K schloss mit L einen Leasingvertrag über einen als Geschäftsfahrzeug genutzten Neuwagen. Das Fahrzeug, das L bei V erwarb, wurde an K ausgeliefert. Kurz darauf stellt sich heraus, dass die beiden Außenspiegel, die beim Abstellen des Fahrzeuges selbsttätig anklappen und beim Starten des Motors wieder ausklappen müssten, diese Funktion nicht zuverlässig ausführen. K wendet sich daher an V und verlangt aus abgetretenem Recht – gestützt auf diesen und weitere Mängel – die Lieferung eines neuen PKW und setzt dem V eine entsprechende Frist.
V bestreitet das Vorliegen jeglicher Mängel und verweigert auch nach Ablauf der Frist jede Form der Nacherfüllung. Daraufhin verklagt K den V auf Lieferung eines neuen PKW. Nachdem im Rahmen der Beweisaufnahme festgestellt werden konnte, dass der von K behauptete Mangel tatsächlich besteht, beruft sich V nun erstmals darauf, dass die Nachlieferung unverhältnismäßig sei, da die Außenspiegel durch Austausch eines elektronischen Bauteils verhältnismäßig günstig repariert werden könnten.
Das Landgericht weist die Klage ab, das Oberlandesgericht gibt ihr statt.
Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 16.10.2013, Az. VIII ZR 273/12) hebt das Urteil des OLG auf und weist die Sache zur erneuten Verhandlung zurück.
Ein Anspruch au f Nachlieferung könnte sich aus §§ 437 Nr. 2, 439 I, 398 S. 2 BGB ergeben.
Der PKW ist mangelhaft (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB), K hat auch von dem Wahlrecht des § 439 I BGB Gebrauch gemacht.
Fraglich ist, ob sich V auf die Einrede des § 439 III BGB berufen kann.
Das OLG hatte eine Anwendung des § 439 III BGB abgelehnt, weil V die Nacherfüllung insgesamt verweigert habe. Eine genauere Begründung hatte das OLG nicht angeführt. Der BGH tritt dem entgegen:
„Bei dieser Sachlage ist der Beklagten die Berufung auf das Verweigerungsrecht aus § 439 III BGB gegenüber dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ersatzlieferung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb verwehrt, weil die Beklagte eine Mangelbeseitigung insgesamt und damit auch hinsichtlich der Außenspiegel verweigert hat. Verweigert der Verkäufer die Nacherfüllung zu Unrecht mit der Begründung, dass keine Mängel vorhanden seien, so stehen dem Käufer die sekundären Käuferrechte aus § 437 Nr. 2 und 3 BGB zu. Der Käufer kann aber auch - wie hier - den Anspruch auf Nacherfüllung aus § 437 Nr. 1, § 439 BGB klageweise geltend machen mit der Folge, dass dem Verkäufer unter den Voraussetzungen des § 439 III BGB das Recht zusteht, gerade die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern. Die Beklagte ist deshalb aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, sich gegenüber dem geltend gemachten Anspruch auf Ersatzlieferung darauf zu berufen, dass die Lieferung eines Neufahrzeugs für sie im Vergleich zur Beseitigung der vorhandenen Mängel mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre. Die vom Berufungsgericht vertretene Einschränkung dieses Rechts kann aus der gesetzlichen Regelung nicht hergeleitet werden.“
Schließlich gibt es Stimmen, wonach der Verkäufer die Einrede des § 439 III BGB nicht mehr erheben könne, nachdem die ihm gesetzte Frist zur Nacherfüllung abgelaufen sei. Auch dem folgt der BGH nicht:
„Soweit der Kläger meint, der Verkäufer sei bereits dann mit der Einrede der Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen, wenn er sie nicht vor Ablauf der ihm gesetzten Frist zur Nacherfüllung erhoben habe (ebenso Palandt/Weidenkaff, BGB, 72. Aufl., § 439 Rn. 14 unter Bezugnahme auf OLG Celle, aaO), kann dem nicht gefolgt werden. Der Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung ist nicht von einer Fristsetzung des Käufers gegenüber dem Verkäufer abhängig. Ebenso wenig schreibt § 439 III BGB vor, dass der Verkäufer sich nur dann auf die Einrede berufen kann, wenn er diese innerhalb einer vom Käufer gesetzten Frist zur Nacherfüllung erhebt. Der Verkäufer ist deshalb in der Regel nicht daran gehindert, sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung erst im Rechtsstreit über den Nacherfüllungsanspruch zu berufen, auch wenn er vorprozessual nur das Vorhandensein von Mängeln bestritten und aus diesem Grund die Nacherfüllung verweigert hatte. Insoweit gilt nichts anderes als für die Verjährungseinrede, die ebenfalls auch dann noch im Rechtsstreit geltend gemacht werden kann, wenn vorprozessual der Anspruch insgesamt bestritten worden war.“
Da das OLG – von seinem Standpunkt aus konsequent – keine Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 439 III BGB getroffen hat, hat der BGH die Sache an das OLG zurückverwiesen.
Eine Entscheidung, die Anlass gibt, sich mit § 439 III BGB auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang sei insbesondere auch auf das Problem der Richtlinienkonformität der sog. absoluten Unverhältnismäßigkeit hinzuweisen, wozu der BGH im Jahre 2011 (Urt. v. 21.12.2011, Az. VIII ZR 70/08) Stellung genommen hat.
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