Schutz für Geschäftsgeheimnisse - nicht für Whistleblower

Schutz für Geschäftsgeheimnisse - nicht für Whistleblower

Das Justizministerium setzt die EU-Geschäftsgeheimnis-Richtlinie in deutsches Recht um und schlägt dabei einen schärferen Weg ein

Mit einem neuen Gesetz will das Justizministerium eine EU-Richtlinie zu Geschäftsgeheimnissen umsetzen. Der Gesetzentwurf ist aber problematisch, da er Whistleblowern nur unzureichenden Schutz bietet - sogar weniger, als es das europäische Recht verlangt. Ist die Informationsfreiheit damit in Gefahr?

 
Worum geht es?
Vor etwa zwei Jahren hatte das Europäische Parlament eine Richtlinie zu Geschäftsgeheimnissen verabschiedet - das deutsche Justizministerium kümmert sich aktuell darum, die darin enthaltenen Vorgaben in deutsches Recht umzusetzen. In dem Referentenentwurf der Bundesregierung heißt es hierzu, dass die Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (ABl. L 157 vom 15.6.2016, S. 1) die Mitgliedstaaten zum zivilrechtlichen Schutz von Geschäftsgeheimnissen verpflichte. Dem liege die Wertung zugrunde, dass der Zugang zu Geschäftsgeheimnissen und deren Verwertung einen erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellen können. Aufgrund ihrer besonderen Art unterfielen Geschäftsgeheimnisse nicht immer dem besonderen Schutz von Spezialgesetzen wie zum Beispiel dem Patentgesetz oder dem Urheberrechtsgesetz. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen werde im deutschen Recht bislang lediglich über die Strafvorschriften der §§ 17 bis 19 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie über die §§ 823 und 826 BGB - gegebenenfalls in Verbindung mit § 1004 BGB analog - gewährleistet. Dies sei für eine Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie (EU) 2016/943 nicht ausreichend, sodass eine spezifische Umsetzung im Zivilrecht erforderlich sei.
 
Justizministerium schlägt eigenen Weg ein
Die EU-Geschäftsgeheimnisrichtlinie war bereits beim Beschluss 2016 im Europaparlament sehr umstritten, weil sie den Schutz von Geschäftsgeheimnissen exzessiv ausweiten würde. Einigen Abgeordneten war es damals aber gelungen, immerhin einen stärkeren Schutz von Whistleblowern durchzusetzen: Aufgrund der damaligen straf- und zivilrechtlichen Verfolgung von Whistleblowern wie Antoine Deltour (LuxLekas) und der bisweilen spärlichen Aufdeckung schwerer Wirtschaftskriminalität durch die Behörden, war das die logische Konsequenz.
Manch ein Abgeordneter des Europaparlaments, der sich 2016 noch um einen besseren Schutz von Whistleblowern mühte, wird sich derweilen aber in einem Déjà-vu-Erlebnis wiederfinden: Denn das deutsche Justizministerium schlägt bei der Umsetzung der EU-Richtlinie einen etwas anderen, eigenen Weg ein - aus dem aktuellen Gesetzentwurf gehen kaum Regelungen zum Schutz von Whistleblowern hervor. So soll das neue Gesetz beispielsweise ermöglichen, Produkte zu verbreiten, die auf illegal erworbenen Informationen beruhen und Schadensersatzforderungen bei Diebstahl von Informationen einfacher durchsetzen lassen. Normalerweise wären Whistleblower nach der EU-Richtlinie davon nicht betroffen, da sie nicht strafrechtlich verfolgt werden, wenn die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen ein „regelwidriges Verhalten, ein Fehlverhalten oder eine illegale Tätigkeit von unmittelbarer Relevanz” aufdeckt - wie etwa beim Abgasbetrug von Volkswagen oder den Datenschutzskandalen der jüngeren US-Geschichte.
 
Größerer Druck für Whistleblower
In Deutschland soll es aber offenbar ein wenig anders laufen: So soll ein Whistleblower lediglich dann vor Strafverfolgung geschützt werden, wenn er oder sie „in der Absicht handelt, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen”. Danach würde es aber keine Rolle mehr spielen, ob an der Veröffentlichung der Information selbst ein öffentliches Interesse besteht. Sven Giegold, Sprecher der Grünen Europagruppe im Europaparlament, kritisiert die deutsche Lösung zur Umsetzung der EU-Richtlinie: „Viele Hinweisgeber handeln nicht nur aus rein selbstlosen Motiven. Maßstab für den Schutz von Whistleblowern sollte das Ergebnis, nicht das Motiv ihres Handelns sein. Eine Gesinnungsprüfung war ausdrücklich nicht Absicht des europäischen Gesetzgebers”.
Whistleblower wären danach tatsächlich einem größeren Druck ausgesetzt, ihre Motivation für das Veröffentlichen vertraulicher und politisch brisanter Informationen preiszugeben. Darüber hinaus will das Justizministerium Whistleblower lediglich bei der Aufdeckung von „rechtswidrigen Handlungen” und nicht auch bei Offenlegung regelwidrigen Verhaltens  schützen - macht ein Whistleblower künftig auf ein vermeintlich illegales Verhalten aufmerksam, das sich aber schließlich nicht als illegal herausstellt, dann wäre er nach dem aktuellen Gesetzentwurf nicht schützenswert - damit verkürzt das Justizministerium den in der EU-Richtlinie vorgesehenen Schutz.
 
Einschränkung der Informationsfreiheit
Diese Einschränkung erstreckt sich dann in ihrer Konsequenz auch auf Journalisten und interessierte Bürger, da der Entwurf dazu führen könnte, dass der Staat noch weniger Auskunft geben müsste. Behörden müssen zwar Informationen zu Kooperationen und Aufträgen an Unternehmen auf Anfrage herausgeben, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dürfen aber geheim gehalten werden. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind Geschäftsgeheimnisse bisher als auf ein Unternehmen bezogene Informationen anzusehen, die nur „einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind” und „an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat” (Beschl. v. 14. März 2006, Az. 1 BvR 2087/03). Die Geheimhaltung könnte also mit dem neuen Gesetz noch stärker praktiziert werden, da Unternehmen größere Freiheiten gegeben würden, Informationen als Geschäftsgeheimnisse einzustufen. Zusätzlich würde dies durch eine neu eingeführte Definition ermöglicht, wonach kein „berechtigtes Interesse” an der Geheimhaltung mehr begründet werden müsse. Vielmehr lässt es der Gesetzentwurf dabei genügen, dass Geschäftsgeheimnisse künftig nur solche Informationen sein sollen, die wenigen Menschen bekannt „und daher von wirtschaftlichem Wert” seien. Dürften aber nicht die meisten Informationen eines Unternehmens von wirtschaftlichem Wert sein?
 
Bereits vor zwei Jahren hat die EU-Richtlinie starke Kritik und große Proteste hinnehmen müssen. Es ist daher damit zu rechnen, dass die deutsche - sogar verschärfte - Version zur Umsetzung ebenfalls auf Kritik und kontroverse Debatten stoßen wird. Giegold bezeichnet den Gesetzentwurf bereits jetzt als Schlag ins Gesicht derer, die im öffentlichen Interesse handeln und als Einschränkung der Informationsfreiheit.