Richter entscheiden über die Anwesenheitspflicht an der Uni Mannheim
An der Uni Mannheim gilt bislang in manchen Studienfächern eine einhundertprozentige Anwesenheitspflicht. Die der Pflicht zugrundeliegende Prüfungsordnung der Uni ist jedoch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Mannheim nicht präzise genug formuliert.
Worum geht es?
Ein Mannheimer Bachelor-Student der Politikwissenschaften war nach seiner Prüfungsordnung einer einhundertprozentigen Anwesenheitspflicht ausgesetzt und sah darin eine Verletzung seines Grundrechts auf Berufs- und Wissenschaftsfreiheit. Mit Unterstützung des Studierendenrates (Asta) klagte er gegen die Uni und bekam Recht:
Mit Urteil vom 21. November 2017 hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in einem Normenkontrollverfahren eine Bestimmung in der Prüfungsordnung für den Studiengang Bachelor of Arts (B.A.) Politikwissenschaft an der Universität Mannheim für unwirksam erklärt, wonach als Studienleistungen auch die Präsenzpflicht sowie die hinreichende Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Studien festgesetzt werden können (§ 13a III 2 der Prüfungsordnung für den Studiengang Bachelor of Arts (B.A.) Politikwissenschaft der Universität Mannheim). Diese Regelung hat der Senat als zu unbestimmt angesehen.
Bestimmheitsgrundsatz nicht beachtet
Der Bestimmtheitsgrundsatz verpflichte den Normgeber, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Klarheit und Justiziabilität entsprechen. Normen müssten so formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen könnten und die Gerichte in der Lage seien, die Anwendung der betreffenden Vorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren. Die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots wüchsen mit der Intensität der Einwirkungen auf die Regelungsadressaten. Hier sei zu berücksichtigen, dass eine komplexe Grundrechtskonstellation mit mehreren Grundrechtsträgern (Studierende, Dozenten, Universität) vorliege. Zudem werfe die pauschale Festsetzung einer Präsenzpflicht als Studienleistung in besonderer Weise die Frage der Verhältnismäßigkeit des hiermit verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit der Studierenden auf. Schließlich sei dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit Rechnung zu tragen.
Prüfungsordnung unwirksam
Vor diesem Hintergrund sei die Regelung nicht hinreichend bestimmt. Sie stelle die Erfüllung einer Präsenzpflicht wie auch die hinreichende Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Studien als Studienleistung letztlich in das Ermessen des Dozenten. Für den Studierenden und den Rechtsanwender blieben damit vor allem drei Punkte unklar: So sei nicht geregelt, unter welchen Mindestvoraussetzungen die Studienleistung der Präsenz als „bestanden“ im Sinne des § 13a I Nr. 1 der Prüfungsordnung angesehen werden könne. Auch zu den Rechtsfolgen von Fehlzeiten aus wichtigem Grund -wie z.B. Krankheit- fehle jede normative Regelung. Unklar sei schließlich, für welche Arten von Veranstaltungen die Präsenzpflicht gelten solle; eine Einschränkung, etwa im Hinblick auf Vorlesungen und andere Lehrveranstaltungen, bei denen es in erster Linie um die Wissensvermittlung gehe, finde sich in § 13a III 2 der Prüfungsordnung nicht.
Auswirkungen
Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann nach Zustellung des vollständigen Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen das Urteil auf die Prüfungsordnung anderer Universitäten und Bundesländer haben wird. Während einige Bundesländer -wie z.B. Schleswig-Holstein- die Präsenzpflicht an sich größtenteils abgeschafft haben, bleibt es in anderen Bundesländern den Universitäten selbst überlassen, ob sie von dieser Gebrauch machen. Eine gänzliche Abschaffung der Präsenzpflicht wird das Urteil vermutlich nicht zur Folge haben, zumindest in Baden-Württemberg werden die Universitäten ihre Prüfungsordnung aber auf eine hinreichend präzise Formulierung überprüfen müssen.
(Az.: 9 S 1145/16)
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