AG Frankfurt a.M.: Anhusten als tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte?

AG Frankfurt a.M.: Anhusten als tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte?

AG Frankfurt am Main sieht tätlichen Angriff im Anhusten

Bei einer Polizeikontrolle hustet eine Frau dem Beamten absichtlich ins Gesicht, gegen sie wurde ein Strafbefehl erlassen. Das Gericht wertete das Verhalten als tätlichen Angriff gegen Vollstreckungsbeamte.

Worum geht es?

Gegen eine Frau wurde ein Strafbefehl wegen eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte (§§ 113, 114 StGB) erlassen. Dabei kam es zu keinem Schubser oder gar zu einem Schlag – vielmehr soll die Frau einen Polizisten bei einer Kontrolle angehustet haben. 

Zu der Polizeikontrolle kam es am Mainufer in Frankfurt, die Beamten kontrollierten die Einhaltung von Abstandsregeln zum Infektionsschutz. Unter den jungen Leuten befand sich auch die Frau, gegen die nun ein Strafbefehl erlassen wurde. Bei der Kontrolle soll sie einen der Beamten absichtlich angehustet haben, wobei dieser von Speichelpartikeln getroffen worden sei.

Aufbau der Prüfung: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
Relevante Lerneinheit

Das AG Frankfurt am Main wertete das Verhalten der Frau als strafrechtlich relevant und stufte es als einen tätlichen Angriff ein. Damit wäre die Tathandlung im Rahmen des § 114 StGB erfüllt, da es als wissenschaftlich erwiesen gilt, dass Covid-19 durch Tröpfchen übertragen und eine andere Person durch das Anhusten angesteckt werden kann. Dies wiederum könne zu einer Gesundheitsschädigung im Sinne des § 223 StGB führen. In diesem Zusammenhang gibt es viele spannende Rechtsfragen, die wir Dir in diesem Beitrag aufgezeigt haben - es ging hier unter anderem um die Frage, ob jemand mit Tötungsvorsatz handelt, wenn er weiß, dass er mit Covid-19 infiziert ist, einer Person bewusst ins Gesicht spuckt und die Person später tatsächlich an den Folgen der Erkrankung verstirbt.

Ob die Frau tatsächlich mit der Krankheit infiziert war oder nicht, ist nicht bekannt. Allerdings sei dies im vorliegenden Fall für die Verwirklichung des § 114 StGB nicht relevant gewesen. Das AG Frankfurt am Main führte aus, dass auch ein einfaches, aber bewusstes Anhusten in Pandemiezeiten ein strafrechtlich relevantes Verhalten darstelle. Das Gericht erließ daher einen Strafbefehl, der eine Geldstrafe in Höhe von 1.440 Euro vorsieht. Der Strafbefehl ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Was ist eigentlich ein Strafbefehl?

Der Strafbefehl ist in den §§ 407 StPO normiert und ermöglicht eine schnelle Verurteilung bei bestimmten Delikten. Durch ihn kann es zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommen, ohne dass eine Hauptverhandlung geführt werden muss. Dadurch sollen sowohl Gericht und Staatsanwaltschaft, aber auch der Beschuldigte bzw. Angeklagte entlastet werden. 

Relevant in dieser Verfahrensart ist, dass hier ein hinreichender Tatverdacht für eine Verurteilung ausreicht (§ 408 II StPO). Die Schuld des Täters muss für den Erlass eines Strafbefehls nicht feststehen. Der Angeklagte hat aber zwei Wochen nach Zustellung Zeit, Einspruch dagegen einzulegen (§ 410 I StPO). Nutzt er diese Möglichkeit, kommt es dann zur mündlichen Hauptverhandlung. Ansonsten wird der Strafbefehl rechtskräftig und steht einem Urteil gleich ( § 410 III StPO).

StPO: Besondere Verfahrensarten
Relevante Lerneinheit

Zigarettenrauch ins Gesicht pusten ist Körperverletzung

Der Fall erinnert übrigens an frühere Gerichtsentscheidungen, die weit vor der Coronapandemie liegen. Das AG Frankfurt wertete etwa das Anpusten mit Zigarettenrauch als eine Körperverletzung, was eine Notwehrhandlung rechtfertigen könne. Der Entscheidung liegt folgender Fall zugrunde:

Eine 25-jährige Studentin war in einer Diskothek, in der ein 30 Jahre alter Mann rauchte. Sie wies ihn mehrfach auf das Rauchverbot hin – ohne Erfolg. Auf der Tanzfläche soll der Mann sich dann erneut eine Zigarette angezündet haben, auf die Studentin zugegangen sein und ihr absichtlich den Rauch direkt ins Gesicht gepustet und provozierend gefragt haben, was sie denn nun machen wolle. Die Studentin wusste es – und schlug dem Raucher ein Glas auf den Kopf.

Vor Gericht wurde die Studentin vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen. Zunächst beantragte die Staatsanwaltschaft den Freispruch, da das Anpusten mit dem Rauch eine herabwürdigende Handlung und somit eine Beleidigung darstelle. Doch das AG Erfurt ging sogar noch weiter. Der Strafrichter wertete das Anpusten mit dem Zigarettenrauch als Körperverletzung. Durch den Rauch seien die Schleimhäute der Studentin gereizt worden – die Gesundheitsgefahren des Rauchens (auch des passiven Rauchens) seien wissenschaftlich erwiesen. Die Notwehrhandlung der Frau sei daher gerechtfertigt gewesen.

Schaue Dir hier die (prüfungs-) relevanten Lerninhalte oder weiterführenden Beiträge zu diesem Thema an: