Gesetzgeber muss trotzdem eine Neuregelung finden
Die Rundfunkbeitragspflicht ist im privaten und im nicht privaten Bereich im Wesentlichen mit der Verfassung vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hatte lediglich die Regelung für Zweitwohnungen zu beanstanden - hier müsse der Gesetzgeber nachbessern.
Worum geht es?
Seit Jahren wird über das Finanzierungsmodell für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gestritten - insbesondere seit der Einführung des im Jahr 2013 eingeführten Rundfunkbeitrags, der mit aktuell 17,50 Euro monatlich erhoben wird und pro Wohnung gilt. Davor richtete sich die Beitragspflicht lediglich nach dem Vorhandensein konkreter Empfangsgeräte. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte nun zu entscheiden, ob dieses Finanzierungsmodell rechtmäßig ist. Der Entscheidung liegen drei Verfassungsbeschwerden zugrunde, die sich gegen die Erhebung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich wenden, wobei einer der Beschwerdeführer insbesondere die Beitragspflicht für Zweitwohnungen angreift. Die Kläger argumentieren unter anderem damit, dass Einpersonenhaushalte gegenüber Mehrpersonenhaushalten benachteiligt würden. Außerdem müssten Alleinerziehende genauso viel zahlen wie Doppelverdiener oder Studenten-WGs, die sich den Beitrag mit dem gesamten Haushalt teilen können. Die vierte Verfassungsbeschwerde stammt vom Autovermieter Sixt, der sich gegen die Beitragserhebung im nicht-privaten Bereich und hier insbesondere gegen die Entrichtung von zusätzlichen Beiträgen für Kraftfahrzeuge richtet - für Sixt sollen Rundfunkbeiträge pro Wagen anfallen, sodass das Unternehmen bei fast 50.000 Autos knapp 300.000 Euro monatlich an Rundfunkbeiträgen zahlen muss.
Keine Steuer
Das BVerfG hält die Rundfunkbeitragspflicht im privaten und im nicht privaten Bereich jedoch im Wesentlichen für verfassungsgemäß. Lediglich die Zahlungspflicht bei Zweitwohnungen sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar. Der Erste Senat hat den zuständigen Landesgesetzgebern aufgetragen, bis zum 30. Juni 2020 eine entsprechende Neuregelung zu treffen. Bis dahin bleibt die aktuelle Regelung erhalten - Betroffene können aber schon jetzt einen Antrag auf Befreiung vom zweiten Beitrag stellen.
Von vielen Seiten wurde kritisiert, dass den Ländern gar keine Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung des Rundfunkbeitrags zustehe, da es sich dabei um eine Steuer handele. Die Verfassungsrichter machten aber deutlich, dass der Rundfunkbeitrag einen Beitrag im finanzverfassungsrechtlichen Sinne darstelle, der für die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung erhoben werde. Es handele sich somit um eine nicht-steuerliche Abgabe, sodass den Ländern die notwendige Gesetzgebungskompetenz zukomme. Der Gesetzgeber bewege sich bei der Ausgestaltung der Beitragsverpflichtung innerhalb seines “weiten Spielraums”. Entscheidend sei dabei, dass die bundesweite Ausstrahlung der Programme jedem in Deutschland die realistische Möglichkeit ihres Empfanges gebe, sagte Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof. Dies rechtfertige eine zusätzliche finanzielle Belastung - unabhängig davon, ob der Einzelne ein Empfangsgerät habe oder die Angebote überhaupt nicht nutzen wolle. Maßgeblich sei vielmehr, dass eine realistische Nutzungsmöglichkeit bestehe. Die Kompetenz für die Erhebung solcher nicht-steuerlicher Abgaben werde von der Regelungsmaterie der Länder umfasst.
Materiell verfassungsgemäß
Die Landesgesetzgeber seien dabei rechtmäßig davon ausgegangen, dass die Adressaten den Rundfunk typischerweise in der Wohnung empfangen. Das Innehaben einer Wohnung lasse zulässigerweise darauf schließen, dass Rundfunk empfangen werden kann. Zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks habe schließlich derjenige beizutragen, der die allgemein zugänglichen Angebote des Rundfunks empfangen kann, sie aber nicht notwendig empfangen muss. Maßgeblich sei, dass eine realistische Nutzungsmöglichkeit bestehe. Diese sei stets gegeben, da den Beitragsschuldnern durch das Beschaffen von entsprechenden Empfangsgeräten ein Empfang im gesamten Bundesgebiet möglich sei. Wo es Beitragsschuldnern obejktiv unmöglich sein sollte, zumindest über irgendeinen Übertragungsweg Rundfunk zu empfangen, soll auf Antrag eine Befreiung nach § 4 VI 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) erfolgen.
Der Gesetzgeber habe auch auf die tatsächlich überwiegende Nutzung in der Wohnung abstellen dürfen, als das neue Beitragssystem im Jahre 2013 eingeführt wurde. Die bis dahin geltende Anknüpfung der Beiträge an empfangsfähige Geräte sei aufgrund des technologischen Fortschritts ohnehin nicht mehr praktikabel und eine effektive Kontrolle nahezu unmöglich.
Ungleichbehandlung gerechtfertigt
Die Länder wollten sich bei der Festsetzung des Beitrags an den Berechnungen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten orientieren - die tatsächlichen Mehreinnahmen aus Rundfunkbeiträgen lagen dabei nicht wesentlich über den von der Kommission prognostizierten Einnahmen. Verfassungsrechtlich sei dabei aber lediglich entscheidend, dass die Beiträge nicht für andere Zwecke erhoben werden als die funktionsgerechte Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Finanzierung der Aufgaben nach § 40 I RBStV.
Die Verfassungsrichter konnten damit auch keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit feststellen: Dem Rundfunkbeitrag stehe eine äquivalente staatliche Leistung in Form eines umfangreichen und auf dem freien Markt erhältlichen Rundfunkangebots gegenüber. 17,50 Euro im Monat sollen nun mal den Wert für dieses Angebot aus Vollprogrammen, Spartenprogrammen, Zusatzangeboten, Bildungsprogramm, Hörfunkprogrammen und Telemedienangeboten bilden - unabhängig davon, ob dieser Betrag im Rahmen einer Wohngemeinschaft geteilt wird oder nicht.
Zwar liege darin, dass sich mehrere Wohnungsinhaber den Beitrag untereinander aufteilen können und dadurch weniger belastet werden als Einzelpersonen, eine Ungleichbehandlung. Sie beruhe allerdings auf Sachgründen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen noch genügen: Schließlich hätten die Landesgesetzgeber die wohnungsbezogene Erhebung des Rundfunkbeitrags in zulässiger Weise darauf gestützt, dass der private Haushalt in der Vielfalt der modernen Lebensformen häufig Gemeinschaften abbilde. Diese gesellschaftliche Wirklichkeit habe der Gesetzgeber bei der Einführung des Finanzierungsmodells berücksichtigt und habe hieran auch anknüpfen dürfen. Die Gemeinschaften unterfallen darüber hinaus vielfach dem Schutz des Art. 6 I GG - diese Regelung sei vom weiten Einschätzungsspielraum der Landesgesetzgeber gedeckt. Die Ungleichbehandlung könne auch deshalb hingenommen werden, weil die ungleiche Belastung das Maß nicht übersteige, welches das BVerfG in vergleichbaren Fällen angelegt habe.
Kein Beitrag für Zweitwohnungen
Zu beanstanden hatten die Karlsruher Richter lediglich die Beitragspflicht für Zweitwohnungen: Wer für die Erstwohnung zahlt, habe den Vorteil des potentiellen Rundfunkempfangs schließlich bereits abgegolten. Die Bemessung des Beitrags für Zweitwohnungen verstoße somit gegen den aus Art. 3 I GG abgeleiteten Grundsatz der Belastungsgleichheit. Die Zahlungspflicht für Zweitwohnungen könne auch nicht damit begründet werden, den Verwaltungsaufwand für die Beitragserhebung möglichst gering halten zu wollen. Die relevanten Meldedaten werden den Rundfunkanstalten ohnehin zur Verfügung gestellt - eine mehrfache Beitragserhebung sei folglich ohne unzumutbaren Mehraufwand zu vermeiden. Die Rundfunkanstalten führten zudem etwaige Missbrauchsrisiken als Argument ins Feld. Wer aber für die erste Wohnung bereits zahle, könne das System nicht durch etwaige Verstöße gegen das Meldesystem über weitere Wohnungen umgehen, so das BVerfG.
95-prozentiger Sieg für Rundfunkanstalten
Die Neuregelung für Zweitwohnungen stellt jedoch die einzige Änderung dar. Denn auch der Autovermieter Sixt verliert mit seiner Klage gegen die Rundfunkbeiträge im nicht-privaten Bereich. Für jedes seiner fast 50.000 Autos müsste Sixt als Gewerbetreibender einen monatlichen Beitrag von 5,83 Euro zahlen. Das BVerfG sollte dabei auch klären, ob es zulässig und möglich sei, für Betriebe je nach Zahl der Mitarbeiter gestaffelte Beiträge zu erheben. Der Erste Senat machte aber deutlich, dass die Erhebung des Rundfunkbeitrags auch im nicht rein privaten Bereich verfassungsgemäß sei, da auch der Inhaber von Betriebsstätten einen durch die Nutzungsmöglichkeit des Rundfunks profitieren: Aus dem Rundfunkangebot könne er sich schließlich Informationen für seinen Betrieb beschaffen, seine Beschäftigten und Kunden informieren und unterhalten. Es stelle zudem keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar, wenn Unternehmen mit gleicher Mitarbeiterzahl unterschiedlich belastet würden, da sie auch unterschiedlich viele Betriebsstätten haben. Der Gesetzgeber habe also rechtmäßig nicht auf die Anzahl der Mitarbeiter, sondern auf die Anzahl der Betriebsstätten abgestellt.
Auch im Übrigen sei die Rundfunkbeitragspflicht verfassungsgemäß: Das aus Art. 5 I 1 GG folgende Grundrecht der Informationsfreiheit schützt den Zugang zu allgemein zugänglichen Informationsquellen und zugleich die eigene Entscheidung darüber, sich aus solchen Quellen zu informieren. Ob das Grundrecht der Informationsfreiheit darüber hinaus auch gleichrangig im Sinne einer negativen Komponente davor schützt, sich gegen den eigenen Willen Informationen aufdrängen zu lassen, oder ob insoweit der Schutzbereich des Art. 2 I GG einschlägig ist, bedürfe nach Ansicht des BVerfG vorliegend aber keiner Entscheidung.. Denn die Rundfunkbeitragspflicht begründe keinen Zwang zur Konfrontation mit den über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbreiteten Informationen, sodass es jedenfalls an einem Eingriff fehle. Zudem liege auch kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot vor, da die Höhe des Rundfunkbeitrags nicht im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, sondern im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag geregelt ist. Der Zweck eines Gesetzes könne aus dem Gesetzestext in Verbindung mit den Materialien deutlich werden und sich auch aus dem Zusammenhang ergeben, in dem die Regelung zu dem zu regelnden Lebensbereich steht. Die Höhe des Rundfunkbeitrages sei aber allgemein bekannt und ergebe sich zudem aus den frei verfügbaren Informationen des ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice. Auch die Gesetzesbegründung zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag weise ausdrücklich auf das nach dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag bestehende Festsetzungsverfahren hin.
Schon im Vorfeld galt es als unwahrscheinlich, dass die Richter den Rundfunkbeitrag als solchen kippen würden - hierfür haben richterliche Instanzen in der Vergangenheit einfach zu oft zugunsten der öffentlich-rechtlichen Gebührenfinanzierung als Garant der freien Meinungsbildung geurteilt. Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm zeigte sich erfreut und begrüßt das Urteil, da es den konsequenten Weg des Gesetzgebers bestätige, die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland zeitgemäß fortzuentwickeln. Die Korrektur der Zweitwohnungs-Regelung sieht auch der ZDF-Intendant Thomas Bellut als “angemessenes und verfassungskonformes Finanzierungsmodell für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk” an. Zudem sei wichtig, dass über die Zulässigkeit des Beitrags jetzt höchstrichterliche Rechtsklarheit herrsche. Ein 95-prozentiger Sieg für die Rundfunkanstalten also - kommentiert der Mainzer Professor Dr. Hufen die Entscheidung des BVerfG.
- Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17 -
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