Helmut Kohls Vermächtnis: Neuer Rechtsstreit um Rekordsumme

Helmut Kohls Vermächtnis: Neuer Rechtsstreit um Rekordsumme

Streit um Millionen-Entschädigung: Maike Kohl-Richter im Kampf um das Lebenswerk ihres verstorbenen Mannes

Kurz vor seinem Tod erstritt Helmut Kohl die höchste Entschädigung der deutschen Rechtsgeschichte - eine Million Euro. Jetzt muss ein Gericht klären, ob seine Witwe, Maike Kohl-Richter, das Geld erhält oder der Anspruch verfällt.

   

Worum geht es?

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln verhandelt derzeit über die Berufungen im Schmerzensgeldverfahren Helmut Kohls gegen seinen früheren Ghostwriter Heribert Schwan, dessen Co-Autor Tilman Jens und den Verlag Random House: Kohls Anwälte forderten 5 Millionen Euro für die Veröffentlichung des Buches „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle”, in welchem sich mehr als 100 unautorisierte und zum Teil prekäre Zitate Kohls über alte Parteifreunde und ausländische Staatsmänner finden lassen. Nach Ansicht der Anwälte Kohls, die heute die Witwe des im Juni letzten Jahres verstorbenen Altbundeskanzlers vor dem OLG vertreten, sei diese Summe auch deshalb angemessen gewesen, weil es sich bei der Veröffentlichung um einen „historisch einzigartigen, unverfrorenen, rücksichtslosen Verrat” gehandelt habe. Eine “Superpersönlichkeitsverletzung” also, die schließlich eine “Superklage” erforderlich mache.

Rekordsumme für Verletzung des Persönlichkeitsrechts

Der Altbundeskanzler konnte letztlich nach einer Reihe von Klagen vor dem Landgericht (LG) Köln zwar keine Rekordsumme von fünf Millionen Euro erstreiten, konnte aber kurz vor seinem Tod dennoch einen historischen Sieg verbuchen: Ein (Rekord-) Schmerzensgeld in Höhe von einer Million Euro. Die Klage des Altkanzlers stellte damit die bisher höchste Summe dar, die nach deutschem Recht für Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch unzulässige Veröffentlichungen zugesprochen wurde und errechnete sich unter anderem daraus, dass das Buch über 200.000 mal verkauft wurde. Das Gericht entschied: Vertrauliches muss vertraulich bleiben, wenn Vertraulichkeit zugesichert war. Die Veröffentlichung stelle sonst den Bruch einer Abrede dar und könne allenfalls bei überragendem öffentlichen Interesse gerechtfertigt sein. Ein überragendes öffentliches Interesse sah das Gericht in den vertraulichen Äußerungen Kohls über andere bekannte Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aber nicht. Vielmehr habe der Autor mit dem Buch seine Verschwiegenheitspflicht und seine Pflicht zur Geheimhaltung verletzt.  

Kann Schmerzensgeld vererbt werden?

Das Urteil war jedoch noch nicht rechtskräftig und beide Seiten legten Berufung ein: Der Altkanzler, weil er auf Zahlung der fünf Millionen Euro bestand. Schwan, Jens und der Verlag deshalb, weil sie nach einem Weg aus der Zahlungspflicht suchten. Das OLG Köln muss nun prüfen, ob der Entschädigungsanspruch mit dem Tod von Helmut Kohl erloschen ist oder aber auf seine Witwe Maike Kohl-Richter übergeht.
Problematisch ist in diesem Fall, dass bereits im April 2014 der BGH in einem Grundsatzurteil entschied, dass Schmerzensgeldansprüche aufgrund ihrer Natur und ihres Zwecks nicht vererbt werden. Zudem hat der BGH in einem weiteren Urteil aus dem Mai 2017 entschieden, dass Erben nur dann Anspruch auf Schmerzensgeld haben können, wenn ein Urteil rechtskräftig ist. Dies gelte auch dann, wenn der Anspruch noch zu Lebzeiten des Geschädigten anhängig oder rechtshängig geworden ist.
 
Denkbar schlechte Voraussetzungen also für Kohls Witwe. Doch während es in diesem Verfahren um immaterielle Nachteile geht, könnte eine weitere von Kohl-Richter im Dezember eingereichte Klage vor dem LG Köln auf Gewinnauskehrung bessere Erfolgsaussichten haben: Hier verlangt sie nicht nur den Ausgleich für materielle Vermögenseinbußen, die ihrem verstorbenen Ehemann aufgrund der Buchveröffentlichung entstanden sind, sondern sie klagt auch gegen die Zeitschrift „Spiegel”, da sie in mehreren Beiträgen ausführlich von den nicht autorisierten Zitaten des Altkanzlers Gebrauch gemacht habe. Der Streitwert soll hier bei 300.000 Euro liegen. Mit dem Tod Helmut Kohls seien die nun geltend gemachten Ansprüche zweifelsfrei auf die Klägerin als seine alleinige Erbin übergegangen, so die Anwälte - sie stützen ihre Argumentation dabei auf ein Grundsatzurteil des BGH aus dem Jahre 1999. 

Die Richterin appellierte nun in der mündlichen Verhandlung an die Parteien, sich in einem Vergleich zu einigen und schlug dafür vor, dass Maike Kohl-Richter auf alle weiteren Klagen verzichten solle, wenn sich Verlag und Autoren im Gegenzug dazu bereiterklären, das Buch nicht noch einmal zu veröffentlichen. Außerdem solle eine Kopie der Tonbandaufnahmen, die Schwan als Ghostwriter angefertigt habe, dem Bundesarchiv in Koblenz oder der Konrad-Adenauer-Stiftung zugänglich gemacht werden.  

Causa Kohl mit verschiedenen Facetten

Der Streit um die „Kohl-Protokolle” bietet Prüfern viele Gestaltungsmöglichkeiten für mögliche Prüfungsaufgaben. So hatte der Altkanzler bereits in einem früheren Verfahren 2015 die Herausgabe der Tonbänder erstritten, auf denen die veröffentlichten Gespräche aufgezeichnet waren. Der BGH musste hier die Frage beantworten, ob das Speichern von Daten auf einem Datenträger - und insbesondere das Bespielen eines Tonbandes - als Herstellung einer neuen Sache anzusehen ist und somit als Verarbeitungsvorgang im Sinne des § 950 BGB zu qualifizieren sei. Es kommt nicht allzu häufig vor, dass der BGH eine Entscheidung zu § 950 BGB trifft, die zudem in die amtliche Sammlung BGHZ aufgenommen werden sollte. Der Fall berührt zudem auch interessante Fragen der Rechtsgeschäftslehre (Rechtsbindungswille) und des Schuldrechts (insbesondere die Frage nach der Anwendbarkeit des § 667 BGB). Auch aus verfahrensrechtlicher Sicht bietet die Entscheidung Prüfungsmöglichkeiten, da sich der BGH lehrreich zur hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags nach § 253 II Nr. 2 ZPO geäußert hat. Schließlich handelt es sich um einen sehr öffentlichkeitswirksamen Fall eines Altkanzlers und dessen „politisches Vermächtnis”.
 
Wie Du siehst, kann es sehr nützlich sein das politische Geschehen zu verfolgen, zumal sich aus vielen aktuellen Nachrichten interessante Klausuren konzipieren lassen. Wir haben die damalige Entscheidung zur Herausgabe der Tonbänder aus aktuellem Anlass für Dich prüfungsrelevant aufbereitet.

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