Nach Missbrauchsskandal in Münster: Debatte um höhere Strafrahmen bei Kindesmissbrauch und Kinderpornografie

Nach Missbrauchsskandal in Münster: Debatte um höhere Strafrahmen bei Kindesmissbrauch und Kinderpornografie

Justizministerin lehnte Reform bisher ab

Missbrauchsskandal in Münster: Die Union fordert eine Verschärfung des Strafrechts. Kindesmissbrauch und Kinderpornografie sollen künftig keine Vergehen, sondern Verbrechenstatbestände sein. Das Justizministerium ist offen für eine Reform.      

Worum geht es?

In Nordrhein-Westfalen ereignete sich der dritte große Kindesmissbrauchsskandel in nur eineinhalb Jahren. In einer Gartenlaube in Münster geschah der jüngste Fall: Gegen mehrere Personen zwischen 27 und 45 Jahren wird wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs an mehreren Kindern ermittelt. Das zehnjährige Hauptopfer soll der Sohn der Lebensgefährtin des Hauptverdächtigen sein. Bislang gab es Festnahmen von elf Tatverdächtigen, sieben von ihnen sitzen aktuell in Untersuchungshaft.

Solche Taten sorgen dafür, dass die Forderungen nach härteren Strafen für Kindesmissbrauch und Kinderpornografie lauter werden. Die Union möchte die einschlägigen Tatbestände reformieren. Die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte zunächst – wie ihre Amtsvorgänger – die Forderung nach einer Verschärfung des Strafrechts zurückgewiesen. Nun will sie aber härtere Strafen ermöglichen.

 

Hochstufung von Vergehen auf Verbrechen

Bereits nach den Missbrauchsfällen in Lügde und Bergisch Gladbach betonte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) die Dringlichkeit einer Strafverschärfung. Für ihn sei „sexueller Missbrauch wie Mord“. Damit werde auf psychischer Weise das Leben der betroffenen Kinder beendet. Der Politiker war daher auch federführend in einem Beschluss der Innenministerkonferenz aus dem Frühjahr 2019, auf den die CDU nun verweist. In dem Beschluss fordern die Innenminister der Länder, dass sowohl der sexuelle Missbrauch von Kindern als auch der Besitz und die Verbreitung von kinderpornografischen Schriften zu Verbrechen hochgestuft werden sollen.

Unser Strafrecht unterteilt seine Straftatbestände in zwei Arten von Taten. Zum einen gibt es Verbrechen. Nach § 12 I StGB sind Verbrechen rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. Im Gegensatz dazu gibt nach § 12 II StGB die Vergehen. Straftatbestände sind Vergehen, wenn ihr Mindestmaß an Freiheitsstrafe unter einem Jahr liegt.

Die Union strebt nun eine Strafrechtsreform dahingehend an, dass Kindesmissbrauch in jedem Fall als Verbrechen eingestuft werden soll. Ebenfalls sollen Strafen bezüglich Kinderpornografie erhöht werden.

 

Reform von §§ 184b III, 176 StGB

Betreffen würde eine Reform zunächst § 176 StGB. Die Norm sanktioniert den sexuellen Missbrauch von Kindern und beinhaltet verschiedene Tatbestände, die unterschiedlich hoch bestraft werden. § 176 I StGB ist in seiner jetzigen Form ein Vergehen – die Union möchte dies ändern.
§ 176 I StGB:

Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

 

Die Norm soll zum Verbrechen gem. § 12 I StGB hochgestuft werden. In besonders schweren Fällen beträgt bereits heute schon die Mindeststrafe ein Jahr (§ 176 III StGB).

Ebenfalls soll die Verbreitung von kinderpornografischen Schriften gem. § 184b III StGB härter bestraft werden. Die Freiheitsstrafe für den Besitz von solchen Schriften beträgt bis zu drei Jahren, eine Geldstrafe ist möglich. Die Union möchte die Höchststrafe auf fünf Jahre anheben, auch hier soll der Tatbestand durch eine Reform zum Verbrechen hochgestuft werden. Eine Geldstrafe wäre dann unmöglich, die Freiheitsstrafe würde mindestens ein Jahr betragen.

 

Justizministerin lehnte Reform bisher ab

Lambrecht war zunächst gegen eine Verschärfung. Das Justizministerium äußerte sich dahingehend, dass die Strafvorschriften bereits ein breites Spektrum an Taten erfassten. Dazu zählen laut Lambrecht auch Handlungen, die eindeutig keinen Verbrechenscharakter hätten. Das Ministerium nannte das Beispiel, dass ein Sportlehrer einmal seine Hand auf die Brust einer Schülerin legt. Die Justizministerin hat inzwischen ihre Auffassung geändert – auch die Handlung des Sportlehrers soll künftig ein Verbrechen darstellen. Nach den Vorschlägen der Union sollen nämlich auch die Fälle des sexuellen Missbrauchs als Verbrechen bestraft werden, die gerade nicht mit körperlicher Gewalt und Misshandlungen einhergingen.

Um unbillige und schuldungemäße Strafen durch das Gericht zu verhindern, hatte die Innenministerkonferenz in ihrem Beschluss weiter vorgeschlagen, dass solche Handlungen als „minder schwere Fälle“ gewertet werden könnten. Gerichte könnten dann angemessen sanktionieren und seien nicht an das Mindestmaß der einjährigen Freiheitsstrafe gebunden. In unserem Strafgesetzbuch gab es bereits schon einmal den „minder schweren Fall des sexuellen Missbrauchs von Kindern“. Dieser wurde aber bereits 2004 abgeschafft mit der Begründung, man wolle den Opfern nicht zumuten, dass ihr Missbrauch vom Gericht lediglich als „minder schwer“ eingestuft wird.

 

Forderungen auch in der SPD

Nicht nur die Union erhöhte den Druck auf Justizministerin Lambrecht. Auch aus den Reihen des Koalitionspartners SPD werden die Forderungen nach einer Reform lauter. So strebt Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) eine Bundesratsinitiative an, ihr Bundesland werde in der nächsten Sitzung einen Antrag auf Strafverschärfung von Kindesmissbrauch einbringen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wünscht sich eine schnelle Umsetzung der Forderungen: 

„Die Innenminister aller 16 Bundesländer haben im April 2019 einen Beschluss getroffen […]. Wenn das Bundesjustizministerium jetzt signalisiert, dass der Beschluss endlich umgesetzt wird, umso besser. Dann kann und muss das jetzt schnell gehen.”

Nachdem Lambrecht ihre Meinung geändert hat, könnte eine Verschärfung des Strafrechts tatsächlich zeitnah erfolgen. Ihr rechtspolitischer Sprecher Johannes Fechner aus der SPD-Fraktion verkündete:

Wir sind offen, die Erhöhung des Strafrahmens des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu prüfen.