BVerfG verhandelt erneut zu Anleihekäufen der EZB

BVerfG verhandelt erneut zu Anleihekäufen der EZB

Finanzkrise zum Preis der Rechtmäßigkeit vermeiden?

Diese Woche verhandelt der Zweite Senat des BVerfG erneut über vier Verfassungsbeschwerden, die die EZB und die umstrittene Bankenunion betreffen. 2017 hatte das BVerfG dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Diese wurden nun beantwortet, sodass weiter verhandelt werden kann.

 

 

Worum geht es?

Die Europäische Währungsunion hat Angst vor einer Finanzkrise. Verständlich, wenn man sich die Entwicklungen der Finanzmärkte in den letzten Jahren anschaut. 2007 entstand in den USA die sog. „Immobilienblase“, die die Verschuldung von vielen Staaten in die Höhe trieb, um Banken mit Steuergeldern zu retten. Im Jahr 2009 folgte die Eurokrise – ausgelöst durch die griechische Regierung, die ihre Nettoneuverschuldung vorsätzlich falsch bezifferte.

Was tun also, um die Währung zu stabilisieren? Eine Möglichkeit, die seit 2013 verfolgt wird, ist die „Europäische Bankenunion“ – doch sie ist stark umstritten.  

Die Europäische Bankenunion unter Aufsicht der EZB

„Geld hat man zu haben.“ – diesen Satz lernst Du spätestens im zweiten Semester Deines Jurastudiums, aber was ist, wenn das Geld weg ist? Wer anderen Geld leiht, trägt das Risiko, es nicht zurückzubekommen – bei Banken kann das verheerende Folgen haben. Kreditinstitute werden ruiniert, wenn Schulden mehrfach nicht beglichen werden. Und das wirkt sich dann auch auf die Kosten des Verbrauchers, der ein Konto bei der ruinierten Bank hat, aus – sein Geld ist im schlimmsten Fall auch weg.

Um den Finanzmarkt zu stabilisieren und solche Risiken zu senken, schließen sich schrittweise europäische Banken zu einer Bankenunion zusammen. Untereinander werden Risiken vergemeinschaftet, gegenseitige Unterstützung kann im Ernstfall gewährleistet werden. Sollte eine Krise kommen, müsse dann nicht zwingend auf Steuergelder zurückgegriffen werden – so die Idee.

Die Europäische Bankenunion soll aber mehr können und mehr dürfen. Ziel ist es weiter, eine zentrale Bankenaufsicht und ein gemeinsames Finanzmarktregelwerk einzuführen. So könnten Schwankungen am Finanzmarkt weniger drastisch ausfallen. Im Jahr 2013 wurde die Aufsicht für „systemrelevante“ Banken von den nationalen Behörden auf die EZB übertragen – 120 Geldinstitute werden heute von der EZB beaufsichtigt, 21 davon sind aus Deutschland. Die anderen 1400 Banken und Sparkassen unterliegen weiterhin der nationalen Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin).  

“Soll man einem Hund den Wurstvorrat anvertrauen?”

Die Zuständigkeit der EZB stößt aber auf Kritik, da sie so nicht mit Unionsrecht zu vereinbaren sei. Ihr kämen mehr Befugnisse zu, die sie nach den EU-Verträgen überhaupt haben dürfe. Vielmehr erhalte sie eine Doppelfunktion: Zum einen muss sie für stabile Preise sorgen und gleichzeitig aber auch Banken beaufsichtigen. 2018 hat sich der zweite Senat schon einmal mit diesem Interessenkonflikt beschäftigt,Verfassungsrichter Peter Müller drückte es so aus:

“Soll man einem Hund den Wurstvorrat anvertrauen?”

Befürworter wenden hingegen ein, dass die EU durch die Bankenunion nicht mehr Befugnisse bekäme als erlaubt - von einem Interessenkonflikt könne keine Rede sein: 

In einer immer stärker international vernetzten Bankenwelt brauche es auch eine Bankenaufsicht, die nicht an nationalen Grenzen halt macht.

 

Verhandlung vor dem BVerfG

Nun also verhandelt der Zweite Senat des BVerfG über vier Verfassungsbeschwerden, die sich auf das „Public Sector Asset Purchase Programme (PSPP)“ der EZB zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors beziehen. Das PSPP ist ein Programm der EZB zum Ankauf von Staatsanleihen an den Sekundärmärkten, mit dem Ziel, einen Rückgang der Realzinssätze zu erreichen. So könnte die Kreditgewährung durch Geschäftsbanken erleichtert und das Wirtschaftswachstum gefördert werden. Im Hinblick auf Verluste des PSPP würden diese von europäischen Institutionen gemeinsam getragen werden.

Im Jahr 2017 hat der Senat dem EuGH diesbezüglich mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die nun beantwortet wurden. Sie betrafen insbesondere das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung, das Mandat der EZB für die Währungspolitik und einen möglichen Übergriff in die Zuständigkeit und Haushaltshoheit der Mitgliedstaaten. Das PSPP der EZB ist nach Auffassung des EuGH mit dem Unionsrecht vereinbar. Das Gericht aus Luxemburg stellte klar, dass das PSPP nicht über das Mandat der EZB hinausgeht und auch nicht gegen das Verbot der monetären Finanzierung verstößt.

Durch die Ausführungen des EuGH kann nun das Verfahren fortgesetzt werden. Wie es ausgeht – ungewiss. Wir werden Dich auf dem Laufenden halten.

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