Darf das Gericht einer 8-Jährigen das Smartphone verbieten?
Können Smartphones das Kindeswohl gefährden? Am Amtsgericht Bad Hersfeld geht man offenbar davon aus - zumindest wird dort seit etwa zwei Jahren eine konsequente Linie bei der Nutzung digitaler Medien von Kindern und Jugendlichen geführt: Im August 2016 verurteilte das Gericht einen Vater dazu, den Messenger-Dienst Whatsapp vom Smartphone seiner minderjährigen Töchter zu entfernen, um sie vor anzüglichen Nachrichten zu schützen. Ein Jahr später entschied das selbe Gericht, dass Eltern mit ihren Kindern eine Nutzungsvereinbarung darüber zu treffen hätten, dass sie die Nutzung des Smartphones begleiten und beaufsichtigen müssen, solange das Kind nicht volljährig ist. Und nun kam es zu einem dritten Urteil dieser Art: Ein achtjähriges Mädchen dürfe kein Smartphone haben - das Internet dürfe es nur nach vorheriger Absprache mit der Mutter nutzen. Die Eltern legten Beschwerde ein: Jetzt hat sich das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. zum tatsächlichen Schädigungspotential von Smartphones bei Kindern geäußert.
Worum geht es?
Dass die mittlerweile so weit verbreitete Nutzung von Smartphones das menschliche Miteinander beeinflussen und verändern kann, wurde schon vielfach untersucht und bestätigt. Dies gilt ebenso für die Entwicklung von Kindern, die mit Tablets und co. völlig selbstverständlich aufwachsen. In einer Studie haben Forscher 500 Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 14 Jahren und ihre Eltern zur Smartphone-Nutzung befragt. Im Ergebnis waren viele der Kinder und Jugendliche bereits selbstkritisch und stuften ihren Umgang mit den Geräten als fragwürdig ein. Von einigen Befragten wurden Schulprobleme infolge der Ablenkung eingeräumt und mehr als jeder vierte Befragte gab an, schon von Fremden - zum Teil auch anzügliche - Nachrichten erhalten zu haben. Darüber hinaus resultierte für jeden Vierten durch den Messenger-Dienst Whatsapp ein permanenter Kommunikationsdruck, wodurch Stress verursacht werde. Ob durch den unbegrenzten Umgang mit einem Smartphone eine Gefährdung des Kindeswohls eintreten kann, hatte das OLG Frankfurt kürzlich zu entscheiden.
In dem konkreten Fall stritten getrennt lebende Eltern vor dem AG Bad Hersfeld über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre neunjährige Tochter. Bei der Anhörung des Kindes stellte sich heraus, dass das damals noch achtjährige Mädchen freien und von den Eltern nicht gesteuerten Zugang zum Internet über u.a. ein eigenes Smartphone hatte. Das AG hatte der Mutter zwar das Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen, gab ihr aber zusätzlich auf, verbindliche Zeiten und Inhalte für die Nutzung von TV, PC, Spielkonsole, Tablet und Smartphone festzulegen und dem Kind bis zum 12. Geburtstag kein eigenes, frei zugängliches Smartphone zur Verfügung zu stellen.
Eltern bestimmen über den Schutz ihrer Kinder
Beide Elternteile legten hiergegen Beschwerde ein und zogen vor das OLG Frankfurt. Mit Beschluss vom 15.06.2018 (Az. 2 UF 41/18) gaben die Frankfurter Richter den Eltern Recht - die Auflagen wurden aufgehoben. Das Recht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen, sei grundgesetzlich geschützt, sodass Auflagen zur Kindeserziehung nicht nach Belieben erteilt werden dürften. Das OLG betonte dabei, dass es keine Rechtfertigung gebe, um Eltern prinzipiell zu untersagen, ihren Kindern ein Smartphone anzuvertrauen.
Begründet wird der Beschluss zunächst mit einem Verweis auf §§ 1666, 1666 a BGB: Da staatliche Maßnahmen in solchen Fällen immer auch die Grundrechte der Eltern berührten, seien an den Eingriff in die elterliche Personensorge verfassungsrechtlich hohe Anforderungen zu stellen. Diese Maßnahmen dürften nur getroffen werden, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes oder sein Vermögen gefährdet werde. Es müsse also vielmehr positiv festgestellt werden, dass bei weiterer Entwicklung der vorliegenden Umstände der Eintritt eines Schadensnachteils des Kindes mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten sei - die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts rechtfertige aber eine eingreifende Maßnahme nicht.
Schädlich wie Junkfood
Medien- und Internetkonsum würden für Kinder und Jugendliche zwar auch nach Ansicht der Frankfurter Richter Gefahren bergen, die Eltern nicht außer Acht lassen dürfen - so könnten beispielsweise etwaige jugendgefährdende Inhalte auf Youtube ebenso schädlich sein, wie das Spielen von nicht für die Altersgruppe des Kindes freigegebenen Spielen. Dasselbe gelte auch für Whatsapp, wo Kinder und Jugendliche als Sender und Empfänger gewünschter oder unerwünschter Nachrichten betroffen sein können. Das Schädigungspotential sei auch mit der Ernährung mit zu viel minderwertiger und ungesunder Nahrung, also Junkfood, zu vergleichen. Solchen Gefahren vorzubeugen sei aber in erster Linie die Aufgabe der Eltern. Auch für Familiengerichte gelte bei staatlichen Eingriffen der Grundsatz der Subsidiarität.
Da eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls durch die Möglichkeit der generellen Mediennutzung jedoch nicht festgestellt werden konnte, hat das OLG Frankfurt die Auflagen als unberechtigten Eingriff in die grundrechtlich geschützten Elternrechte angesehen und aufgehoben. Auflagen dieser Art können also nur dann gerechtfertigt sein, wennim konkreten Einzelfall tatsächlich Anhaltspunkte für die Gefahr einer Schädigung des Kindes vorliegen. Das OLG sprach sich abschließend aber auch dafür aus, dass die Nutzung digitaler Medien zum Schutze Minderjähriger pädagogisch begleitet werden sollte. Hierbei seien aber individuelle Spielräume zu berücksichtigen.
- Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 15.06.2018 - 2 UF 41/18 -
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