BGH: Bahnt sich Änderung der ständigen Rechtsprechung zur Hehlerei an?

Der Angeklagte bemühte sich im Einverständnis mit dem Zeugen B. sowie in dessen Interesse selbstständig um den Verkauf mehrerer Gemälde im Gesamtwert von mindestens 1,5 Mio. Euro. Diese waren Jahre zuvor von Unbekannten aus dem Atelier-Magazin des Malers entwendet und von B. in Kenntnis des Diebstahls entgegengenommen worden. Nach dem Tod des Malers hatte B. den Angeklagten damit beauftragt, einen Käufer für die Bilder zu suchen, und ihm dreizehn der Bilder überbracht. Der Angeklagte hielt es für möglich, dass es sich bei B. entgegen dessen Behauptung nicht um den Eigentümer der Bilder, sondern einen Hehler handelte. Dies war ihm aber vor allem wegen der versprochenen Provision in Höhe von 10 % des Verkaufserlöses gleichgültig. Im Rahmen seiner Bemühungen fertigte er Fotografien von den Werken und sprach verschiedene ihm bekannte Personen an, von denen er hoffte, dass sie ihm beim Verkauf dienlich sein könnten. Die Bemühungen des Angeklagten hatten keinen Erfolg.

Hat sich der Angeklagte damit wegen vollendeter Hehlerei gemäß § 259 I StGB strafbar gemacht?

Es geht um eines der klassischen Probleme der Hehlerei (§ 259 StGB): Setzen die Merkmale “absetzt” und “absetzen hilft” einen Absatzerfolg voraus oder genügt bereits eine auf das Absetzen oder die Absatzhilfe gerichtete Tätigkeit?

Bekanntermaßen geht der Bundesgerichtshof (jedenfalls bislang) in ständiger Rechtsprechung von Letzterem aus, sodass der Angeklagte im Ausgangsfall wegen vollendeter Hehlerei zu verurteilen wäre.

In der Leitentscheidung aus dem Jahre 1976 (NJW 1977, 205 = BGHSt 27, 45), die sich interessanterweise auch um gestohlene Gemälde drehte, begründete der BGH dies insbesondere mit der historischen Entwicklung des § 259 StGB. Die Vorgängerfassung enthielt nämlich das Merkmal “Mitwirken zum Absatz”, worunter - dem Wortlaut entsprechend - jede vorbereitende, ausführende oder auch nur helfende Tätigkeit zum Zwecke des Absatzes verstanden wurde ohne Rücksicht darauf, ob der Absatz tatsächlich gelungen ist oder nicht. Nach Auffassung des BGH habe der Gesetzgeber durch die veränderte Fassung, die zum 1.1.1975 in Kraft trat, keine inhaltliche Änderung vornehmen wollen, weshalb die Norm, die ihrem Wortlaut nach beide Auslegungsmöglichkeiten zulasse, im Einklang mit dem gesetzgeberischen Willen auszulegen sei. Einschränkend - so der Bundesgerichtshof in einer späteren Entscheidung (BGH NJW 1997, 2610 = BGHSt 43, 110) - sei lediglich zu fordern, dass das Bemühen um Absatz geeignet sein müsse, die rechtswidrige Vermögenssituation aufrechtzuerhalten oder zu vertiefen, was bspw. bei einer Lieferung an einen verdeckten Ermittler bzw. an eine Vertrauensperson der Polizei nicht der Fall sei.

Die vorherrschende Auffassung in der Literatur hingegen beruft sich auf den Wortlaut, die Systematik sowie den Sinn und Zweck der Vorschrift. Danach könnte der Angeklagte “nur” wegen versuchter Hehlerei (§§ 259 I, III, 22, 23 StGB) bestraft werden.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs möchte nun die bisherige Rechtsprechung aufgeben und sich der herrschenden Ansicht in der Literatur anschließen (Beschluss v. 14.5.2013, Az. 3 StR 69/13). Er begründet dies - schulmäßig - unter Anwendung der Auslegungskriterien wie folgt:

I. Wortlaut

“Für die Auslegung des Tatbestands der Hehlerei als Erfolgsdelikt auch in den Fällen des Absetzens und der Absatzhilfe spricht der Wortlaut der Vorschrift. Schon der allgemeine Sprachgebrauch unterscheidet zwischen dem erfolgreichen Absetzen und bloßen Absatzbemühungen. Im Verkehr unter Kaufleuten, aus dem der Begriff stammt, würde niemand davon sprechen, dass ein Händler Waren abgesetzt hat, wenn er sich nur vergeblich um den Verkauf bemüht hat.”

II. Systematik

“Zudem führt die bisherige Auslegung zu einem systematischen Bruch zwischen den Tathandlungsalternativen des Absetzens und der Absatzhilfe einerseits sowie des Ankaufens und des sonstigen sich Verschaffens andererseits, wenn nur bei letzteren zur Vollendung - wie es einhelliger Auffassung entspricht - der Übergang der Verfügungsgewalt verlangt wird. Wie wenig sachgerecht dieser systematische Bruch ist, wird besonders deutlich beim Blick auf die Konsequenzen für die Absatzhilfe: Diese ist vor allem deshalb als eigenständige, täterschaftliche Tatbestandsalternative ausgestaltet, weil die Absatzbemühungen des Vortäters ihrerseits § 259 StGB nicht unterfallen, mithin keine taugliche Vortat darstellen können. Kommt jedoch dem Absatzhelfer im Vergleich zum Gehilfen des Ankäufers schon die zwingende Strafrahmenverschiebung des § 27 II 2 StGB nicht zugute, sollte dies nicht noch dadurch verstärkt werden, dass ihm die Möglichkeit einer solchen nach § 23 II StGB zusätzlich genommen wird.”

III. Telos

“Das Verständnis des Absetzens als Erfolgsdelikt verdient schließlich auch bei teleologischer Auslegung den Vorzug. Denn wenn das Wesen der Hehlerei in der Aufrechterhaltung der durch die Vortat geschaffenen rechtswidrigen Vermögenslage liegt, “die durch das Weiterschieben der durch die Vortat erlangten Sache im Einverständnis mit dem Vortäter erreicht wird” (BT-Drucks. 7/550, S. 252, sogenannte Perpetuierungstheorie), liegt die Annahme von Vollendung fern, wenn diese Weiterschiebung noch nicht abgeschlossen ist. Dies stellt keinen Rückfall in das Verständnis der Hehlerei als Restitutionsvereitelungsdelikt dar, sondern berücksichtigt, dass der Absetzende im Lager des Vortäters steht.”

IV. Historie

“Der beabsichtigten Auslegung steht der Wille des Gesetzgebers nicht entgegen. Soweit es in der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zum EGStGB vom 11. Mai 1973 heißt, die Änderung diene “nur der Klarstellung, dass Hehler auch derjenige ist, der die Sache zwar im Einverständnis mit dem Vortäter, aber sonst völlig selbstständig auf dessen Rechnung absetzt” (BT-Drucks., aaO, S. 253), folgt daraus zwar, dass eine Änderung der Rechtslage mit der Neuformulierung nicht beabsichtigt war. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die bisherige Auslegung durch die Rechtsprechung, die sich von Beginn an systematischer und teleologischer Kritik ausgesetzt sah, festschreiben wollte.”

Da der 3. Strafsenat damit von der Rechtsprechung der anderen vier Strafsenate abweichen will, hat er bei diesen Senaten angefragt, ob sie an ihrer bisherigen Rechtsprechung festhalten oder sich dem 3. Strafsenat anschließen wollen (§ 132 III GVG). Sollte wenigstens ein Strafsenat an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten, müsste der Große Senat für Strafsachen entscheiden (§ 132 II GVG).

Man darf gespannt sein, wie sich die anderen Senate verhalten werden. Klar ist in jedem Fall: Wenn sich die Änderung einer über Jahrzehnte gefestigten, indes hart kritisierten Rechtsprechung abzeichnet, sollte sich jeder Student und Referendar damit befassen. Die Problematik dürfte damit nämlich wieder vermehrt Eingang in Klausuren und Prüfungsgespräche finden.