100 Jahre Ende Erster Weltkrieg

100 Jahre Ende Erster Weltkrieg

Aus einem Kontinent fortwährender Feindschaft ist ein Kontinent des Friedens geworden

Vor 100 Jahren wurde der Erste Weltkrieg beendet. Am 11. November 1918 einigten sich die Kriegsparteien im französischen Compiègne auf den Waffenstillstand. Wir feiern den 1918 unterzeichneten Frieden - in völkerrechtlicher Hinsicht endete der Krieg jedoch erst mit Unterzeichnung des Versailler Vertrags am 28. Juni 1919. Was umfasst das humanitäre Völkerrecht eigentlich?

 

 
Der Erste Weltkrieg begann in Westeuropa mit dem Überfall Deutschlands auf das neutrale Belgien und forderte am Ende insgesamt ca. 15 - 17 Millionen Todesopfer. Modernere Waffentechnologien und der Fortschritt in der Rüstungsindustrie trugen ihren Teil zu der hohen Opferzahl bei. Der Überfall auf Belgien folgte einer militärischen Logik und zeigte sichtbar auf, wie schnell etwaige Verträge wertlos und zivilisatorische Standards außer Kraft gesetzt wurden - auch wenn zu dieser Zeit noch kein wirklich ausgeprägtes rechtliches Regelungswerk für Kriegssituationen existierte. Auch in der heutigen Zeit ist Krieg leider noch immer allgegenwärtig. Mit der Zeit wurde aber ein Sonderrecht für Situationen bewaffneter Konflikte geschaffen - das humanitäre Völkerrecht. 

 

Was umfasst das humanitäre Völkerrecht?

Zum Bereich des humanitäres Völkerrechts zählen das Recht zum Krieg (ius ad bellum), das die Legalität des Führens eines Krieges regelt und das Recht im Krieg (ius in bello) mit Regeln zum Umgang mit Zivilisten, Kulturgut und andere Vorschriften, welche die mit einem Krieg verbundenen Leiden und Schäden vermindern oder auf ein unvermeidbares Maß beschränken sollen. So enthält es sowohl Bestimmungen zum Schutz von Personen als auch Beschränkungen der Kriegsmittel und Kampfmethoden.

Wo ist das humanitäre Völkerrecht geregelt?

Insbesondere die Schrecken der zwei Weltkriege und die auch heute noch fortdauernde Allgegenwärtigkeit von Krieg, trugen dazu bei, dass das Kriegsvölkerrecht bis heute immer weiter kodifiziert wurde. Es gibt jedoch nicht lediglich ein Sammelwerk, das alle wichtigen Vorschriften enthält, sondern vielmehr besteht das humanitäre Völkerrecht aus einer Vielzahl von internationalen Abkommen und unterschiedlichen Rechtsquellen.

Die wichtigsten Kodifizierungen sind die Haager Abkommen von 1899 und 1907 sowie die vier Genfer Abkommen von 1949 einschließlich der zwei Zusatzprotokolle, die bis heute universelle Geltung haben. Anfang 2018 waren 196 Staaten Vertragsparteien der vier Genfer Abkommen. Das I. Zusatzprotokoll hatte 174, das II. Zusatzprotokoll 168 und das III. Zusatzprotokoll 73 Staaten ratifiziert. Während das Haager Recht vor allem Regeln zur Kriegführung enthält, normieren die Genfer Konventionen hauptsächlich Vorschriften zum Schutz von Verwundeten, Kriegsgefangenen und Zivilisten in bewaffneten Konflikten.

In den letzten Jahrzehnten wurden noch das Umweltkriegsübereinkommen (1977), das VN-Waffenübereinkommen (1980), das Chemiewaffenübereinkommen (1993), das Ottawa-Abkommen über das Verbot von Personenminen (1997) und das Übereinkommen über Streumunition (2008) geschlossen.

Einige dieser Vorschriften, insbesondere die Regeln zum Schutz der Zivilbevölkerung vor den Kriegsfolgen, stellen heute unabhängig von der vertraglichen Bindung ein für alle Staaten geltendes Völkergewohnheitsrecht dar. Dieses ist vor allem für die nicht-internationalen bewaffneten Konflikte bedeutsam, da für Bürgerkriege derzeit kaum völkervertragsrechtliche Regelungen bestehen. Der Großteil des humanitären Völkerrechts knüpft jedoch an die Situationen eines bewaffneten Konflikts zwischen zwei oder mehreren Staaten an.

 

Was sind die wesentlichen Grundsätze des humanitären Völkerrechts?

Das sogenannte „Kriegsvölkerrecht“ versucht grundsätzlich einen Ausgleich zwischen den militärischen Interessen und dem Prinzip der Menschlichkeit herzustellen. Aus diesem Grundgedanken lassen sich wesentliche Kernpunkte ableiten:

 
- Unter keinen Umständen darf die Kriegsführung durch Einsatz bestimmter Waffen oder Kampfmethoden zu überflüssigen Verletzungen oder Leiden führen. Die Wahl der zur Kriegsführung eingesetzten Mittel und Methoden ist somit den Kriegsparteien nicht frei überlassen.

 - Angriffe auf Zivilisten sind auch in Zeiten eines international bewaffneten Konflikts untersagt. Zum Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte ist jederzeit zwischen Zivilbevölkerung und Kombattanten zu unterscheiden.




 - Auch Kriegsgefangene haben Rechte und sind vor Gewalthandlungen und Missbrauch geschützt. Soldaten und auch Zivilisten haben im Fall der Kriegsgefangenschaft einen Anspruch auf Achtung ihres Lebens und ihrer Würde.




 - Es ist verboten, einen Gegner, der sich ergibt oder zur Fortsetzung des Kampfes nicht in der Lage ist, zu töten oder zu verletzen. 

 

Wer sorgt dafür, dass sich Staaten auch an das humanitäre Völkerrecht halten?

Heutzutage werden Kriegsverbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag geahndet. Die Errichtung des Gerichtshofs ist Ausdruck der Bereitschaft der Staaten, die Verbindlichkeit des humanitären Völkerrechts zu stärken. Die juristische Grundlage folgt aus dem multilateralen Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998. Es haben insgesamt 123 Staaten die Zuständigkeit des Gerichtshofs, der seine Tätigkeit erst am 1. Juli 2002 aufnahm, anerkannt. 

Die bedeutendste Institution zur Förderung des Humanitären Völkerrechts ist das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Das IKRK ist eine Organisation mit partieller Völkerrechtsfähigkeit, die sich als ein Verein nach Schweizer Recht mit Sitz in Genf konstituiert hat. Die Arbeit des IKRK im Rahmen internationaler bewaffneter Konflikte beruht auf den vier Genfer Konventionen von 1949 und dem Zusatzprotokoll I von 1977. Darin ist das Recht des IKRK auf Entfaltung bestimmter Aktivitäten ausdrücklich anerkannt, zum Beispiel Hilfeleistungen für Verwundete, kranke oder schiffbrüchige Soldaten, Besuch von Kriegsgefangenen und Hilfe für Zivilpersonen.

Daneben existiert noch die Internationale Humanitäre Ermittlungskommission, die aus einem Gremium von 15 unabhängigen Experten besteht, das in Staaten, die ihre Zuständigkeit anerkannt haben (bislang 76 Staaten), schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht untersucht.

 

Aus einem Kontinent fortwährender Feindschaft ist doch eigentlich ein Kontinent des Friedens geworden

In den 100 Jahren seit Ende des Ersten Weltkriegs wurden auf internationaler Ebene also eine Vielzahl von Abkommen geschlossen, die Opfer bewaffneter Konflikte vor Gewalt schützen und dafür sorgen sollen, dass auch in Zeiten des Krieges Menschenrechte geachtet und schlimmstes Leid verhindert werden soll. Über die Jahre ist aus einem Kontinent fortwährender Feindschaft ein Kontinent des Friedens geworden - gerade in gegenwärtig unruhigen Zeiten sollten wir nicht nur in Worten und Gedenken, sondern auch durch unser Handeln zeigen, dass wir unsere Lektion aus dieser unheilvollen Geschichte gelernt haben. Stattdessen wird Völkerrecht trotzdem noch in vielen Regionen gebrochen, Kriegsrecht missachtet oder unverhältnismäßig viel Gewalt in Konflikten eingesetzt.