LG Heidelberg: Haftung für zerstörten Geocache

Die Klägerin (K) hatte im April 2010 einen sog. Geocache im Stadtwald der Gemeinde E. im Odenwald versteckt. Dabei handelte es sich um eine symbolische Schatztruhe aus Holz, die der Ehemann der Klägerin in Eigenleistung entworfen und gebaut hatte. Sie war mit elektronischen Einrichtungen versehen und sollte als Zielpunkt des Geocaching-Spiels, einer technisierten Form der Schnitzeljagd, dienen, die über das Internet organisiert wird und einem unbestimmt großen Kreis von Teilnehmern offensteht. Ein Unbekannter zog die Truhe aus dem Versteck und legte sie im Wald ab.

Der Beklagte (B), der sich durch Teilnehmer an dieser Schnitzeljagd verschiedentlich in seiner Jagdausübung und in seiner Ruhe gestört gefühlt hatte, fand die Schatztruhe gemeinsam mit einem Jagdgenossen Ende Mai oder Anfang Juni 2010 im Wald, trug sie davon, stellte sie anschließend am Hauptweg ab und gab sie etwa eine Woche später in zerstörtem Zustand im Fundbüro der Stadt B. ab. Ob er es selbst war, der die Truhe beschädigt hatte, ließ sich nicht mehr aufklären.

K verlangt von B Schadensersatz in Höhe von 1.500,00 €.

Das LG Heidelberg (Urt. v. 4.3.2013, Az. 5 S 61/12) gab der Klage in zweiter Instanz statt.

Da nicht aufgeklärt werden konnte, ob B den Geocache selbst beschädigt hatte und Ansprüche nach §§ 823 ff. BGB damit nicht infrage kamen, stützt das LG den Anspruch auf §§ 280 I, 966 BGB.

Denn, so das LG einleitend:

“Der Fund einer Sache i.S.d. § 965 I BGB begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis, dessen Pflichten in §§ 965 ff. BGB und ergänzend in §§ 677 ff. BGB konkretisiert werden. Die Verletzung von Pflichten aus diesem Schuldverhältnis kann Schadensersatzansprüche nach § 280 I BGB begründen.”

Zunächst stellt das LG fest, dass B den verlorenen, also besitzlosen (nicht: herrenlosen!) Geocache gefunden und an sich genommen hat:

“Indem der Beklagte die Kiste mithilfe seines Jagdgenossen, des Zeugen R., aufhob und von ihrem Standort weg brachte, hat er die bis dahin besitzlose Sache in seinen Besitz genommen. Damit lag ein Fund i.S.d. § 965 I BGB vor und es entstand ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Parteien.”

Zudem habe B eine Pflicht aus diesem gesetzlichen Schuldverhältnis, nämlich seine Pflicht zur Verwahrung (§ 966 BGB), verletzt:

“Verwahrung bedeutet Aufbewahrung. Der Finder darf nach Inbesitznahme der gefundenen Sache den Besitz nicht wieder aufgeben, etwa durch (Wieder-) Ablegen am Fundort oder sonst wo, es sei denn, die Sache ist völlig wertlos. Gegen diese Pflicht hat der Beklagte verstoßen, indem er die Kiste an dem Hauptweg des Waldes abgelegt hat.”

Schließlich habe B diese Pflichtverletzung auch zu vertreten (§ 280 I 2 BGB). Zwar haftet der Finder gemäß § 968 BGB nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, doch seien diese Voraussetzungen gegeben:

“Dem Beklagten fällt hinsichtlich der Verletzung seiner Verwahrungspflicht Vorsatz zur Last. Denn er wusste und wollte, dass die Kiste am Hauptweg des Waldes stehen blieb und er sich damit ihrer Sachherrschaft begab. Damit handelte der Beklagte vorsätzlich hinsichtlich der tatsächlichen Umstände seiner Pflichtverletzung.

Allerdings gehört zum Vorsatz im Zivilrecht nach herrschender Rechtsauffassung nicht nur die Kenntnis der Tatbestandsmerkmale der verletzten Norm, sondern auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit. In den Fällen, in denen schon grobe Fahrlässigkeit schadet (und nicht erst Vorsatz), genügt aber wiederum anstelle der Kenntnis auch die grob fahrlässige Unkenntnis des Verbots.

Soweit der Beklagte seine Verwahrungspflicht nicht gekannt haben sollte, beruht dies jedenfalls auf grober Fahrlässigkeit. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob sich dem Beklagten der missbräuchliche Zugriff Dritter auf die Kiste bei deren Stehenlassen am Rande des Hauptweges aufdrängen musste (wiewohl dies naheliegen dürfte), sondern vielmehr darauf, ob sich dem Beklagten aufdrängen musste, dass er gesetzlich verpflichtet war, eine jedenfalls nicht ganz wertlose fremde Sache, die er an sich genommen hatte, nicht nach Gutdünken an einem ihm hierfür zweckmäßig erscheinenden Ort wieder abzulegen. Nach Auffassung der Kammer liegt dies so nahe, dass jemand, der die Augen vor dieser Pflicht verschließt, dasjenige außer Acht lässt, was in der gegebenen Situation jedermann einleuchten muss. Er handelt mithin grob fahrlässig.”

Eine kurze Entscheidung mit einem prüfungstauglichen Sachverhalt, die Gelegenheit bietet, sich während der Examensvorbereitung wenigstens einmal intensiver mit den Regeln des Fundes (§§ 965 ff. BGB) auseinanderzusetzen.