Selbstjustiz nach RTL-Beitrag

Kausalität zwischen TV-Beitrag und späterem Angriff?

Der Fernsehsender RTL gerät derzeit wegen eines Beitrages über Pädophilie in seinem Mittagsjournal “Punkt 12” zunehmend unter Druck: Mehrere Personen wollen in der Sendung einen angeblich pädophilen Mann in Bremen erkannt haben und schlugen den Unschuldigen lebensgefährlich zusammen. Die Staatsanwaltschaft leitet nun auch Vorermittlungen gegen RTL ein.
Worum geht es?
In der vergangenen Woche war in einem TV-Beitrag der RTL-Nachrichtensendung “Punkt 12” über einen angeblich pädophilen Mann aus Bremen berichtet worden. Die Sendung soll womöglich der Auslöser dafür gewesen sein, dass sich mehrere Männer im Stadtteil Lesum zusammenschlossen und einen unschuldigen 50-Jährigen in seiner Wohnung brutal verprügelten. Sie glaubten, ihn in dem Fernsehbeitrag erkannt zu haben. Das Opfer schwebte zeitweise in Lebensgefahr. Die Staatsanwaltschaft stellte am Donnerstag klar, dass der schwer verletzte Mann keinen pädophilen Bezug habe und es sich bei ihm auch nicht um die Person handele, die im Fernsehbericht zu sehen war. Es werde jetzt wegen eines versuchten Tötungsdelikts ermittelt und nach den Verdächtigen gesucht - ein erster Tatverdächtiger hat sich inzwischen gestellt. Doch auch für RTL könnte dieser Fall von Selbstjustiz rechtliche Folgen haben. 

Staatsanwaltschaft prüft “Gesamtgeschehen”
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nämlich nicht nur wegen des brutalen Übergriffs, vielmehr werde das “Gesamtgeschehen” geprüft, erklärt der Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft Frank Passade. Dazu gehöre für ihn auch die Frage, ob der TV-Beitrag für den späteren Angriff kausal gewesen sei und ob es einen strafrechtlichen Überhang in Richtung RTL gebe. Noch am selben Tag der Ausstrahlung wandte sich der bei RTL gezeigte Mann an die Polizei: Kriminalpolizeiliche Ermittlungen ergaben, dass er in keinerlei Zusammenhang mit dem in dem Fernsehbericht dargestellten Fall der Pädophilie stehe. Das von RTL zur Verfügung gestellte Fernsehmaterial werde nun strafrechtlich bewertet.RTL habe sich jedoch nichts vorzuwerfen und teilte mit, dass man den “brutalen Akt der Lynchjustiz in Bremen auf das Schärfste” verurteile. Der Fernsehbeitrag sei unter Mitarbeit einer erfahrenen Expertin für sexuellen Missbrauch von Kindern erarbeitet worden. RTL habe seine “journalistische Sorgfaltspflicht in jeder Hinsicht wahrgenommen”. In dem Beitrag sei zu keinem Zeitpunkt behauptet worden, dass der gezeigte Mann pädophil sei. Es seien auch keinerlei Hinweise auf die Adresse des “mutmaßlich Pädophilen” gegeben worden - nicht mal die Stadt Bremen sei als solche genannt worden. 

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