VGH Baden-Württemberg: Keine Einbürgerung bei Ablehnung des Händeschüttelns mit Frauen

VGH Baden-Württemberg: Keine Einbürgerung bei Ablehnung des Händeschüttelns mit Frauen

Das Händeschütteln sei trotz Coronakrise ein elementarer Teil unserer Gesellschaft

Ein Arzt mit libanesischer Staatsangehörigkeit wollte in Deutschland eingebürgert werden. Fast wäre es dazu auch gekommen, doch bei der Urkundenverleihung lehnte er es ab, der Sachbearbeiterin die Hand zu geben. Trotz Corona sei das Händeschütteln in Deutschland ein elementarer Teil unserer Gesellschaft, so der VGH – Einbürgerung abgelehnt.  

 

Worum geht es?

Aufgrund der Coronakrise wird das Händeschütteln aktuell zwar nicht praktiziert, es sei aber ein elementarer Bestandteil des gesellschaftlich-kulturellen Zusammenlebens. So begründet es zumindest der VGH Baden-Württemberg. Ein libanesischer Staatsangehöriger hatte es aus religiösen Gründen abgelehnt, Frauen die Hand zu geben. Nun soll er deswegen nicht eingebürgert werden.

 

Urkundenverleihung fehlgeschlagen

Dabei war der knapp 40-Jährige beinahe eingebürgert. Er lebt schon seit fast 20 Jahren rechtmäßig in Deutschland, kam 2002 für ein Medizinstudium in die Bundesrepublik. Dies beendete er erfolgreich, arbeitet seitdem in einer Klinik als Oberarzt. Er heiratete standesamtlich eine in Deutschland geborene deutsche Staatsangehörige muslimischen Glaubens und beantragte 2012 die Einbürgerung. Dabei muss man unter anderem ein Merkblatt zur Verfassungstreue und eine Absage an alle Formen des Extremismus unterzeichnen – der Mann unterschrieb. Auch den Einbürgerungstest absolvierte er erfolgreich mit Höchstpunktzahl.

2015 war es dann soweit: Er sollte seine Einbürgerungsurkunde ausgehändigt bekommen. Die zuständige Sachbearbeiterin des Landratsamts wollte ihm zur Begrüßung die Hand geben, doch der Arzt weigerte sich. Er habe seiner Ehefrau versprochen, keiner anderen Frau die Hand zu geben. Folge: Die Einbürgerungsurkunde wurde ihm nicht ausgehändigt. Gegen die nun abgelehnte Einbürgerung ging er gerichtlich vor, beim VG Stuttgart hatte er keinen Erfolg. Nun hat der VGH Baden-Württemberg über seine Berufung entschieden.

 

Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse nicht gewährleistet

Durch Corona ist das Händeschütteln zwar aktuell auf Eis gelegt, in manchen Geschäften hängen zum Beispiel Schilder wie „Wir begrüßen Sie aktuell nicht per Handschlag, aber mit einem Lächeln“. Das Händeschütteln sei aber nach Ausführungen des VGH ein Ausdruck einer pluralistischen Gesellschaft mit hoher Bedeutung, die sich auch auf die Einbürgerung auswirke. 

Nach § 10 Staatsangehörigkeitsgesetz werde unter anderem vorausgesetzt, dass der Bewerber seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleiste. Dazu zählt natürlich die Beachtung von Recht und Gesetz, gemeint ist aber auch eine Einordnung in die Grundsätze des Gemeinschaftslebens – und dazu gehöre das Händeschütteln. In westlichen Staaten wie Deutschland sei es ein Begrüßungs- und Verabschiedungsritual, bei dem Faktoren wie Status oder Geschlecht keine Rolle spielen. Zwar gebe es auch andere Praktiken: Der VGH zählte beispielsweise Küsse oder „High Fives“ auf.

Bei besonderen privaten, öffentlichen oder gar hoheitlichen Anlässen […] sei es aber gerade der Handschlag, der in diesem Kontext regelmäßig praktiziert werde.

 

Außerdem, so die Richter aus Mannheim, komme dem Handschlag gar eine rechtliche Bedeutung zu. Durch ihn werde etwa ein Vertragsschluss symbolisiert oder ein bestellter Vormund durch das Familiengericht werde – so sei es vorgesehen – durch einen Handschlag zur Erfüllung seinen Aufgaben verpflichtet.

 

Vortrag des Klägers nicht gefolgt

Im Ergebnis habe in Deutschland das Händeschütteln daher eine das Miteinander prägende Bedeutung und sei tief in unserer Gesellschaft verwurzelt. Auch wenn dies gerade aufgrund Corona anders aussieht, ist das Gericht der Auffassung, dass dies nicht zu einem Ende des Händeschüttelns führe. Denn der Handschlag habe schon andere Pandemien überdauert. Die Richter sind in diesem Punkt also hoffnungsvoll.

Durch seine Ablehnung, Frauen die Hand zu geben, sei keine Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse gegeben. Der Vortrag des Klägers konnte die Richter auch nicht umstimmen: Er gab an, den Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau voll mitzutragen und daher einfach niemandem mehr die Hand reiche. Der Senat wertete das aber als bloßes taktisches Vorgehen und blieb bei seiner Entscheidung

Daher wurde die Berufung des Klägers abgelehnt. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat der VGH die Revision zum BVerwG zugelassen. (Az. 12 S 629/19)

Schaue Dir hier die prüfungsrelevanten Lerneinheiten oder weiterführenden Beiträge zu diesem Thema an:

 - [Einigung, §§ 145 ff. BGB](https://jura-online.de/lernen/einigung-145-ff-bgb/1/excursus?utm_campaign=Wusstest_Du_VBH_Baden_Wuerttemberg_Keine_Einbuergerung_bei_Ablehnung_des_Haendeschuettelns_mit_Frauen)