Gesetzesänderung: Neues Reiserecht

Sommerzeit ist Reisezeit

Acht Jahre lang hat die EU an der Pauschalreiserichtlinie (EU) 2015/2302 gearbeitet, bis sie dann am 11.12.2015 im Amtsblatt der EU verkündet wurde. Die Richtlinie über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen verfolgt die Stärkung des Verbraucherschutzes und sie soll Regelungslücken bei verbundenen Reiseleistungen und Internetbuchungen schließen. Der Deutsche Bundestag hat die Umsetzung der Richtlinie am 01.06.2017 beschlossen - das neue Recht soll dann für sämtliche Buchungen anwendbar sein, die ab dem 01.07.2018 im Reisebüro getätigt werden.

     

Worum geht es?

Vor etwa einem Monat wurde es auf dem Hamburger Flughafen plötzlich dunkel: Verirrte Koffer, dunkle Schalter, überall wurde improvisiert und schlussendlich der komplette Flugbetrieb eingestellt. Aufgrund eines Defekts an der Isolierung eines 400-Volt-Kabels kam es plötzlich zum Kurzschluss, der weite Teile der Stromversorgung lahmlegte, sodass erst die Schalter und schließlich die gesamten Terminals geschlossen werden mussten. In der Zeit zwischen Sonntagvormittag und Montagmorgen strandeten etliche Passagiere in Hamburg. Insgesamt waren 30.000 Urlaubs- und Geschäftsreisende betroffen. Der hierdurch entstandene Schaden wird auf etwa eine halbe Million Euro beziffert - wobei die Schäden bei Airlines und Passagieren noch nicht eingerechnet sind.

Nun stellt sich die Frage, ob den betroffenen Reisenden eine Entschädigung zusteht - zwischen Reisenden und Flughafen besteht kein direkter Vertrag. Und die Airlines haften nach EU-Recht jedenfalls dann nicht, wenn Flüge wegen „außergewöhnlicher Umstände“ gestrichen werden müssen. Dies sind z.B. außergewöhnlich schlechtes Wetter, Streiks, Sicherheitsrisiken oder politische Instabilität. Ob dieser Stromausfall einen solchen außergewöhnlichen Umstand darstellt, der die Fluggesellschaften von der Haftung befreit, muss gerichtlich entschieden werden.
Mit den Neuregelungen zum 01. Juli 2018 wird im neuen Reiserecht zumindest die Beistandspflicht des Reiseveranstalters erweitert: Können Reisende wegen Unwettern oder bspw. bei Schließung des Luftraums nach einem Vulkanausbruch ihre Heimreise nicht planmäßig antreten, muss der Veranstalter nach § 651 k IV BGB n.F. nicht nur den späteren Rücktransport sicherstellen, sondern die Reisenden für mindestens drei Nächte in einer möglichst gleichwertigen Unterkunft auf seine Kosten beherbergen. Auch wenn diese erweiterte Beistandspflicht den in Hamburg gestrandeten Urlaubern von vor einem Monat nicht ganz helfen können wird, liegt es in diesem Zusammenhang dennoch nahe, die Reisevertragsrechtsänderungen der §§ 651 a ff. BGB einmal genauer zu beleuchten.  

Pauschalreise und „verbundene Reiseleistungen“
Mit der Gesetzesänderung wird der Begriff der Pauschalreise um den der „verbundenen Reiseleistungen“ erweitert. Bucht der Reisende einzelne Bestandteile der Reise wie Flug, Hotel, Transfer und Mietwagen, werden diese künftig vom neuen Reisevertragsrecht mit erfasst. In § 651 a II BGB n.F. wird die Pauschalreise künftig als Gesamtheit von mindestens zwei im Voraus festgelegten verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise, die zu einem Gesamtpreis verkauft oder angeboten wird, legaldefiniert. Verbundene Reiseleistungen sind daher keine Pauschalreisen, ihnen wird vielmehr als neu eingeführte Kategorie ebenfalls ein Basisschutz eingeräumt. Für die Praxis heißt das in der Konsequenz, dass hierbei zwar ein einheitlicher Bezahlvorgang vorliegen kann, jedoch getrennte Rechnungen geschrieben werden müssen.  

Haftungsverschärfung – erweiterte Informationspflichten
Wenn also die Buchungen kurz nacheinander stattfinden, d.h. innerhalb von 24 h oder bei einem Reisebürobesuch, treffen den Veranstalter - und ab diesem Juli auch den Reisevermittler - erweiterte vorvertragliche Informationspflichten und ggf. eine Insolvenzsicherung, weil dann verbundene Reiseleistungen gegeben sind. Bezüglich der Mängelgewährleistung muss sich der Reisende dann jedoch an den jeweiligen Leistenden wenden (z.B. Autovermietung, Hotel).Die erweiterten Informationspflichten gem. § 651 d BGB n.F. i.V.m. Art. 250 S. 1-3 EGBGB n.F. sollen für mehr Transparenz auf Verbraucherseite sorgen. Aus den dabei zu verwendenden europaweit einheitlichen Formularen muss hervorgehen, ob es sich um eine Pauschalreise oder um verbundene Reiseleistungen handelt. Damit werden Online-Portale den Reisebüros als Vermittler gleichgestellt. Verletzen die Reisevermittler diese Informationspflichten, haften sie wie die Reiseveranstalter.
 
Gewährleistungsrechte - erweiterte Beistandspflichten

Insgesamt sollen die Haftungs- und Gewährleistungsrechte weitgehend bestehen bleiben, vgl. §§ 651 c ff., 651 i ff. BGB n.F. Sie werden – angelehnt an das deutsche Kauf- und Werkvertragsrecht – übersichtlicher und mit höherem Schutzniveau geregelt. Zum Beispiel werden die Entlastungsgründe des Reiseveranstalters abschließend aufgezählt und Möglichkeiten der wirksamen Haftungsbeschränkung zugunsten der Veranstalter reduziert. Dem Verbraucher stehen dann auch die üblichen Rechte zu: Insolvenzschutz, nachträgliche Preisminderung wegen Mängeln der Reise und Rückhol-Garantie nach Deutschland im Krisenfall, Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreuden. Ein besserer Insolvenzschutz ist jedoch nur relevant, wenn eine Anzahlung stattgefunden hat und eine Pleite des Online-Portals oder Reisebüros droht. 

Die Haftung der Reiseveranstalter wird aber dadurch verschärft, dass die Ausschlussfrist des § 651 g I BGB für die Geltendmachung von Mängelansprüchen des Reisenden von einem Monat nach dem vertraglich vorgesehenen Reiseende entfällt und Reisende künftig zwei Jahre lang Mängelansprüche gegen den Reiseveranstalter geltend machen können. Darüber hinaus entfällt die nach § 651 m BGB bisher vorgesehene Möglichkeit, die Verjährungsfrist für Mängelansprüche des Reisenden in den AGB auf ein Jahr zu verkürzen. Auch die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung des Reiseveranstalters für Pflichtverletzungen, die er regelmäßig in den AGB vornimmt, wird eingeschränkt: Seit der Neuregelung wird die Vereinbarung einer Haftungsbegrenzung des Reiseveranstalters für Schäden auf den dreifachen Reisepreis nur dann möglich sein, wenn es sich dabei nicht um Körperschäden handelt oder der Schaden dem Reisenden nicht schuldhaft herbeigeführt worden ist. Da das Verschulden des Leistungsträgers - etwa des Hotels - dem Reiseveranstalter in der Regel gem. § 278 BGB zugerechnet wird, führt diese neue Regelung zu einer deutlichen Haftungsverschärfung für den Reiseveranstalter. 

Für Situationen, in denen wegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände eine Zurückbeförderung nicht stattfindet, muss der Veranstalter künftig neben zusätzlich entstehenden Rückbeförderungskosten auch die weitere Unterkunft des Reisenden für drei Übernachtungen, ggf. sogar länger, tragen. Demzufolge wird die Beistandspflicht des Reiseveranstalters erweitert: Können Reisende wegen Unwettern oder z. B. der Schließung des Luftraums nach einem Vulkanausbruch ihre Heimreise nicht planmäßig antreten, muss der Veranstalter nach § 651 k IV BGB n.F. nicht nur den späteren Rücktransport sicherstellen, sondern die Reisenden für mindestens drei Nächte in einer möglichst gleichwertigen Unterkunft auf seine Kosten beherbergen.
 
Mängelanzeige

Es findet eine Erleichterung für Reisende bei der Geltendmachung von Mängeln statt, indem Mängel künftig nicht nur dem Reiseveranstalter oder einer von ihm benannten Stelle, sondern auch dem Reisevermittler gegenüber geltend gemacht werden können. Darüber hinaus erweitert sich die Frist zur Geltendmachung von Mängeln von einem Monat auf zwei Jahre, was jedoch in der Praxis kaum eine Änderung bedeutet, da es zugunsten der Beweislage am sinnvollsten ist, diese so früh wie möglich anzuzeigen und geltend zu machen.  
 
Preiserhöhungen/-Senkungen

Die Anbieter dürfen sich ein in § 651 a IV 2 BGB geregeltes Recht auf kurzfristige, d.h. mit einer Frist von 20 Tagen vor Abreise, Preiserhöhungen vorbehalten, wenn sich dies unmittelbar aus etwa gestiegenen Abgaben, Treibstoffkosten oder aus Wechselkursänderungen ergibt. Ein hierbei infrage kommendes Rücktrittsrecht des Reisenden wird erschwert und kann erst ab 8% Preiserhöhung geltend gemacht werden. Preiserhöhungen unter dieser Grenze werden als zumutbar eingestuft. Zuvor lag die zulässige Preissteigerung bei maximal 5%. Sind einerseits im Vertrag Erhöhungsklauseln zugunsten der Anbieter vorhanden, steht dem Kunden andererseits ein Recht zur Preisminderung zu, wenn diese Posten billiger werden. Dabei liegt die Beweislast jedoch bei den Urlaubern. Rücktrittsrechte des Reisenden ergeben sich aus § 651 i und h BGB n.F.