Richterin hält Influencer zwar für überflüssig, aber nicht für illegal
Aufgepasst im Instagram-Business: Die sozialen Medien befinden sich längst nicht mehr in einer rechtlichen Grauzone, auch wenn um die richtige Abgrenzung der einzelnen Kanäle oft noch gestritten wird. Am Landgericht I München zeichnet sich derzeit aber möglicherweise eine Kehrtwende im Bereich des Influencer-Marketing ab. Nachdem das Landgericht Berlin und das Landgericht Osnabrück Werbung ohne entsprechende Kennzeichnung in Social Media Kanälen noch als illegal bewertet hatten, sieht das Landgericht I München am Beispiel der Instagram-Influencerin Cathy Hummels darin kein Problem, solange sie keine Gegenleistung für die Werbung erhalte.
Worum geht es?
Cathy Hummels ist nicht nur als Spielerfrau bekannt, sondern auch als erfolgreiche Instagram-Influencerin. Bekannt ist auch, dass sie zum Teil finanzielle Gegenleistungen größerer Modefirmen dafür erhält, dass sie entsprechende Produkte auf ihrem Kanal namentlich erwähnt oder vorstellt. In der Regel kennzeichnet sie diese auch ordnungsgemäß als “bezahlte Partnerschaft”. Jetzt muss sie sich aber dennoch vor dem LG I München wegen verbotener Werbung verantworten. Geklagt hatte der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW), der sie zunächst abgemahnt und letztlich eine einstweilige Verfügung gegen Hummels erwirkt hatte. Gegenstand der Klage waren 15 Posts, bei denen die für Werbung notwendige Kennzeichnung fehlte. Zusätzlich hatte sie Links zu den jeweiligen Biographien der Hersteller gesetzt. Nach eigener Aussage habe sie für diese Produkte aber überwiegend keine Gegenleistung erhalten. Der VSW will dieses Argument nicht gelten lassen: Auch wenn Influencer keine Gegenleistung erhalten, so sei die Anpreisung und Verlinkung kommerzieller Produkte ohne entsprechende Kennzeichnung wettbewerbsrechtlich unzulässig und somit verbotene Werbung. Bereits das Landgericht (LG) Berlin und das LG Osnabrück folgten dieser Ansicht in den Fällen der Instagrammer Vreni Frost und Aenna Xoxo.
“Überflüssig wie ein Kropf”
Hummels wollte die sich gegen Influencer streng andeutende Rechtsprechung aber nicht hinnehmen und legte gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch ein (Az. 4 HK O 4985/18). Ihre Anwälte teilten der Presse ihre Bereitschaft mit, den Prozess im Sinne der Meinungsfreiheit wenn nötig auch bis zum BGH führen zu wollen. Vielleicht müssen sie das aber gar nicht: Denn in der mündlichen Verhandlung gab es eine überraschende Wendung in der Diskussion um die Kennzeichnungspflichten. Die Vorsitzende Richterin teilte mit, dass sie das Influencer-Wesen zwar für “überflüssig wie einen Kropf” halte. Dies heiße aber nicht, dass das auch gesetzlich verboten wäre. Wenn Hummels von den erwähnten Firmen keine Gegenleistung für die Produktnennung erhalten habe, dann sei die Erwähnung dieser Produkte durchaus zulässig. Dem VSW nahm die Richterin damit die Luft aus den Segeln - sodass schnell klar wurde, dass die Klage keine besonderen Erfolgsaussichten hat.
Lediglich für einen der 15 beklagten Posts, bei dem es um einen Kinderwagen für ihren Sohn ging und welchen Hummels für die Weiterempfehlung auch behalten durfte, wurde der Vorwurf eingeräumt und die Abmahnung akzeptiert. In diesem Fall hatte die Vorsitzende aber betont, dass bereits ein Verstoß ausreiche, um anzunehmen, dass Wiederholungsgefahr bestehe. Die Anwälte nahmen den Widerspruch in der Verhandlung zurück, sodass die einstweilige Verfügung weiterhin bestehen bleibt - der Fall musste deshalb auch nicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entschieden werden. Die Frage nach der Kennzeichnungspflicht wird im Hauptsacheverfahren aber mit Sicherheit wieder aufkommen. Hummels hatte dabei nochmals betont, dass sie für ihr Recht auf freie Meinungsäußerung kämpfen werde.
Wonach richten sich Pflichten zur Kenntlichmachung?
Doch an welchem Punkt endet der private Post und wo fängt Werbung an? Worauf muss bei nicht gekennzeichneten Productplacement auf privaten Accounts geachtet werden?
Die Kennzeichnungspflichten können sich aus § 6 Telemediengesetz (TMG), § 58 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) sowie Nr. 11 d. Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG, § 5a Abs. 6 UWG ergeben. Kompliziert wird die Beurteilung dadurch, dass für die Durchsetzung der jeweiligen Normen unterschiedliche Institutionen zuständig sind. Verstößt jemand gegen das UWG, können Mitbewerber, Wettbewerbsverbände oder Verbraucherschutzvereine gegen diesen vorgehen. Die Haftung beschränkt sich dann nicht nur auf den „falsch“ oder ohne Kennzeichnung Werbenden, sondern erstreckt sich ebenfalls auf die Unternehmen, die Influencer zur Werbung beauftragt haben. Wird gegen den Rundfunkstaatsvertrag verstoßen, ist in der Regel eine Aufsichtsbehörde, also die Landesmedienanstalt oder eine staatliche Behörde zuständig.
Eigenkäufe vs. Schleichwerbung
Strittig und nicht eindeutig einzuordnen sind die Fälle, in denen Influencer Produkte präsentieren, die sie für sich selbst kaufen und dann in den Socialmedia-Kanälen vorstellen. Dabei wird aktuell überwiegend vertreten, dass solche sogenannten Eigenkäufe von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen seien. Schwieriger wird jedoch die Einordnung bei Schleichwerbung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 8 RStV. Diese soll dann vorliegen, wenn in einem klar erkennbar werbenden Beitrag ein Produkt vorgestellt wird, das aufgrund übermäßiger positiver Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information überschreitet. Auch der EuGH musste sich bereits mit dieser Frage beschäftigen (Urteil v. 09.06.2011 Az. C-52/10) und entschied, dass für die Annahme verbotener Schleichwerbung Entgelt oder eine andere Gegenleistung keine Voraussetzung sei. Dabei ist die Einschätzung daran zu messen, zu welchem Grad der Post einen werblichen Charakter aufweise und je höher dieser sei, desto eher werde eine werbliche Absicht angenommen. Ebenso sieht § 5 a Abs. 6 UWG Schleichwerbung beim Eigenkauf als unlautere Handlung, wenn der kommerzielle Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich gemacht wird, sofern er sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt und die Nichtkenntlichmachung geeignet ist, den Verbraucher zur geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.
Das Urteil des LG München wird mit Spannung zu erwarten sein. Nach bisheriger Entwicklung dürfte dies auch die Instagrammerin Vreni Frost dazu animieren, sich gegen das Urteil aus Berlin zu stellen (Az. 52 O 101/18) - auch sie hat bereits angekündigt, in die nächste Instanz vor das Kammergericht Berlin zu ziehen.
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