Juli 1972 - VI ZR 86/71, VersR 1972, 1074; vom 10. Oktober 1972 - VI ZR 104/71, VersR 1973, 83; vom 10. Februar 2004 - VI ZR 218/03, VersR 2004, 529, 531; vom 27. November 2007 - VI ZR 210/06, aaO Rn. 9 und vom 26. Februar 2013 - VI ZR 116/12, aaO).“
Das erstinstanzliche Amtsgericht hatte eine Haftung der B und V noch mit dem Argument verneint, ein naher örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz liege nicht vor. Auch das LG Coburg (Urt. v. 27.1.2010, Az. 21 O 195/09) hatte in einer Entscheidung mit ähnlichem Sachverhalt vertreten, dass der ursächliche Zusammenhang eines Schadensereignisses mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs durch Betriebsbeginn und Betriebsende begrenzt werde. Von einem abgestellten Fahrzeug gehen keine seinem Betrieb zurechenbaren Gefahren mehr aus, weil Gefahren aus der im Fahrzeug installierten Elektrik und seiner Betriebsstoffe nicht der Betriebsgefahr zuzurechnen seien.
Dem tritt der BGH entgegen:
„Der Schaden am Fahrzeug des Klägers [K] stand in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit dem Brand des Kraftfahrzeuges der Beklagten zu 2 [B], der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch den technischen Defekt einer Betriebseinrichtung dieses Fahrzeuges verursacht worden ist. Dass Dritte durch den Defekt einer Betriebseinrichtung eines Kraftfahrzeuges an ihren Rechtsgütern einen Schaden erleiden, gehört zu den spezifischen Auswirkungen derjenigen Gefahren, für die die Haftungsvorschrift des § 7 StVG den Verkehr schadlos halten will. Dabei macht es rechtlich keinen Unterschied, ob der Brand - etwa durch einen Kurzschluss der Batterie - unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach einer Fahrt eintritt. Wollte man die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG - wie die Revision meint - auf Schadensfolgen begrenzen, die durch den Fahrbetrieb selbst und dessen Nachwirkungen verursacht worden sind, liefe die Haftung in all den Fällen leer, in denen unabhängig von einem Betriebsvorgang allein ein technischer Defekt einer Betriebseinrichtung für den Schaden eines Dritten ursächlich geworden ist. Bei der gebotenen wertenden Betrachtung ist das Schadensgeschehen jedoch auch in diesen Fällen - im Gegensatz etwa zu einem vorsätzlichen Inbrandsetzen eines ordnungsgemäß auf einem Parkplatz abgestellten Kraftfahrzeuges (vgl. Senatsurteil vom 27. November 2007 - VI ZR 210/06, aaO Rn. 11 f.) - durch das Kraftfahrzeug selbst und die von ihm ausgehenden Gefahren entscheidend (mit)geprägt worden. Hierzu reicht es aus, dass der Brand oder dessen Übergreifen in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (vgl. Senatsurteil vom 27. November 2007 - VI ZR 210/06, aaO Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt.“
Zu den weiteren Voraussetzungen und zu dem Haftungsumfang hatte bereits das Berufungsgericht (LG Karlsruhe, Urt. v. 28.5.2013, Az. 9 S 319/12) Stellung genommen:
„Schließlich steht der Haftung aus § 7 I StVG auch nicht entgegen, dass sich der Brand in der privaten Tiefgarage eines Mehrparteienanwesens ereignet hat. Aus dem Wortlaut des § 7 I StVG ergibt sich keine Einschränkung auf Vorfälle im Rahmen des allgemeinen öffentlichen Verkehrs (OLG Düsseldorf, NZV 2011, 195, 196). Angesichts des oft regen Kraftfahrzeugverkehrs auch auf solchem Privatgelände und des damit einhergehenden Gefährdungspotenzials erscheint eine Ausnahme von der Gefährdungshaftung nicht gerechtfertigt (König, in: Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 7 StVG, Rn. 5a; Grüneberg, NZV 2001, 109, 110).
Die sonstigen Voraussetzungen einer Haftung nach § 7 I StVG sind ebenfalls erfüllt. Ein Fall höherer Gewalt nach § 7 II StVG oder sonstige Ausschlusstatbestände liegen nicht vor. … Weiter kann der Kläger auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von EUR 316,18 von den Beklagten ersetzt verlangen. Die Schadenersatzpflicht aus § 7 I StVG erstreckt sich auch auf die Kosten einer erforderlichen und zweckgemäßen vorgerichtlichen Rechtsverfolgung (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 249 BGB, Rn. 57).“
C. Fazit
§ 7 StVG spielt in der Praxis eine überragende Rolle und sollte daher auch in Studium und Referendariat nicht vernachlässigt werden. Reizvoll aus Prüfersicht ist dabei insbesondere, dass sich die Auslegung des Merkmals „bei dem Betrieb“ am Schutzzweck der Gefährdungshaftung zu orientieren hat und eine wertende Betrachtung erfordert. Dabei können Prüflinge zeigen, dass sie ihr juristisches Handwerkszeug verstehen und zu argumentieren wissen.
Verwiesen sei an dieser Stelle auf eine weitere Entscheidung zu § 7 StVG. Das OLG Karlsruhe (Urt. v. 27.1.2014, Az. 1 U 158/12) hatte sich mit einem Unfall während des „PCD Club-Cups“ auf dem Hockenheimring zu befassen und dabei insbesondere die Frage zu klären, welche Wirkungen ein formularmäßig getroffener Haftungsausschluss hatte.
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