Nevada: Frau saß 35 Jahre unschuldig in Haft und erhält 3 Millionen Dollar Entschädigung
Keine Frau saß jemals länger zu Unrecht in Haft als die US-Amerikanerin Cathy Woods. 35 Jahre ihres Lebens verbrachte sie im Gefängnis – unschuldig. Dafür soll sie mit 3 Millionen Dollar entschädigt werden.
Worum geht es?
Im Jahre 1980 wurde Woods in Nevada wegen Mordes einer Studentin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Sie gestand damals die Tat, befand sich zu dem Zeitpunkt aber in einer psychiatrischen Klinik. Heute kann sie sich nicht mehr an ihr Geständnis erinnern und wirft den damaligen Ermittlern sogar vor, sie zu einem falschen Geständnis gezwungen zu haben. Sie musste dennoch ihre Haftstrafe antreten. 35 Jahre später, im Jahr 2015, tauchten neue DNA-Spuren an einem damals sichergestellten Zigarettenstummel auf. Sie führten zu einem anderen Inhaftierten, der als „Gypsy Hills Killer“ bekannt war. Er wurde bereits für andere Tötungsdelikte verurteilt. Außerdem stellte es sich heraus, dass Woods zum Zeitpunkt der Tat als Kellnerin gearbeitet hat. Somit galt sie als unschuldig.
Aufgrund der neuen Beweislage wurde Woods aus der Haft entlassen, ganze 35 Jahre nach ihrer Verurteilung. Sie soll mit einer Summe von 3 Millionen Dollar entschädigt werden. Ihre Anwältin kommentierte die Geschehnisse wie folgt:
Obwohl kein Geldbetrag Frau Woods für das, was sie ertragen hat, entschädigen wird, werden die drei Millionen Dollar zumindest einen Teil der Versorgung für sie kompensieren.
Nun versucht Woods in einem weiteren Verfahren die Stadt und die damaligen Ermittler zur Verantwortung zu ziehen und begehrt eine zusätzliche Entschädigung. Die 3 Millionen Dollar stehen ihr aber schon sicher zu.
Haftentschädigung? Gibt es das in Deutschland auch?
In Deutschland werden unschuldig Inhaftierte auch entschädigt. Die Regelung dazu findet sich in § 7 III StrEG (Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen. Danach beträgt die Entschädigung für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung 25 Euro. Nach einer kurzen Kopfrechnung kommt man mehr oder weniger zu dem Ergebnis, dass sich bei einem unschuldigen Gefängnisaufenthalt in Deutschland für die Dauer von 35 Jahre eine Entschädigungssumme von knapp 320.000 Euro ergeben würde. Im Verhältnis zu den USA: wenig. Im Verhältnis zu der verlorenen Zeit und Lebensqualität: noch weniger.
DAV fordert höhere Entschädigung
Die in unserem Rechtssystem geltende 25 Euro Tagespauschale sieht der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisch:
Der Staat müsse unschuldig Inhaftierte für ihre Haftzeit zumindest einen angemessenen symbolischen Ausgleich zahlen, auch wenn der Verlust von Freiheit materiell nicht aufzuwiegen ist.
Der DAV hält eine Haftentschädigung von mindestens 100 Euro für jeden angefangenen Tag der Haftstrafe für angemessen. Wäre dies der gesetzlich verankerte Entschädigungswert, käme man immerhin schon auf eine Entschädigungssumme von 1,2 Millionen Euro, sollte man 35 Jahre seines Lebens unschuldig in einem deutschen Gefängnis verbracht haben.
2017 wurde bei einer Herbstkonferenz der Justizminister der Länder auch über die Höhe der Haftentschädigung beraten. Einstimmig wurde die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzesentwurf für eine höhere Entschädigung (um die 50 Euro pro Tag) vorzulegen. Passiert ist danach nichts weiter, es bleibt vorerst bei den 25 Euro pro Tag.
Der Fall Ralf Witte
Ein bekannter Justizirrtum in Deutschland ist der Fall um Ralf Witte. Der heute 55 Jahre alte Mann wurde 2004 wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren und acht Monaten verurteilt. Die Vorwürfe der Vergewaltigung kamen von der 15-jährigen Tochter eines Freundes. Der Fall erlangte mediale Aufmerksamkeit, weil sich das Mädchen in ihren Anschuldigungen in Widersprüchen verstrickte, die aber zunächst nicht geklärt wurden. Ebenfalls wurde die zuständige Staatsanwaltschaft vom Rechtsbeistand Wittes beschuldigt, entlastendes Material zurückgehalten zu haben. Im Jahr 2010 wurde Ralf Witte nach 5 ½ Jahren Haft nach einem Wiederaufnahmeverfahren vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Er war unschuldig.
Seit seinem Freispruch leidet Witte unter Angstzuständen und kann keiner Arbeit mehr nachgehen. Für seine Jahre in Haft erhielt er eine Haftentschädigung in Höhe von 50.000 Euro, was den gesetzlichen Vorgaben von 25 Euro pro Tag entspricht.
Der DAV und auch die Justiz sind sich darüber bewusst, dass die derzeitige Höhe der Haftentschädigung als niedrig anzusehen ist. Es wird auch, wie sich zeigte, eine Reform vom Gesetzgeber gefordert.
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