Weihnachtskalender für Jurastudenten und Referendare - Türchen 22

Weihnachtskalender für Jurastudenten und Referendare - Türchen 22

 

?ES WEIHNACHTET SEHR?

 

Türchen 22 enthält unseren sechsten und letzten Tipp für das **„Geheimnis der perfekten Klausur”:**Die richtige Darstellung eines Meinungsstreits.

 

Darstellung eines Meinungsstreits

 
Beispiel: A sitzt in einer Versteigerung und sieht draußen einen Freund vorbei laufen und hebt den Arm, um den Freund zu grüßen. Genau in diesem Moment wird im Rahmen der Versteigerung etwas angeboten und A erhält aufgrund seines Handzeichens den Zuschlag. Die Frage ist, ob hier ein Vertrag zustande gekommen ist. Dieser setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Diese setzen voraus, dass A in subjektiver Hinsicht in dem Bewusstsein gehandelt hat, sich rechtsgeschäftlich erheblich zu verhalten (Rechtsbindungswille). Hier stellt sich nun die Frage ob es ausreicht, dass B hätte erkennen können, dass er objektiv so wahrgenommen wird, als wolle er sich rechtsgeschäftlich erheblich verhalten, obwohl er dies in subjektiver Hinsicht nicht wollte.

In der Klausur wird ein Meinungsstreit so dargestellt, dass zunächst die unterschiedlichen Ansichten präsentiert werden und anschließend eine Stellungnahme verfasst wird.  

I. Erste Auffassung („Eine Ansicht“)

 

1. Präsentation

Nach einer Auffassung reicht ein bloß potentieller Erklärungswille nicht aus. Erforderlich ist, dass die Person, also der Erklärende, tatsächlich in subjektiver Hinsicht sich rechtsgeschäftlich erheblich verhalten wollte.  

2. Subsumtion

Hier hat A den Arm lediglich zum Zwecke des privaten Grußes erhoben und hatte subjektiv nicht das Bewusstsein sich rechtsgeschäftlich erheblich zu verhalten.  

3. Ergebnis

Also gelangt diese Auffassung im vorliegenden Fall dazu, dass kein ausreichender subjektiver Erklärungswille vorliegt. Es liegt also keine Willenserklärung und letztlich auch keine Einigung vor.  

II. Zweite Auffassung („Weitere Ansicht“)

 

1. Präsentation

Nach einer anderen Auffassung reicht ein bloß potentieller Erklärungswille aus. Es reicht also aus, dass der Erklärende hätte erkennen können, dass er objektiv so wahrgenommen wird, als wolle er sich rechtsgeschäftlich erheblich verhalten. Nicht erforderlich ist, dass er tatsächlich in subjektiver Hinsicht sich rechtsgeschäftlich erheblich verhalten wollte.  

2. Subsumtion

Im vorliegenden Fall hätte A erkennen können, dass er wenn er zum Zeitpunkt einer Versteigerung den Arm zum Zwecke des privaten Grußes hebt, nach außen hin innerhalb der Auktion so verstanden wird, als wolle er mitbieten.  

3. Ergebnis

Also gelangt diese Auffassung im vorliegenden Fall dazu, dass ein ausreichender subjektiver Erklärungswille vorliegt und eine Willenserklärung und somit auch eine Einigung vorliegt.  

III. Stellungnahme

Eine Stellungnahme wird nur dann vorgenommen, wenn die Auffassungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.  

1. Argumente für erste Auffassung

Für die erste Auffassung spricht, dass es ansonsten darauf hinausliefe, dass ein fahrlässiger Vertrag zustande käme, den es nicht geben darf.  

2. Argumente für zweite Auffassung

Für die zweite Auffassung spricht der Verkehrsschutz. Zudem kann der Erklärende seine Willenserklärung immer noch anfechten.  

IV. Typische Fehler

 

1. Abstrakte Darstellung des Meinungsstreits

Bei diesem Fehler fehlen die Subsumtion und das Ergebnis., sodass nach der Präsentation der Auffassungen direkt in die Stellungnahme übergegangen wird.  

2. Verwendung der Begriffe „h.M.“; „Mindermeinung“ etc.

Meistens wird die Verwendung der Begriffe, insbesondere „h.M.“ als Argumentationsersatz herangezogen und soll so über eine dünne Argumentation hinweg kaschieren.  

3. Vorziehen von Argumenten

Dies meint Fälle, in denen die Argumente für eine Auffassung bereits in die Präsentation vorgezogen werden und nicht, wie üblich, in der Stellungnahme abgehandelt werden.  

4. Unübliche Reihenfolge

Dies meint Fälle, in denen die Auffassungen und die Argumente in unüblicher Reihenfolge dargestellt werden. Üblich ist es, die Auffassung als letztes zu bringen, die man am Ende zugrunde legen möchte.