K, Inhaber einer Spedition, kauft bei B, einer Kraftstoffhändlerin, 100.000 l Diesel zu einem Preis von 60 € für 100 l. Nachdem 50.000 l Diesel geliefert worden sind, gerät B in Lieferschwierigkeiten, weil ihre eigene Lieferantin in die Insolvenz gefallen war. Von K zur Leistung aufgefordert, teilt B dem K ernsthaft und endgültig mit, die weiteren 50.000 l nicht mehr liefern zu wollen. K wendet sich an H, einen anderen Händler, muss dort aber 70 € für 100 l zahlen. K verklagt B auf Lieferung von 50.000 l Diesel; B wird antragsgemäß verurteilt und nimmt die Lieferung wieder auf.
Nunmehr verlangt K von B die Erstattung der Mehraufwendungen in Höhe von 5.000,00 €, weil sich K zwischenzeitlich von H zu einem erhöhten Preis beliefern lassen musste.
Zu Recht?
Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 3.7.2013, Az. VIII ZR 169/12) versagt der Klage des K den Erfolg.
Fraglich ist, auf welche Anspruchsgrundlage K sein Begehren stützen kann. Bekanntlich unterscheiden die §§ 280 ff. BGB zwischen Schadensersatz neben der Leistung (§ 280 I und § 280 I und II BGB) und Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 I und III BGB).
Wäre die geltend gemachte Schadensposition, nämlich die Kosten für einen Deckungskauf, unter dem Aspekt eines Schadensersatzes neben der Leistung zu ersetzen, könnte sich der Anspruch aus §§ 280 I und II, 286 BGB wegen Verzögerung der Leistung ergeben. Deren Voraussetzungen liegen vor: Zwischen K und B bestand ein Schuldverhältnis in Form eines Kaufvertrages, B hat durch die Nichtlieferung eine Pflicht aus dem Kaufvertrag (§ 433 I BGB) verletzt. Anhaltspunkte für eine Exkulpation der B (§ 280 I 2 BGB) sind nicht ersichtlich. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 286 BGB sind erfüllt. In der Leistungsaufforderung durch K liegt eine Mahnung im Sinne von § 286 I BGB, jedenfalls aber hat B die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, sodass eine Mahnung nach § 286 II Nr. 3 BGB entbehrlich war. Die Klage des K hätte Erfolg, wobei aber zu diskutieren wäre, ob der Anspruch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Mitverschuldens (§ 254 BGB) zu kürzen sei, weil K sich an H gewandt hatte, obwohl er B auf Lieferung hätte verklagen können.
Sieht man die Kosten für den Deckungskauf hingegen nur unter dem Aspekt eines Schadensersatzes statt der Leistung als ersatzfähig an, wären die §§ 280 I und III, 281 BGB zu prüfen (da es nicht um eine Nebenpflichtverletzung oder einen Fall der Unmöglichkeit geht, sind weder §§ 280 I und III, 282 BGB noch §§ 280 I und III, 283 BGB einschlägig). Auch deren Voraussetzungen liegen vor. Zwar ist nicht ersichtlich, dass K der B eine Nachfrist i.S.v. § 281 I BGB gesetzt hätte, doch ist eine solche nach § 281 II 1. Var. BGB entbehrlich. Eine darauf gestützte Klage muss aber dennoch der Erfolg versagt bleiben. Denn K hat B auf Lieferung des ausstehenden Diesels erfolgreich in Anspruch genommen und B hat ihre Leistungspflicht - wenngleich widerwillig - erfüllt. Der Anspruch nach §§ 280 I und III, 281 BGB kann aber - wie bereits der Name verdeutlicht - nur anstelle der Leistung geltend gemacht werden. K kann nicht beides - Leistung und Schadensersatz statt der Leistung - verlangen:
“Deshalb erlischt der Anspruch des Gläubigers auf die Leistung, wenn er statt der Leistung Schadensersatz verlangt (§ 281 IV BGB). Umgekehrt schließt auch die Erfüllung, auf die der Kläger die Beklagte erfolgreich in Anspruch genommen hat, einen Anspruch auf Erstattung von (Mehr-)Kosten eines zuvor getätigten eigenen Deckungsgeschäftes aus.”
Doch welche Anspruchsgrundlage ist nun einschlägig, wie sind Schadensersatz neben und statt der Leistung abzugrenzen? Dabei handelt es sich um ein sehr kontrovers diskutiertes Problem des “neuen” Schuldrechts. Teilweise wird dabei materiell darauf abgestellt, ob der Schaden die Leistung funktional ersetze und damit als Erfüllungsschaden, also Schadensersatz statt der Leistung, einzuordnen sei. Die wohl h.M. nimmt demgegenüber eine zeitlich dynamische Abgrenzung vor:
Gegenstand des Schadensersatzes statt der Leistung ist derjenige Schaden, der durch das endgültige Ausbleiben der Leistung verursacht wird. Schäden hingegen, die bereits vor diesem Zeitpunkt endgültig entstanden sind, sind demgegenüber als Schadensersatz neben der Leistung zu ersetzen. Zu fragen ist also: Würde der geltend gemachte Schaden entfallen, wenn die Leistung im letztmöglichen Zeitpunkt noch erbracht wird bzw. worden wäre? Ist das nicht der Fall, ist der Schaden bereits endgültig eingetreten und durch eine Nachleistung des Schuldners nicht mehr zu beheben. Der Schaden kann dann unabhängig vom Setzen einer Nachfrist i.S.v. § 281 I BGB liquidiert werden, weil eine solche Fristsetzung sinnlos wäre. Es handelt sich also um Schadensersatz neben der Leistung, für den § 280 I BGB bzw. § 280 I und II BGB gelten.
Danach handelt es sich bei den Kosten des Deckungsgeschäfts um Schadensersatz statt der Leistung, weil eine Diesellieferung durch B im letztmöglichen Zeitpunkt den Schadenseintritt bei K verhindert hätte.
Im Ergebnis schließt sich der Bundesgerichtshof der herrschenden Auffassung an, argumentiert dabei aber auf der Grundlage einer materiellen Abgrenzung:
“Mehrkosten eines eigenen Deckungskaufs des Käufers sind nicht als Verzögerungsschaden nach § 280 I,II, § 286 BGB ersatzfähig. Denn bei derartigen Kosten handelt es sich nicht um einen Verzögerungs- oder Begleitschaden, sondern um einen Schaden, der an die Stelle der Leistung tritt und den der Gläubiger deshalb nur unter den Voraussetzungen der § 280 I,III, § 281 BGB und somit nicht neben der Vertragserfüllung beanspruchen kann. Wie die Revision zutreffend ausführt, wäre der Kläger, falls ihm neben der im Vorprozess erfolgreich geltend gemachten Vertragserfüllung ein Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten des eigenen Deckungskaufs zugebilligt würde, zum Nachteil der Beklagten so gestellt, als hätte er die bestellte Dieselmenge zu dem vertraglich vereinbarten Preis doppelt zu beanspruchen. Hieran wird besonders deutlich, dass die Kosten des eigenen Deckungskaufs des Käufers, der an die Stelle der vom Verkäufer geschuldeten Leistung tritt, nicht neben dieser Leistung als Verzögerungsschaden geltend gemacht werden können.”
Nachdem sich der Bundesgerichtshof vor einiger Zeit mit der (hoch streitigen) Einordnung des mangelbedingten Nutzungsausfallschadens in das System der §§ 280 ff. BGB zu befassen hatte (Urt. v. 19.6.2009, Az. V ZR 93/08), hatte er nun Gelegenheit, zu einer weiteren problematischen Fallkonstellation Stellung zu nehmen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Entscheidung Eingang in Prüfungs- und Examensaufgaben findet!
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