Banksy-Versteigerung: Auch juristisch ein Lehrstück?

Banksy-Versteigerung: Auch juristisch ein Lehrstück?

Banksy-Bild zerstört sich nach einer Auktion selbst und wirft (auch juristische) Fragen auf

„We just got Banksy-ed” - klingt es nach der Auktion im weltberühmten Sotheby’s in London aus den Lautsprechern, als das Werk im Moment seiner Kapitalisierung vom Künstler selbst dem Kunstmarkt durch Selbstzerstörung plötzlich wieder entzogen wird. Hat der Streetartkünstler damit den Kunstmarkt vorgeführt oder einen cleveren Mediencoup gelandet? Banksy sorgt mit dem geschredderten Bild “Girl with Balloon” zumindest für eine neue Sensation und auch juristisch ist der Fall ein Lehrstück.

Worum geht es?

Es war bereits ein prächtiger Abend für den internationalen Kunstmarkt im berühmten Auktionshaus Sotheby’s in London am vergangenen Freitag - 90 Millionen Pfund kamen durch die Auktionen zusammen und ein besonderes Kunstwerk stand als letztes Versteigerungsobjekt noch auf dem Plan: Das weltberühmte Bild „Girl with Balloon” des Streetartkünstlers Banksy. In dem Moment, als der Auktionator seinen Hammer niedersausen ließ und verkündete, dass das Werk für eine stolze Summe von 1,04 Millionen Pfund verkauft sei, ertönte plötzlich ein Piepton und innerhalb weniger Sekunden rutschte das Mädchen mit dem roten Ballon unter sanftem Rattern durch den im Bilderrahmen eingebauten Schredder und wurde zur Hälfte in feine, schmale Streifen zerlegt. Ein Kunstwerk, das die astronomische Summe von einer Million Pfund durchbrochen hatte, wurde sogleich wieder zerstört - auch noch vom Künstler höchstpersönlich. Wenige Stunden später hatte dieser nämlich ein Video bei Instagram veröffentlicht, in welchem zu sehen ist, wie er den Schredder bereits vor einigen Jahren in den Bilderrahmen eingebaut haben will und mit der Auslösung des Schredders bis zu eben jener Auktion gewartet hatte. Die Schockstarre des Publikums überwand der Auktionator schnell mit den Worten „We just got Banksy-ed.” Was nach einem meisterhaftem Geniestreich klingt, bringt Kunstliebhaber und Juristen gleichermaßen auf den Plan.   

Nachträgliche objektive Unmöglichkeit

Zwar spielt deutsches Kaufrecht in dem konkreten Fall keine Rolle, zumal die Auktion in London stattfand. Der Fall fasziniert aber nicht nur den Kunstmarkt in London, sondern auf der ganzen Welt und bietet die Gelegenheit, dieses einmalige Lehrstück auch in unser Rechtssystem zu verlagern: Banksy hatte das Werk bereits im Jahre 2006 verkauft und seitdem soll die zerstörerische Vorrichtung im Bilderrahmen auf seinen Einsatz gewartet haben. Der Mechanismus wird sich sehr wahrscheinlich nicht mit dem Schlag des Auktionshammers selbst ausgelöst haben, sodass anzunehmen ist, dass die Vorrichtung mit einer Fernsteuerung - womöglich aus dem Publikum heraus - in Gang gesetzt wurde. Das Bild wurde bei der Auktion in dem Zustand verkauft, den es vor dem letzten Hammerschlag des Auktionators hatte. In diesem Moment ist der Kaufvertrag über das noch im einwandfreien Zustand befindliche Kunstwerk zustande gekommen.

Die Sache scheint also auf den ersten Blick klar zu sein: Nachdem das Bild geschreddert wurde, konnte die Übergabe eines tadellosen Bildes an den per Telefon zugeschalteten Käufer nicht mehr stattfinden. Dieser Mangel lässt sich auch nicht beheben, da das Bild zur Hälfte in feinen zerschnittenen Streifen aus dem Bilderrahmen ragt. Auch eine Reparatur - etwa durch vorsichtiges Zusammensetzen und -kleben der einzelnen Streifen - könnte das Bild nicht in seinen ursprünglichen Zustand versetzen. Zudem kann kein anderes, identisches Exemplar geliefert werden, da der Wert des Bildes gerade darin bestand, dass es sich um das Banksy-Original „Girl with Balloon” handelte. Somit liegt hier ein Fall der nachträglichen objektiven Unmöglichkeit vor, die den Verkäufer von seiner Primärleistungspflicht befreit.

„Der Drang zu zerstören ist auch ein kreativer Drang”

Die nachträgliche Unmöglichkeit bedeutet für den Käufer, dass er zum einen gemäß § 437 Nr. 2 BGB zurücktreten kann und den (vermeintlich) zerstörten Banksy erst gar nicht entgegennehmen und den Preis nicht zahlen muss. Er könnte zum anderen auch direkt vom Auktionshaus Schadensersatz verlangen - dieses handelt normalerweise auf fremde Rechnung, aber im eigenen Namen und tritt somit nicht nur als bloßer Vermittler zwischen Käufer und Verkäufer, sondern unmittelbar als Verkäufer auf. Dann müsste Sotheby’s diesen Mangel aber auch zu vertreten haben. Dieser Punkt muss jetzt noch geklärt werden, denn Sotheby’s will von der Aktion nichts gewusst haben.

Diesbezüglich werden bereits Stimmen laut, die das jedoch nicht glauben wollen. Hierfür wird angeführt, dass Banksys Gemälde als allerletztes Werk des Abends versteigert wurde und dies regelrecht als Vorführung so geplant gewesen sei. Hätte die Auktion vorher stattgefunden, dann hätte der gesamte Auktionsabend niemals in seinen normalen Betrieb zurückkehren können. Schließlich habe Banksy mit dieser Aktion dem Publikum doch gerade vorführen wollen, wie falsch die Kapitalisierung der heutigen Gesellschaft und des Kunstmarktes sei. Der Auktionator hätte also nur mit sehr großer Mühe wieder in die weiteren Millionengebote einsteigen können, ohne dass Sotheby’s hierfür hätte Kritik einstecken müssen.

Zudem wurde Banksys Gemälde zur Versteigerung an die Wand gehängt - üblich ist es aber, dass Kunstwerke dieser Größe auf ein Podest gestellt werden. Dann wäre aber unterhalb des Bildes kein Platz mehr gewesen, um die Streifen aus dem Schredder gleiten zu lassen. So aber konnten die Streifen fast schon dekorativ und unzerknittert frei in der Luft hängen. Aber auch die Konstruktion als solche hätte den Mitarbeitern des Auktionshauses auffallen müssen, da der Zustand eines Werkes vor einer Auktion immer untersucht wird, sodass spätestens zu diesem Zeitpunkt jemandem eine merkwürdige Metallkonstruktion hätte auffallen müssen. Zudem verweist Banksy in seinem später veröffentlichtem Statement auf Picasso: „Der Drang zu zerstören ist auch ein kreativer Drang” - der kunsthistorische Verweis lässt das zerschredderte Mädchen wieder in neuem Glanz erstrahlen. Denn die Aktion verbreitete sich in kürzester Zeit über die sozialen Medien weltweit und fast alle Nachrichtenportale berichteten davon: Das ohnehin schon sehr eingängige und weltberühmte Bild wird plötzlich noch weltberühmter - und wertvoller.  

Absurdität des Kunstmarktes

Und dies führt letztlich zu der entscheidenden Frage: Liegt hier überhaupt ein Sachmangel vor oder erhält der Käufer durch die Schredderaktion tatsächlich ein deutlich wertvolleres und noch berühmteres Werk, also etwas Besseres als das eigentlich zuvor Versprochene? Ersten Schätzungen zufolge soll das Werk nun doppelt so viel wert sein. Könnte Banksy jetzt vielleicht sogar mehr Geld für das Werk verlangen oder den Kaufvertrag sogar anfechten? Das ginge nur dann, wenn der Verkäufer sich über wertbildende Eigenschaften des Kunstwerkes geirrt hätte. Allerdings fand die Wertsteigerung erst nach dem Zuschlag und vor den Augen des gesamten Publikums statt, sodass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kein Irrtum vorlag.

In Frage steht jetzt aber auch Banksys Glaubwürdigkeit: Als anarchisch-kreativer Streetartkünstler, der seine Identität geheim hält, kämpft er gegen die Kommerzialisierung des Kunstmarktes und sorgt mit seinen Werken und politischen Botschaften immer wieder für Aufsehen. In Betlehem eröffnete er beispielsweise ein Hotel, von dessen Zimmern aus die Gäste auf die Mauer zwischen Israel und dem Westjordanland blicken - das Hotel wirbt damit, den „hässlichsten Ausblick der Welt” zu haben. Und jetzt folgt die Zerstörung eines millionenwerten Gemäldes. Man kann die Aktion als einen Hinweis auf die Schnelllebigkeit und Vergänglichkeit des Menschengemachten verstehen. Auf Instagram schrieb der Künstler „going, going, gone”, was auf deutsch sie viel wie „Zum Ersten, Zum Zweiten und zum Dritten - Verkauft” bedeutet. „Gone” kann aber auch mit „verschwunden” gleichzusetzen sein. Folgt man Banksys Botschaften der letzten Jahre, so sollte diese Aktion vermutlich die Absurdität und Kommerzialisierung des Kunstmarktes offenbaren - stattdessen treibt sie sie auf die Spitze. Geplant oder nicht - der Kunstmarkt spielt nach seinen eigenen Regeln.

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