Digital Economy: Ist das Bezahlen mit Daten die Zukunft?

Digital Economy: Ist das Bezahlen mit Daten die Zukunft?

“Das Gegenteil dessen, was Juristen das ‘privatautonom agierende Rechtssubjekt’ nennen würden“

Was wäre, wenn wir anstatt mit Geld in Zukunft mit unseren personenbezogenen Daten zahlen würden? Eine neue EU-Richtlinie macht dies bereits heute möglich.

 

Worum geht es?

Es geht um die Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019. Sie beinhaltet Regelungen über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen. Die Europäische Union hat erkannt, dass der elektronische Handel in der Union noch nicht voll ausgeschöpft ist. Daher sollen mit der Richtlinie bestimmte Aspekte von Verträgen über die Bereitstellung digitaler Inhalte oder Dienstleistungen harmonisiert werden. Im Mittelpunkt: Ein hohes Verbraucherschutzniveau als grundlegende Voraussetzung.  

Spannend ist nämlich, dass die Richtlinie es einem Verbraucher erstmals erlaube, für digitale Inhalte und Dienstleistungen nicht mehr mit Geld zu bezahlen, sondern mit seinen personenbezogenen Daten – durch die Gestattung ihrer Nutzung. Dies wird durch Art. 3 der Richtlinie möglich, in dem ihr Anwendungsbereich geregelt wird. Dort heißt es zunächst, dass die Richtlinie für alle Verträge gelte, auf deren Grundlage der Unternehmer dem Verbraucher digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen bereitstelle oder deren Bereitstellung zusage und der Verbraucher einen Preis zahle oder eben dessen Zahlung zusage – so weit so gut, alles wie gehabt. Nun wird es aber spannend:

Diese Richtlinie gilt auch, wenn der Unternehmer dem Verbraucher digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen bereitstellt oder deren Bereitstellung zusagt und der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt oder deren Bereitstellung zusagt […].

Sind damit personenbezogene Daten DIE neue Währung?

 

Kritik von Rechtsanwalt Friedrich Graf von Westphalen

Die Richtlinie wurde jüngst von dem Rechtsanwalt Graf von Westphalen in der FAZ kritisiert. Der Rechtsanwalt befürchtet, der Verbraucher werde durch diese Regelung nicht geschützt, sondern werde vielmehr zu einem Objekt. Dies sei das Gegenteil dessen, was „Juristen das privatautonom agierende Rechtssubjekt nennen würden.“ Mit der erlassenen Richtlinie habe sich die Europäische Union damit abgefunden.

Die Kritik kommt nicht von ungefähr: Internetgiganten wie Facebook und Google dominieren das digitale Zeitalter. Möglich gemacht wird das mit unseren Daten, die wir mehr oder weniger freiwillig zur Verfügung stellen. Graf von Westphalen bezeichnet in seinem Gastbeitrag in der FAZ personenbezogene Daten des Verbrauchers daher als „Gold des Internetkapitalismus“, die nun als „neue Währung von Rechtswegen anerkannt“ sei. Die Union sehe die Vertragsfreiheit auch dann nicht als gefährdet an, wenn der Verbraucher für die unentgeltliche Bereitstellung digitaler Inhalte – „for free“ – mit den Daten zahlt. Dies wird von dem Rechtsanwalt kritisiert:

[…] mit einem solchen Resultat darf und kann man sich nicht wirklich zufrieden geben.

Tatsächlich ist es so, dass Unternehmen wie Google und Facebook Daten durch solche „for free“ – Angebote sammeln. Deshalb zitiert Graf von Westphalen auch den ehemaligen Verfassungsrichter Udo Di Fabio, der seinerseits von einer „ausgeprägte[n] Asymmetrie der Informations- und Wissensverteilung“ hinsichtlich des Machtgefüges von Internetkonzernen sprach. Diese stehe gerade nicht mit dem Institut der Privatautonomie im Einklang. Kritisiert wird zudem, dass der europäische Gesetzgeber den Internetriesen gewissermaßen eine Art uneingeschränkter Vollmacht durch die Richtlinie erteilte. Der Verbraucher als „Produkt“ sei nun von Rechtswegen bekräftigt.

Personenbezogene Daten müssten gewertet werden

Ist die Vertragsfreiheit des Verbrauchers also in Gefahr? Wie kann sie dann gerettet werden? Graf von Westphalen schlägt vor, dass der nationale Gesetzgeber eingreifen und die Bereitstellung der personenbezogenen Daten mit einem „Preisschild“ versehen müsse:

Sagen wir: Zwei Euro pro einzelne Transaktion. Das würde das Rechtsbewusstsein vom „Wert“ personenbezogener Daten schlagartig von Grund auf verändern.

Es handelt sich um ein höchst spannendes Thema – was sagst Du zu der Entwicklung?