BVerfG zur Richterbesoldung: Berliner Richter haben von 2009 bis 2015 zu wenig verdient

BVerfG zur Richterbesoldung: Berliner Richter haben von 2009 bis 2015 zu wenig verdient

Bezahlung sei verfassungswidrig

Die Richterbesoldung der Berliner Richter und Staatsanwälte sei von 2009 bis 2015 zu niedrig ausgefallen. Dies geht aus einem am 28.07.2020 veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes hervor. Ein angemessener Lebensunterhalt sei danach nicht erreicht worden. Die Besoldung müsse teilweise rückwirkend angeglichen werden und eine verfassungsgemäße Regelung sollte zeitnah getroffen werden.

Worum geht es?

In einem Beschluss vom 04.05.2020 befasste sich der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes, noch unter Mitwirkung vom inzwischen ausgeschiedenen Andreas Voßkuhle, mit der Höhe der Richterbesoldung.

Die Entscheidung betrifft Berliner Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppen R1 und R2 im Zeitraum von 2009 bis 2015, sowie R3 im Jahre 2015. Die Besoldung von Richtern bestimmt sich nach den Besoldungsgruppen R1 bis R10. Dabei ist in der Besoldungsgruppe R1 beispielsweise ein Richter auf Probe angesiedelt und in der Besoldungsgruppe R10 etwa ein Richter am Bundesverfassungsgericht.

Obwohl sich in den vergangenen Jahren viel getan hat, unterscheidet sich die Richterbesoldung in den Bundesländern der Höhe nach immer noch deutlich. Dies lässt sich auf die Föderalismusreform 2006 zurückführen. Ursprünglich war die Besoldung der Beamten durch Bundesrecht geregelt. Seit der Föderalismusreform 2006 ist das Besoldungsrecht der Beamten Ländersache und das Bundesbesoldungsgesetz gilt grundsätzlich nur noch für Bundesbeamte. Während in Bayern derzeit ein Einstiegsgehalt auf Stufe R1 von ca. 4.600 Euro zu erwarten ist, kann man in Berlin mit ca. 4500 Euro und im Saarland nur mit 4200 Euro rechnen. Diese Praxis wird vom Deutschen Richterbund schon seit langem kritisiert. Die herausragende Bedeutung der Richter und Staatsanwälte müsse sich in einer angemessenen Besoldung ausdrücken. Darüber würden manche Länder im Wettkampf um die qualifiziertesten Nachwuchskräfte den Anschluss verlieren.Die Aussicht auf eine möglichst hohe Besoldung ist neben dem Standort das wichtigste Kriterium für junge BerufseinsteigerInnen, vielleicht schon bei der Wahl des Standortes für das Referendariat.

Was geht aus dem Urteil hervor?

Aus dem Urteil ergibt sich, dass Berliner Staatsanwälte und Richter eine rückwirkende Angleichung der Besoldung erwarten können, sofern diese sich rechtzeitig mit einem zulässigen Rechtsbehelf gegen die unzureichende Höhe der Besoldung gewährt haben. Außerdem muss das Land Berlin, bis zum Juli 2021 eine verfassungsmäßige Regelung erlassen haben. Insbesondere die Verantwortung, der hohe Anspruch der Tätigkeit und die Hohe geforderte Qualifikationen des akademischen Werdeganges müssten deutlich in der Höhe der Besoldung zum Ausdruck kommen.Im Ausgangsverfahren haben zwei Richter der Besoldungsgruppen R1 und R2, sowie die Witwe eines Richters der Besoldungsgruppe R3, gegen die zu niedrige Besoldung geklagt. Die Verfahren vor dem Verwaltungsgericht blieben bis in die Berufung erfolglos. Schließlich gelangte der Sachverhalt im Revisionsverfahren durch eine Vorlage des Bundesverwaltungsgerichtes zum Bundesverfassungsgericht. Eine Vorlage zum Bundesverfassungsgericht richtet sich grundsätzlich nach Art. 100 Abs. 1 GG, 80 Abs. 1 GG.

Auf welcher Rechtsgrundlage wurde entschieden?

Verfassungsrechtlich lässt sich die Richterbesoldung im Rahmen von Art. 33 Abs. 5 GG überprüfen.

Aus dem Wortlaut selbst geht zunächst nur hervor, dass das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln ist.Die berufliche Stellung von Richtern und Staatsanwälten ist von den Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG umfasst. Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt unter anderem die sogenannte Alimentationspflicht. Danach muss der Gesetzgeber Sorge tragen, dass den Beamten und Ihrer Familie lebenslang ein angemessener Lebensunterhalt zukommt. Dafür ausschlaggebend können vor allen Dingen Dienstrang und die übertragene Verantwortung sein. Der Gesetzgeber hat dabei einen nicht unerheblichen Entscheidungsspielraum, welcher allerdings dadurch beschränkt ist, dass ein Mindestmaß nicht unterschritten werden darf. Bei der Unterschreitung eines zu garantierenen Mindestmaßes kann eine gerichtliche Überprüfung ansetzen.

Nach welchen Kriterien wird eine Unterschreitung festgestellt?

Das Bundesverfassungsgericht hat die Höhe der Besoldung systematisch anhand verschiedener Kriterien überprüft. Dabei erfolgt eine Überprüfung in drei umfassenden und formalisierten Schritten.

In einem ersten Schritt werden Vergleichswerte aus dem öffentlichen Dienst und der sonstigen Lohnstruktur in der Bevölkerung gebildet (Vergleich der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung der Tarifentlohnung im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindex sowie des Verbraucherpreisindex, systeminterner Besoldungsvergleich und Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer Länder) um festzustellen, ob überhaupt ein nötiger Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau besteht.

In einem zweiten Schritt werden die Ergebnisse der ersten Stufe mit weiteren alimentationsrelevanten Kriterien zusammengeführt. Auf dieser Stufe passiert die eigentliche Abwägungsentscheidung. Das Gericht kam danach zu dem Ergebnis, dass die Besoldung im betreffenden Zeitraum nicht mit dem Alimentationsprinzip vereinbar war.

In einem dritten Prüfungsschritt ist eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung zu prüfen. Das Gericht konnte allerdings keine Rechtfertigung durch sonstiges kollidierendes Verfassungsrecht feststellen. Auf dieser Ebene wäre zum Beispiel an die Verpflichtung zur Haushaltskonsolidierung dem. Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 143d Abs. 1 GG zu denken.

Was wird sich in Zukunft ändern?

Die Senatsverwaltung verkündete, dass sie das Urteil zeitnah umsetzen werde, also entsprechende Ausgleichszahlungen leisten und eine Änderung der Besoldung anstreben werde. Die Richterbesoldung sei außerdem seit 2015 auch in Berlin stetig angestiegen und inzwischen im Bundesvergleich stärker angeglichen worden. Die Berliner Senatsverwaltung plant bis 2021 das Durchschnittsniveau der Bundesländer zu erreichen.Es ist davon auszugehen, dass durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes auch in anderen Bundesländern eine Diskussion angestoßen werden wird.