Strafbarer Hip Hop?

Strafbarer Hip Hop?

Wie weit darf Hip Hop gehen? Die diesjährige Echo-Verleihung löst intensive Debatte aus

Vor wenigen Tagen gewannen die beiden Rapper “Kollegah” und “Farid Bang” den Musikpreis “Echo” in der Kategorie “Hip-Hop/Urban National” und lösten damit eine brisante Debatte zur vermeintlichen Verrohung einer ganzen Generation aus. In ihren Texten provozieren sie und fördern so ihre Verkaufszahlen. Oftmals ist von Vergewaltigungen oder Gewaltorgien die Rede - menschenverachtende Zeilen folgen auf Erniedrigungen von Juden und Antisemitismus. Auch wenn ihre Zeilen nicht wirklich durch echte Ressentiments gegenüber Juden oder Syrern motiviert sein sollen, so war dies dennoch Grund genug dafür, dass “Campino” - Frontsänger der “Toten Hosen” - während der Preisverleihung in Berlin eine Rede gegen diese Form der Musikkunst hielt und Marius Müller-Westernhagen bekannt werden ließ, dass er sämtliche Echo-Preise der vergangenen Jahre zurückgeben werde. Neben der gesellschaftlichen Anklage stellt sich nun die Frage, ob die Rapper auch strafrechtlich belangt werden können oder ob es sich dabei lediglich um einen geschmacklosen Tabubruch handelt.

 
Worum geht es?

Gangster-Rap ist in Deutschland so erfolgreich wie nie zuvor - so sollen Tabubrüche zum Rap dazugehören wie Helene Fischer zum Schlager oder das Schlagzeug zum Rock. Doch wo gibt es Grenzen? Aufgrund der vulgären Sprache, homophober und sexistischer Textpassagen sowie der Thematisierung von Kriminalität, Sex und Drogen, haben Rapper zumindest häufig mit Indizierungsverfahren zum Schutze der Jugend zu tun. Bislang hat sich Gangster-Rap vordergründig darauf bezogen, sich Respekt in der Szene zu verschaffen und ein starkes Auftreten zu demonstrieren. Seit etwa 2013 geht der Trend allerdings verstärkt dahin, auch andere Künstler und Personen des öffentlichen Lebens in Songtexten namentlich anzugreifen. Und so landete der Track des Rappers “Shindy”  - “Stress ohne Grund” - 2013 erstmals vor einem Strafgericht - Beleidigung und Volksverhetzung wurde dem Künstler damals vorgeworfen, weil er zusammen mit “Bushido” Textpassagen vortrug wie etwa: “Kay Du Bastard bist jetzt vogelfrei - Du wirst in Berlin in deinen Arsch gefickt wie Wowereit” - der damals regierende Bürgermeister von Berlin stellte daraufhin Strafanzeige. Die Strafgerichte lehnten die Eröffnung des Hauptverfahrens zwar ab, da sie unter der Berücksichtigung der Kunstfreiheit zu dem Ergebnis kamen, dass weder ein volksverhetzender Angriff auf die Homosexuellen als Bevölkerungsgruppe noch eine Beleidigung des Bürgermeisters als Einzelperson in dem Songtext zu erkennen gewesen sei. Die Auflehnung gegen Gangsterrap erhielt damit aber zumindest eine öffentlichkeitswirksame Plattform.

 

Neue Ebene des Tabubruchs

Und nun ist die Debatte umstrittener als je zuvor, nachdem die beiden Rapper “Kollegah” und “Farid Bang” für ihr erfolgreiches Album “Jung, brutal, gutaussehend III” den Echo gewonnen haben. In ihren Texten haben sie die Provokationsschwelle auf eine neue Ebene getragen: Neben der altbekannten Stilmittel der überspitzten und vulgären Wortspiele, Verbalangriffe auf andere Rapper und sonstige Personen, gehen sie in diesem Album erstmals auf gesellschaftliche Schreckenszustände und Tabus ein. Zeilen wie “stoße von hinten wie ein Treppenschubser” oder “jeder Syrer ohne Aufenthalt möchte heute eine Frau wegknalln” polarisieren - scheinbar mit Erfolg. Zunehmend werden aber Stimmen laut, die für solche Texte eine strafrechtliche Verfolgung fordern.

Zwar kämen hier Äußerungsdelikte wie etwa Beleidigung oder Volksverhetzung durchaus in Betracht. Bei der Anwendung dieser Strafnormen sind die Richter aber dazu angehalten, die verfassungsrechtlich verankerte Kunstfreiheit zu beachten. Die jeweiligen Textpassagen müssten folglich dahingehend ausgelegt und dessen objektiver Aussageinhalt ermittelt werden. Problematisch ist dies deshalb, weil es bei Äußerungen künstlerischer Natur immer unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten gibt, sodass eine Strafbarkeit nur dann bejaht werden kann, wenn das Gericht andere Interpretationsmöglichkeiten ausschließen kann, die nicht strafrechtlich relevant sind.

 

Grenzen der Kunst- und Meinungsfreiheit

Die Kunstform des Gangsterraps ist seit jeher von derben Übertreibungen geprägt und dessen Aussagekern ist ähnlich wie bei Satire oder Karikaturen danach zu unterscheiden, was der Künstler inhaltlich aussagen wollte und wie er das Ganze stilistisch eingekleidet hat. Zu klären ist dabei die Frage, ob sich der Künstler in seiner Aussage einfach nur bestimmter Eigenschaften einer genannten Person bei der Nutzung seines Stilmittels bedient oder ob sich seine Aussage unmittelbar gegen den Dritten richtet - eine Beleidigung wäre dann nur im letzteren Fall anzunehmen. Die Grenzen der Kunst- aber auch der Meinungsfreiheit sind weit - Geschmacksfragen dürfen hier keine Beachtung finden.

Doch auch ohne die verfassungsrechtliche Beachtung der Kunstfreiheit stellen die weiteren Delikte wie Gewaltdarstellung (§ 131 StGB), Billigung von Straftaten (§ 142 StGB) oder Volksverhetzung (§ 130 StGB) bereits hohe Hürden auf, die sich damit begründen lassen, dass dort bereits der Äußerungsakt als solcher strafrechtlich sanktioniert wird: Es muss hier also keine dritte Person betroffen sein. Vielmehr genügt der reine Sprechakt. Daher wird beispielsweise bei der Volksverhetzung eine “Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens” oder ein “Angriff auf die Menschenwürde” vorausgesetzt. Eine Ausnahme gab es jedoch in einem Fall der Berliner Rapper “Blokkmonsta”, “Uzi” und “Schwartz” im Jahre 2008: Damals wurden sie wegen Gewaltdarstellung, Volksverhetzung und Beleidigung verurteilt, weil sie in einem ihrer Songs die geplante Folter und Ermordung der SPD-Politikerin Monika Griefahn detailliert schilderten.

In dem aktuellen Fall dürften die beiden Rapper strafrechtlich aber wenig zu befürchten haben. Und so prophezeite “Kollegah” in einem seiner Songs bereits 2015, dass “die Anklagen im Sande verlaufen, wie die Uhren von Salvador Dali”. Was bleibt, ist also das vermutlich bereits Erreichte: Mehr Aufmerksamkeit, mehr Plattenverkäufe. “Kollegah” hat übrigens selbst Jura an der Uni Mainz studiert und ist nach eigener Aussage scheinfrei - ihm fehle “nur” noch das 1. Staatsexamen.

BlogPlus

Du möchtest weiterlesen?

Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.

Paket auswählen