Fußballspieler als Spekulationsobjekt
Nach elf Monaten Hauptverhandlung wurde am Landgericht Dortmund am Dienstagnachmittag das Urteil gegen den BVB-Attentäter gesprochen: Für 14 Jahre muss Sergej W. wegen versuchten Mordes in 29 Fällen ins Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hat sogar lebenslang gefordert.
Worum geht es?
Am 11. April 2017 rückte das Spiel in der Champions League zwischen Borussia Dortmund und AS Monaco in den Hintergrund, als am Dortmunder Hotel L’Arrivée plötzlich eine Detonation zu hören war - per Funksteuerung wurden drei selbst gebaute Sprengsätze in genau dem Moment gezündet, als der Mannschaftsbus des BVB zum Stadion aufbrechen wollte. Die Bundesanwaltschaft dachte zunächst, dass es sich um einen islamistisch-dschihadistischen Anschlag handle. Topkriminalisten wurden mit dem Fall betraut, durchleuchteten ihn ins kleinste Detail und kamen letztlich Sergej W. auf die Spur. Der 29-Jährige hatte die Vorwürfe lange bestritten, doch die Beweislast war erdrückend. Heute ist das Gericht überzeugt, dass er die Sprengsätze gezündet hat. Sein Ziel soll laut Anklage gewesen sein, mit den Bomben Spieler zu töten, um dadurch die Aktienkurse des BVB zu senken. Mit sogenannten Optionsscheinen hat er zuvor auf einen Kurssturz der Aktie gewettet und auf einen Gewinn von „einigen zehntausend Euro” gehofft. Nach Ansicht des Schwurgerichts erfüllt die Tat gleich mehrere Mordmerkmale wie Habgier und Heimtücke. Jetzt muss er wegen des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion, wegen versuchten Mordes in 29 Fällen und wegen gefährlicher Körperverletzung für 14 Jahre in Haft.
Spekulationsobjekt: Fußballspieler
Erst am zweiten Hauptverhandlungstag Anfang Januar gestand Sergej W., die Bomben mit Metallstiften gebaut und gezündet zu haben: Seine Freundin habe sich kurz vor der Tat von ihm getrennt, er habe sich deshalb das Leben nehmen und seiner Familie Geld hinterlassen wollen. Die ihm zur Last gelegte Tötungsabsicht der Fußballspieler bestreitet er aber vehement. Es sei ihm nur darum gegangen, Angst und Schrecken zu verbreiten. Eine Einlassung, mit der er weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht überzeugen konnte. Denn Sergej W. muss gewusst haben, dass der erhoffte Börsengewinn nur dann zu erreichen wäre, wenn die Spieler des BVB getötet oder zumindest schwer verletzt worden wären, so Oberstaatsanwalt Carsten Dombert.
Er habe die Tat von langer Hand geplant - unter großem Aufwand: So nahm er kurz vor dem Anschlag einen Kredit in Höhe von 40.000€ auf, um mit sogenannten Put-Optionen auf starke Kursverluste des börsennotierten Fußballvereins zu wetten: Solche Geschäfte fallen nur dann richtig gewinnbringend aus, wenn auf der anderen Seite ganz erhebliche Verluste realisiert werden. Sergej W. musste also einen möglichst folgenreichen Anschlag herbeiführen, da allein das Ausscheiden des BVB aus der Champions League den Börsenkurs des Vereins nicht derart gewinnbringend in den Keller geschoben hätte, sagt das Gericht. Gleich mehrere Gutachter seien zu dem Ergebnis gekommen, dass die Explosion der Splitterbomben auch gar nicht zu kontrollieren war und ein exakter oder kontrollierter Richtwinkel der Detonation gar nicht hätte erreicht werden können. Vielmehr sei es ein glücklicher Zufall gewesen, dass der Anschlag verhältnismäßig glimpflich ausging und nur zwei Menschen verletzt wurden - Dortmunds damaliger Abwehrspieler Marc Barta wurde an der Hand verletzt und ein Motorradpolizist erlitt ein Knalltrauma.
Narzisstische Persönlichkeitsstruktur
Die Verteidigung des Angeklagten plädierte hingegen auf eine Haftstrafe deutlich unter zehn Jahren: Sergej W. sei es eben nicht auf die Vernichtung des Betriebskapitals - also der Mannschaft - angekommen, vielmehr sei die Tat in seiner narzisstischen Persönlichkeitsstruktur angelegt. Er habe „ein perfektes Ding hinlegen” wollen und den Gewinn ohne den Schaden erreichen. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass Sergej W. zwar eher schüchtern sei, unter Ängsten leide und auch einen narzisstischen Persönlichkeitskern habe. Während der Tat sei er jedoch voll steuerungs- und schuldfähig gewesen. Dies zeige auch die akribische Planung des Anschlags: Am Tatort hinterließ er drei gleich lautende vermeintliche Bekennerschreiben, um den Eindruck zu erwecken, dass es sich bei dem Anschlag um einen dschihadistischen handle. Zudem legte er in der Nähe des Hotels falsche Spuren aus, wie etwa Konservendosen, die er extra in Belgien gekauft hatte - Belgien galt zu dieser Zeit als europäische Hochburg der Terrormiliz.
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen