Anwohner und Gemeinden scheitern vor dem BVerfG
Das Bundesverfassungsgericht nahm drei Beschwerden gegen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts nicht zur Entscheidung an: Die Verfassungsrichter sahen in der geplanten Regelung keinen Verstoß gegen die im Grundgesetz garantierte körperliche Unversehrtheit und das rechtliches Gehör.
Worum geht es?
An dem Pannenflughafen Berlin Brandenburg (BER) läuft es weiterhin nicht richtig rund - immer wieder tauchen neue Mängel auf, die die Eröffnung verzögern. Und so kursieren im Netz mittlerweile mehr Witze über den Hauptstadtflughafen, als ernst zu nehmende Nachrichten. Vor der künftigen Eröffnung, die nunmehr für den Oktober 2020 angesetzt ist, haben einige Anwohner in der Nähe des Flughafengeländes aber wenig zu lachen und streiten sich schon jetzt heftig um die vorgesehenen Nachtruhezeiten. Anwohner und sich an den Flughafen anschließende Gemeinden sind bereits vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) aktiv geworden. Da sie dort mit ihrer Klage gescheitert sind, zogen sie mit drei Verfassungsbeschwerden weiter an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Vergangenen Dienstag hat es die Verfassungsbeschwerden aber erst gar nicht zur Entscheidung angenommen und als unzulässig verworfen.
Recht auf Gesundheit und rechtliches Gehör
Gegenstand der Verfassungsbeschwerden war die Entscheidung des BVerwG zur geplanten Nachtflugregelung des BER: Dieses hatte bereits im Jahre 2006 die Planfeststellungsbehörde dazu verpflichtet, über Einschränkungen des Nachtflugbetriebes des zukünftigen BER-Flughafens wiederholt zu entscheiden und den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss teilweise aufgehoben.
Diese Neuregelung erfolgte am 20.10.2009 durch einen Planergänzungsbeschluss, welcher Nachtkernzeiten von 0 bis 5 Uhr, in denen grundsätzlich keine Flugaktivitäten stattfinden dürfen sowie Nachtrandzeiten - jeweils eine halbe Stunde vor und nach der Nachtkernzeit - in denen großzügigere Ausnahmen und damit mehr Flugverkehr zugelassen werden dürfe. Die Beschwerdeführer - allesamt Anwohner in unmittelbarer Nähe zum Flughafengelände - richteten sich mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen diese neu geregelten kurzen Ruhezeiten und rügten insbesondere eine Verletzung der Rechte auf Gesundheit aus Art. 2 II 2 GG und rechtliches Gehör aus Art. 103 I GG.
Gewicht der Nachtkernzeit erkannt
Gegen das Urteil des BVerwG tragen sie unter anderem vor, dass es den wesentlichen Vortrag der Beschwerdeführer zur Fehlerhaftigkeit eines Gutachtens sowie zur Abwägung der Lärmschutzinteressen übergangen habe. Darüber hinaus sei dem Schutzgut der Gesundheit im Rahmen einer Abwägung der widerstreitenden Interessen eine Fehlgewichtung widerfahren. Die Beschwerdeführerinnen der weiteren Verfassungsbeschwerde sahen sich als unmittelbare Anliegergemeinden in ihrem Anspruch auf die Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil ein wesentlicher Vortrag zur Unverwertbarkeit eines Gutachtens durch das BVerwG nicht berücksichtigt worden ist. Darüber hinaus rügten sie das Recht auf effektiven Rechtsschutz sowie das Recht auf ein faires Verfahren.
Das BVerfG verwies darauf, dass im gesundheitlichen Bereich hinsichtlich solcher Lärmbelastungen stetige Überprüfungs- und Nachbesserungspflichten gelten, was gerade im Luftverkehr durch § 2 III Fluglärmgesetz (FluglärmG) geregelt werde. Eine Verletzung der Gesundheit gem. Art. 2 II 2 GG sei nicht zu beanstanden, da das BVerwG das Gewicht der Nachtkernzeit erkannt und die besondere Bedeutung der Nachtruhe betont sowie eine ausreichende Gesamtbetrachtung der Lärmbelastung vorgenommen habe.
Keine unangemessene Rechtsschutzverkürzung
Das BVerfG lehnt ebenfalls eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren mit der Begründung ab, dass den Beschwerdeführern bei ihrer Rechtswahrnehmung durch die Gestaltung der mündlichen Verhandlung nichts abgeschnitten werde, was nicht bereits Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens war. Ferner könne darüber hinaus gerade deshalb offen bleiben, ob den Beschwerde führenden Gemeinden ein solches Recht überhaupt zustehen könne. Auch eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 IV GG, welches den Gemeinden ausnahmsweise zustehen könne, werde im vorliegenden Fall nicht verletzt. Da Planung einen finalen, jedoch keinen konditionalen Charakter habe und sich dies im eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsmaßstab, aber gerade nicht in einer unangemessenen Rechtsschutzverkürzung niederschlage, sei das Verfahrensgrundrecht nicht verletzt.
Mit einem Verweis darauf, dass es zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung des BVerwG an erforderlichen Unterlagen fehle, die von der Beschwerdeführerin nicht vorgelegt wurden sowie in Ermangelung einer ausreichenden Auseinandersetzung mit selbiger Entscheidung und der ihr zugrundeliegenden Rechtslage, hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerden insgesamt als unzulässig abgewiesen.
- BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 02. Juli 2018 - 1 BvR 612/12 -
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