Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts
Seit dem ersten Oktober ist eine Gesetzesänderung in Kraft getreten, die für die wohl größte Aufmerksamkeit in der jüngeren Vergangenheit sorgte: Homosexuelle Paare dürfen seit dem 01.10.2017 heiraten oder ihre bestehende Lebenspartnerschaft in eine Ehe umwandeln.
Was wird geregelt?
Durch das „Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ heißt es in § 1353 I S. 1 BGB nun: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen“.
1309 BGB regelt das Ehefähigkeitszeugnis für Ausländer und hat einen neuen dritten Absatz erhalten, welcher besagt, dass § 1309 I BGB nicht für Personen gelte, die eine gleichgeschlechtliche Ehe eingehen wollen und deren Heimatstaat die Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Ehe nicht vorsieht. Gem. § 1309 I BGB muss nämlich eine Person, die bezüglich der Voraussetzungen der Eheschließungen ausländischem Recht unterliegt, durch Zeugnis einer Behörde seines Heimatlandes nachweisen, dass nach dem Recht des Staates keine Einwände gegen die Eheschließung vorliegen. Dies hätte wohl insbesondere für Menschen aus konservativ geprägten Ländern eine nicht überwindbare Hürde dargestellt.
Verfassungsmäßige Vereinbarkeit
Teilweise wurden Stimmen laut, die in dieser Änderung einen Verstoß gegen das Grundgesetz und die „Ehe für alle” somit als verfassungswidrig sehen wollten: Konservative Unionspolitiker haben Normenkontrollanträge vor dem BVerfG in Erwägung gezogen und argumentierten, dass mit der vom Grundgesetz besonders geschützten Ehe nur eine Verbindung zwischen Mann und Frau gemeint sei, zumal nur aus dieser Verbindung Kinder hervorgehen könnten. Dies habe in Vergangenheit auch das Verfassungsgericht stets so gesehen.
Die Befürworter der Neuregelung sehen den Ehebegriff im Grundgesetz jedoch nicht abschließend definiert. Dem Gesetzgeber stehe es daher frei, ihn zu erweitern. Hierfür spreche auch der gesellschaftliche Wandel des traditionellen Eheverständnisses, sodass aufgrund der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die „Ehe für alle” verfassungsrechtlich zulässig sei. Nach Art. 6 I GG stehen die Ehe und die Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung, ohne dass sie dort konkret definiert sind. Der Verfassungsgeber wird zwar damals als Ehe die Gemeinschaft von Mann und Frau gemeint haben - allerdings waren zu dieser Zeit gleichgeschlechtliche Beziehungen weder gesellschaftlich noch gesetzlich akzeptiert. Das Ehegrundrecht stellt ein normgeprägtes Grundrecht dar - der Gesetzgeber hat folglich unter Zugrundelegung des gesellschaftlichen Wertewandels einen weiten Spielraum.
Wirklich Ehe für alle?
So gut diese Nachricht für unseren gesellschaftlichen Konsens ist, stellt sich unter Zugrundelegung der aktuellen Ereignisse die Frage, ob es die „Ehe für alle“ tatsächlich für alle gibt: Denn während es bis zur Gesetzesänderung lediglich hieß, dass die Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird, wird mit der Neuregelung künftig vorausgesetzt, überhaupt einem Geschlecht anzugehören. Was aber, wenn ein Mensch keinem Geschlecht zuzuordnen ist? Diesem Problem sehen sich nun intersexuelle Menschen ausgesetzt. Intersexualität ist laut des „Intersexuelle Menschen e.V.“ dadurch geprägt, dass das „äußere geschlechtliche Erscheinungsbild von Geburt an hinsichtlich der Chromosomen, der Keimdrüsen und der Hormonproduktion nicht nur männlich oder nur weiblich erscheint, sondern scheinbar eine Mischung aus beidem darstellt“.
Intersexualität bereits im Jahre 1794 gesetzlich beachtet
Dass es Menschen gibt, die nicht zwingend „männlich“ oder „weiblich“ sind, wurde bereits früh gesetzlich Beachtet: Zumindest mit einem Wahlrecht für Menschen, deren Geschlecht nicht eindeutig benannt werden konnte, wies bereits das „Allgemeine Landesrecht für die preußischen Staaten“ von 1794 auf: „Wenn Zwitter geboren werden, so bestimmen die Aeltern, zu welchem Geschlechte sie erzogen werden sollen“ (§ 19 I S. 1 ALR). Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres konnte dann allerdings gem. § 20 I S. 1 ALR der Betroffene selbst wählen, „zu welchem Geschlecht er sich halten wolle“. Zwar wird der Begriff des „Zwitters“ heute weder verwendet, noch ist er überhaupt zweifelsfrei zutreffend - die Idee, dass das individuelle Empfinden über das geringe Überwiegen der einen oder anderen äußerlichen Merkmale vorzugehen hat, lässt sich aber bereits im ALR erkennen.
Mit der Einführung von Standesämtern sowie der Führung von Geburtenregistern durch das „Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und der Eheschließung“ vom 06.02.1875 ist diese sodann entfallen. Hierdurch begünstigt wurde eine Praxis, in der Ärzte und Standesämter das männliche oder weibliche Geschlecht danach bestimmten, welche Merkmale überwiegend vorlagen. Erst durch eine Gesetzesänderung von 2013 sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, anstelle der Festlegung als „männlich“ oder „weiblich“ einfach gar keine vorzunehmen. Doch, wie sich nun auch an der Gesetzesänderung bezüglich der Ehe erkennen lässt, ist dies für die Betroffenen keine zufriedenstellende Situation.
Weg von der binär orientierten Geschlechterordnung?
Um diese Situation zu verbessern müsste letztlich eine Abkehr vom Verständnis des Geschlechts als ausschließlich „männlich“ oder „weiblich“ erfolgen. Aus medizinischer Sicht zumindest lässt sich ein Festhalten am binär orientierten Geschlechtsverständnis nicht begründen. So werden z.B. von der Bundesärztekammer laut deren Stellungnahme „Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Varianten/Störungen der Geschlechtsentwicklung (Disorders of Sex Development, DSD)“ unter „Varianten der Geschlechtsentwicklung (…) angeborene Variationen der genetischen, hormonalen, gonadalen und genitalen Anlagen eines Menschen mit der Folge verstanden, dass das Geschlecht einer Person nicht mehr eindeutig den biologischen Kategorien „männlich“ oder „weiblich“ entspreche“.
Diese Tatsache erkennt auch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 10.10.2017 an. In dem hier entschiedenen Fall rügte eine intersexuelle Person die Verletzung ihres allg. Persönlichkeitsrechts, eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot. Die Beschwerdeführerin blieb durch alle Instanzen bis zum BGH erfolglos in ihrem Vorhaben, die Streichung ihrer personenstandsrechtlichen Geschlechtseintragung als „weiblich“, sowie eine Eintragung als „inter“ oder „divers“ zu erwirken. Insbesondere führte sie an, dass die gleichberechtigte Anerkennung ihres Geschlechts Ausprägung ihres allg. Persönlichkeitsrechts sei. Ferner liege eine unzulässige Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts vor, da intersexuelle Menschen anders als etwa männliche oder weibliche behandelt werden, deren geschlechtliche Identität rechtlich registrierbar sei.
BVerfG bezieht Stellung
Das BVerfG führt in seinem Beschluss aus, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht auch die geschlechtliche Identität schütze, da diese regelmäßig einen konstituierenden Aspekt der eigenen Persönlichkeit darstelle. Die Zuordnung zu einem Geschlecht nehme eine Schlüsselposition für das Selbstverständnis der eigenen Persönlichkeit und der öffentlichen Wahrnehmbarkeit ein, sodass der individuellen Identität herausragende Bedeutung zukomme. Hiervon müsse auch die geschlechtliche Identität derjenigen Personen geschützt sein, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen seien. Eine „fehlende Angabe” im Geburtenregister reiche demnach nicht aus, wenn sich die jeweilige Person selbst nicht als „geschlechtlos” verstehe und ihr Geschlecht als ein solches jenseits von männlich oder weiblich begreife. Allein dies begründe einen klassischen (unmittelbaren, finalen und imperativen) Eingriff in die selbstbestimmte Entwicklung und Wahrung der Persönlichkeit, sodass die Verwehrung der personenstandsrechtlichen Anerkennung der geschlechtlichen Identität bereits die selbstbestimmte Entwicklung gefährde.
Das BVerfG hat somit zugunsten der Beschwerdeführerin entschieden: § 21 I Nr. 3 Personenstandsgesetz (PStG) i.V.m. § 22 III PStG sei mit Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I und mit Art. 3 III S. 1 GG nicht vereinbar, „soweit sie eine Pflicht zur Angabe des Geschlechts begründen und dabei Personen, deren Geschlechtsentwicklung gegenüber einer weiblichen oder männlichen Geschlechtsentwicklung Varianten aufweist und die sich selbst dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, keinen positiven Geschlechtseintrag ermöglichen, der nicht „weiblich“ oder „männlich“ lautet.“
Mit dem Beschluss hat das BVerfG dem Gesetzgeber bis zum 31.12.2018 aufgetragen, eine verfassungsgemäße Regelung herbeizuführen. Mit Spannung kann erwartet werden, wie der Gesetzgeber diese Aufgabe lösen wird und insbesondere, ob die Zeiten binären Geschlechterdenkens vorbei sind.
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