Richtlinienvorschlag für ein EU-einheitliches Verbrauchervertragsrecht

Richtlinienvorschlag für ein EU-einheitliches Verbrauchervertragsrecht

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert den Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Vereinheitlichung des Verbrauchervertragsrechts

Im Oktober letzten Jahres hat die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Vereinheitlichung des Verbrauchervertragsrechts vorgelegt. Bezweckt wird damit die Harmonisierung der Regelungen zum Online- und Offlinehandel, indem insbesondere eine einheitliche Gewährleistungs- und Verjährungsfrist von zwei Jahren mit Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers eingeführt werden soll.  Eine gute Idee - meint auch der Deutsche Anwaltverein (DAV), hält die genannten Richtlinien aber für materiell unausgewogen und sprachlich zu ungenau gefasst.

Worum geht es?

Beim Online-Handel innerhalb der EU kann es sich als problematisch erweisen, wenn Käufer und Händler in unterschiedlichen Ländern beheimatet sind und somit ihre Rechte und Pflichten unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen. Zwar existiert bereits ein Gewährleistungsrecht innerhalb der EU, es fehlt aber an einer einheitlichen Regelung. Daher hat die EU-Kommission eine Vereinheitlichung des Verbrauchervertragsrechts herausgearbeitet und im Oktober 2017 einen geänderten Vorschlag zum Warenhandel für eine Richtlinie “über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels” vorgelegt.

DAV kritisiert handwerkliche Mängel

Der DAV begrüßt im Grundsatz die Zusammenfassung der für Verbauchsgüterkäufe geltenden Regeln in einem einheitlichen Rechtsakt auf Basis einer gezielten Vollharmonisierung. Gleichzeitig kritisiert er jedoch in seiner 26-seitigen Stellungnahme zahlreiche redaktionelle und handwerkliche Mängel. Gerade wegen des von dem Entwurf verfolgten Ziels der Vollharmonisierung und dem damit einhergehenden Verlust an Umsetzungsspielraum auf mitgliedstaatlicher Ebene bedürfe es der Korrektur dieser Mängel, da der Entwurf schon allein aufgrund dessen nicht verabschiedungsreif sei: Bereits zu einem früheren Entwurf der Richtlinie habe der DAV Stellung genommen (Stellungnahme Nr. 13/2016 deutsch und englisch) und auf zahlreiche, zum Teil grobe redaktionelle Mängel und Abweichungen zwischen der deutschen und englischen Fassung der Richtlinie hingewiesen. Bezüglich dieser gerügten Mängel sei an den Entwürfen nichts geändert worden. Dies zeige eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber der „handwerklichen“, d.h. legislatorischen oder rechtstechnischen Qualität europäischer Rechtsakte, die die Gefahr in sich birge, Europaverdrossenheit bei den Bürgern hervorzurufen oder zu befördern.

Unklarheiten bei verschiedenen Sprachfassungen

Die Richtlinie folge dem Prinzip der Vollharmonisierung. Aus diesem Grund haben die Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit, Mängel der gekennzeichneten Art im Rahmen der (möglicherweise überschießenden) Umsetzungsgesetzgebung auszubügeln. Die bestehenden Unklarheiten, wie sie nicht zuletzt aus Diskrepanzen zwischen verschiedenen sprachlichen Fassungen resultieren, würden deshalb von den Mitgliedstaaten nicht behebbare Unklarheiten zur Folge haben. Diese würden auch solange bestehen blieben, bis der EuGH Gelegenheit erhält, punktuell Klarheit zu schaffen. Der DAV hält dies für inakzeptabel. Ein auf Vollharmonisierung gerichteter Rechtsakt muss sich mindestens um optimale Klarheit, Konsistenz und Einheitlichkeit der verschiedenen Sprachfassungen bemühen.

Unausgewogener Verbraucherschutz

Ziel des Entwurfs sei darüber hinaus die Harmonisierung „unter Wahrung eines hohen Verbraucherschutzniveaus“. Der DAV ist aber der Ansicht, dass der Kerngehalt der Neuregelung - und zwar die Dauer der Mängelhaftung - keinen ausgewogenen Verbraucherschutz schaffen könne: Bislang wird bei Mängeln, die innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung bzw. Gefahrübergang bekannt werden, vermutet, dass diese bereits bestanden haben. Für diese Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers sieht der Entwurf der EU-Kommission nun eine zeitliche Ausweitung auf die gesamte Zeit der zweijährigen Gewährleistung vor. Zudem soll den Verbraucher dabei keine Pflicht zum Nutzungs- oder Wertersatz treffen und die noch in einigen Mitgliedstaaten existierende Rügepflicht würde abgeschafft werden. Zusätzlich solle in Zukunft ein Recht auf Ersatzlieferung und Rückabwicklung des Vertrages auch in den Fällen bestehen, in denen eine nur geringfügige Vertragswidrigkeit vorliege.

Insbesondere durch die Verlängerung der Frist für die Beweislastumkehr und den Ausschluss einer Rügeobliegenheit für den Käufer würde der aktuelle Vorschlag aber weit über den bisherigen Rechtszustand hinausgehen. So bedeuten diese Rechte des Käufers nach Ansicht des DAV in Kombination einen unberechtigten Vorteil und sogar eine zumindest in Kauf genommene ungerechtfertigte „Bereicherung“ des kaufenden Verbrauchers.

Förderung der Wegwerfmentalität

Gerade die Verbindung der letzten beiden Elemente (keine Rügepflicht und keine Verpflichtung zum Ersatz von Wertminderung oder zur Nutzungsvergütung) bewirken aufgrund der ohnehin schon sehr weitgehenden EuGH-Rechtsprechung zur Beweislastumkehr bei einer Frist von zwei Jahren (vgl. EuGH, Urt. v. 04.06.2015, Az. C-497/13) geradezu einen Anreiz für den Verbraucher, eine bei Gefahrübergang tatsächlich noch nicht oder nur geringfügig fehlerhafte Ware bis kurz vor Ablauf der Zweijahresfrist zu nutzen, um sie dann unter Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit entweder im Rahmen eines Anspruchs auf Ersatzlieferung oder im Rahmen der Vertragsbeendigung unter voller Erstattung des Kaufpreises zurückzugeben. Ein solcher Anreiz besteht insbesondere dann, wenn die Ware auch bei Vertragskonformität nur eine relativ kurze Lebenszeit hat. In solchen Fällen könnte zwar der Einwand der Verwirkung wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben greifen. Ein solcher wäre im Hinblick auf die beabsichtigte Vollharmonisierung aber nicht sicher.

Fazit

Die Stellungnahme des DAV greift noch weitere Punkte kritisch auf: So werde durch die Vollharmonisierung verhindert, dass die Mitgliedstaaten für bestimmte Waren kürzere oder längere Gewährleistungsfristen vorsehen könnten, sodass auch Verkäufer von Gebrauchtwaren danach künftig eine zwei Jahre lange Mängelfreiheit garantieren müssten. Zudem bestünde auf der anderen Seite für besonders langlebige Waren auch das Bedürfnis nach einer längeren Gewährleistung als zwei Jahre - etwa für Baustoffe (in Deutschland gilt hier eine fünfjährige Verjährungsfrist und es wird sogar derzeit darüber diskutiert, diese auf zehn Jahre auszuweiten). Die Richtlinie zur Vereinheitlichung des Verbrauchervertragsrechts bedarf nach Ansicht des DAV also noch einer intensiven Überarbeitung: Gefordert werde ein durch die Beschränkung auf Grundregeln qualitativ höherwertigerer Entwurf. So solle im Sinne der Kohärenz und Vereinfachung des europäischen (Daten-) Vertragsrechts (insbesondere im digitalen Binnenmarkt) die Harmonisierung auch angrenzende Rechtsgebiete und das Kollisionsrecht berücksichtigen.