100 Jahre Frauenwahlrecht

100 Jahre Frauenwahlrecht

Frauen, Macht und Politik: Wir feiern 100 Jahre Frauenwahlrecht

Was vor rund 150 Jahren noch undenkbar schien, ist in heutiger Zeit selbstverständlich. Wir feiern den 100. Geburtstag des Frauenwahlrechts - ein Meilenstein in der Geschichte der Demokratie in Deutschland und Grundlage für die Gleichberechtigung von Frau und Mann.

Worum geht es?

Was für unsere Zeit als selbstverständlich gilt, war noch vor rund 150 Jahren in weiter Ferne und der Weg zum Wahlrecht der Frauen war lang. Heute - in Zeiten von Angela Merkel oder Annegret Kramp-Karrenbauer an den Spitzen politischer Ämter - kaum vorstellbar. Doch im Jahre 1850 hatten Frauen weder das Recht einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, noch das Recht zu wählen. Sie lebten in einer sozialen und wirtschaftlichen Abhängigkeit von ihrem Ehemann bzw. als unverheiratete Frau von ihrem Vater. Sie durften auch nicht Mitglied in einem politischen Verein sein und es war ihnen nicht gestattet sich zu versammeln. Gemäß des Preußischen Vereinsgesetzes von 1879 konnte die Anwesenheit einer - damals sogenannten - „Frauenperson“ bei einer Versammlung sogar zur Auflösung der Versammlung führen, wenn sie nach Aufforderung eines Abgeordneten der Obrigkeit „nicht entfernt” wurde.

Geschichte des Frauenwahlrechts

Dennoch gründeten sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts vermehrt Gruppen und Vereine, um für die Einführung des Wahlrechts der Frau einzustehen und um die Rechte der Frauen generell zu stärken.

„(…) fordert das Stimmrecht, denn über das Stimmrecht geht der Weg der Selbstständigkeit und Ebenbürtigkeit, zur Freiheit und zum Glück der Frau“,

appellierte die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm im Jahre 1873. Namenhafte Gründerinnen und Mitglieder der Vereinigungen waren neben Hedwig Dohm unter anderem Minna Cauer, Anita Augspurg, Helene Stöcker und Käthe Schirmacher. Auch die SPD nahm im Jahre 1891 die Forderung des Wahlrechts für Frauen in ihr Parteiprogramm auf. 1894 wurde dann die Dachorganisation für die gemäßigte, bürgerliche Frauenbewegung mit dem Namen „Bund Deutscher Frauenvereine“ gegründet. Sechs Jahre später entstand der „Deutsche Verein für Frauenstimmrecht“ als erster Verein, der sich konkret und als einziges Ziel gesetzt hatte, das Wahlrecht für Frauen zu erkämpfen. In den folgenden Jahren fand in Berlin der erste Internationale Frauenkongresses (1904) mit Teilnehmerinnen aus 25 Ländern und die „Erste internationale sozialistische Frauenkonferenz“ (1907) statt. Im Mai 1908 dann ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum Frauenwahlrecht: Das Preußische Vereinsrecht wurde aufgehoben. Frauen durften sich ab jetzt nunmehr rechtmäßig in politischen Vereinen und Gruppen mit politischen Inhalten beteiligen.

Doch die immer lauter werdenden Frauenbewegungen fanden nicht nur Zustimmung. So vergleicht der Anti-Feminist Werner Heinemann das Frauenwahlrecht mit einem „nationalen Selbstmord“ und der Neurologe Paul Julius Möbius besorgt, dass übermäßige Gehirntätigkeit das “Weib nicht nur verkehrt, sondern auch krank“ mache.

Während des ersten Weltkrieges gerieten die Frauenbewegungen dann ein wenig ins Stocken und nahmen erst 1917 wieder richtig Fahrt auf. Grund dafür: Kaiser Wilhelm II. sprach zwar in einer Ansprache von einer Wahlrechtsreform, ohne jedoch die Belange der Frauen zu berücksichtigen. Es folgten gemeinsame Demonstrationen und Kundgebungen von sozialistischen und bürgerlichen Frauenrechtsvereinen. Im Oktober 1918 forderten 58 deutsche Frauenorganisationen schriftlich – begleitet von Versammlungen und Kundgebungen mehrerer tausend Menschen - den Reichskanzler Max von Baden auf, dem Verlangen nach einem Wahlrecht für Frauen zu entsprechen. Wenige Tage nach dem Philipp Scheidemann die Republik ausrief, war es dann am 12. November 1918 soweit: Die Volksbeauftragten richteten sich mit ihrem Regierungsprogramm an das deutsche Volk. Enthalten war endlich auch das Frauenwahlrecht, was einige Wochen später in der Verordnung zur Wahl der verfassungsgebenden Nationalversammlung verankert wurde.

„Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“,

hieß es dann erstmals in Artikel 109 Abs. 2 der im August 1919 verkündeten Weimarer Verfassung. Zuvor war die Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung am 19. Januar 1919 wohl eine der bedeutsamsten Wahlen der Geschichte. Das Bedeutsame an dieser Wahl war allerdings nicht, wie sonst üblich, das Ergebnis, sondern vielmehr ihre Akteure. Zum ersten Mal in der Geschichte in Deutschland durften Frauen wählen – und gewählt werden. Der Rat der Volksbeauftragten hatte dies wenige Wochen zuvor in der Verordnung über die Wahl zur Nationalversammlung verankert.

Frauen und Politik heute

Obwohl das passive Frauenwahlrecht seit nunmehr 100 Jahren existiert, sind bundesweit in keinem Parlament Frauen gleichberechtigt vertreten. Nach Angaben der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e.V (EAF) liegt der Anteil der weiblichen Mitglieder in der kommunalen Vertretungen bei rund 25 Prozent und auf Bundes- und Landesebene bei ungefähr 30 bis 40 Prozent (Stand Februar 2018). Die Anteile stagnieren allerdings seit rund 20 Jahren bzw. weisen teilweise sogar eine rückläufige Tendenz auf. Hinzu kommt, dass auf Kommunalebene – und dort insbesondere in kleineren, ländlichen Gemeinden - der Frauenanteil in Führungspositionen besonders klein ist. Während sich der Anteil Landes- und Bundesministerinnen bei rund 40 Prozent befindet, liegt der Anteil der Bürgermeisterinnen nur bei rund 10 Prozent.

Als mögliche Gründe für die Unterrepräsentierung spricht die EAF unter anderem die drei folgenden Faktoren an: Auf Kommunalebene werden die Ämter in der Regel ehrenamtlich ausgeübt. Dies führt häufig dazu, dass weibliche Kandidatinnen das Ehrenamt mit Familie und Erwerbstätigkeit kombinieren müssen.

„Da Frauen immer noch überproportional viel Familienverantwortung übernehmen, ist es für sie schwieriger, in die Kommunalpolitik einzusteigen und gleichzeitig so viel Zeit zu investieren, dass auch ein Aufstieg in eine Führungsposition möglich ist.“,

meint die EAF. Hinzu kommt, dass Frauen seltener als Männer aktiv von Parteien und Netzwerken angesprochen und dass das Nominierungsverfahren auf Kommunalebene im Vergleich zur Landes- und Bundesebene intransparent sei. Häufig werden Frauen als sogenannte „Verlegenheitskandidatinnen” aufgestellt, wenn ein Wahlsieg ohnehin als unwahrscheinlich gilt. Um eine tatsächliche Gleichstellung in der Politik zwischen Mann und Frau zu bewirken, werden zurzeit die verschiedensten Modelle diskutiert. Denkbar wäre zum Beispiel ein Paritätsgesetz, dass - ähnlich wie das Gesetz zur Vergabe von Führungspositionen in der Privatwirtschaft – gesetzliche Vorgaben für die Vergabe von Führungspositionen in der Politik schafft. Zudem könnte ein Blick auf unser Nachbarland Frankreich hilfreich sein. In Frankreich werden die Vertreter der Regionalwahl in einer Direktwahl nach dem sogenannten Tandem-Modell gewählt. Dabei wird die Anzahl der Wahlkreise halbiert und die Anzahl der Sitze pro Wahlkreis von einem auf zwei erhöht. Jede Partei stellt dann eine Frau und einen Mann, also ein Tandem auf. Die Wähler des Wahlkreises können dann jeweils eines der aufgestellten Tandems wählen. In Frankreich wurde so 2015 ein Frauenanteil von 50 Prozent der Gewählten erreicht.