A. Sachverhalt (leicht vereinfacht)
Mit notariellem Vertrag vom 7. Oktober 2004 verkauften der Kläger und seine Ehefrau (Drittwiderbeklagte zu 1) in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Drittwiderbeklagte zu 2) ihr Wohnungseigentum unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel an die Beklagten. Der Kaufpreis betrug 530.000 €; er war in zwei Raten von 200.000 € und 330.000 € zu zahlen. Ende Januar 2005 erklärten die Beklagten, gestützt auf die Behauptung, ihnen sei eine Schimmelpilzbelastung der Wohnung arglistig verschwiegen worden, die Anfechtung des Kaufvertrags und verweigerten die Kaufpreiszahlung.
In einem ersten Rechtsstreit nahm der Kläger die Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau auf Zahlung der ersten Kaufpreisrate in Anspruch. Die Beklagten traten dem unter Hinweis auf die Anfechtung des Vertrages entgegen und erhoben zugleich eine Widerklage gegen den Kläger und eine Drittwiderklage gegen seine Ehefrau und die GbR, mit der sie Schadensersatzansprüche in Höhe von 7.145,26 € wegen Gutachter-, Notar- und Rechtsverfolgungskosten geltend machten. Das Landgericht gab der Klage des Klägers statt und wies die Widerklage der Beklagten ab. Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten blieben ohne Erfolg.
In einem zweiten Rechtsstreit verlangte der Kläger Zahlung der zweiten Kaufpreisrate. Die Beklagten erhoben erneut eine auf Schadensersatz gerichtete Wider-/Drittwiderklage. Das Landgericht gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts, dass beabsichtigt sei, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, zahlten diese die zweite Kaufpreisrate und nahmen ihre Widerklage zurück. Nach übereinstimmender Erledigung des Rechtsstreits legte ihnen das Berufungsgericht mit einem Beschluss nach § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits auf.
In einem dritten Verfahren verlangt der Kläger nunmehr aus eigenem und abgetretenem Recht von den Beklagten Schadensersatz wegen der verspäteten Kaufpreiszahlung in Höhe von 217.177,64 €. Die Beklagten erheben erneut Wider- und Drittwiderklage gegen die Verkäufer und stützen sich auf Kaufpreisminderung und auf Schadensersatz. Letzteren verlangen die Beklagten mit der Begründung, ihnen seien Schäden durch die Unbewohnbarkeit der Wohnung entstanden; sie hätten diese wegen des Schimmelbefalls nur zwischen Mitte Februar 2009 und Anfang Mai 2009 genutzt. Weitere Schäden seien ihnen durch zu viel gezahlte Prozesszinsen, Verzugszinsen sowie Erwerbsnebenkosten, durch Umzugskosten sowie durch unnütze Aufwendungen für nach dem Auszug fällig gewordene Leistungen (Wohngeld und Grundsteuern) und durch Gutachterkosten entstanden.
Können sich die Beklagten (und Widerkläger) in diesem dritten Rechtsstreit darauf berufen, dass die Verkäufer ihnen eine Schimmelpilzbelastung der verkauften Wohnung arglistig verschwiegen haben?
B. Die Entscheidung des BGH (Urt. v. 22.9.2016 –V ZR 4/16)
Die Beklagten machen im Wege der Widerklage (vgl. § 33 ZPO) Ansprüche auf teilweise Rückzahlung des Kaufpreises nach erklärter Minderung (§§ 437 Nr. 2, 441 IV, 346 BGB) sowie Schadensersatzansprüche (§§ 437 Nr. 3, 280 BGB) geltend. Grundlage der Ansprüche ist ihre Behauptung, dass die Verkäufer ihnen eine Schimmelpilzbelastung der verkauften Wohnung arglistig verschwiegen hätten; nur die Arglist würde den Weg zu Mängelansprüche öffnen, weil die Parteien die Mängelgewährleistung vertraglich ausgeschlossen hatten (§ 444 BGB). Es handelt sich dabei um die dritte Widerklage der Beklagten, mit der sie Gegenansprüche wegen dieses behaupteten Mangels geltend machen.
Dem Erfolg dieser dritten Widerklage könnte die materielle Rechtskraft des Urteils aus dem ersten Rechtsstreit entgegenstehen, mit dem ihre (erste) Widerklage abgewiesen (über die zweite Widerklage ist nach Klagerücknahme keine rechtskräftige Entscheidung ergangen, § 269 ZPO) und dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung der ersten Kaufpreisrate zugesprochen worden war (über die zweite Klage wegen der zweiten Kaufpreisrate ist in der Sache nach übereinstimmender Erledigung keine Entscheidung ergangen). Denn das Gericht hatte im Rahmen des ersten Rechtsstreits bereits entschieden, dass den beklagten Käufern kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach erfolgter Anfechtung des Vertrages zustehe, weil die Verkäufer ihnen eine Schimmelpilzbelastung der Wohnung arglistig verschwiegen hatten. Möglicherweise sind die Beklagten (und Widerkläger) daher mit ihren Behauptung wegen des rechtskräftigen Vorurteils ausgeschlossen. Das könnte sich aus der materiellen Rechtskraft dieses Urteils ergeben (§ 322 I ZPO).
Zunächst stellt der BGH die Reichweite der Rechtskraft nach § 322 ZPO dar. Urteile sind nach § 322 I ZPO grundsätzlich – bei der Aufrechnung gilt nach § 322 II ZPO eine Ausnahme - nur „insoweit“ der Rechtskraft fähig, als über den „erhobenen Anspruch“ entschieden worden ist. Damit ist der prozessuale Anspruch im Sinne der Lehre vom Streitgegenstand gemeint. Der Streitgegenstand wird nach dem heute ganz herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff durch den Klageantrag und den vom Kläger zur Entscheidung gestellten Sachverhalt bestimmt (vgl. § 253 II Nr. 2 ZPO, der zwischen Klageantrag und Klagegrund unterscheidet). In Rechtskraft erwachsen daher nur der der Tenor des Urteils, nicht die Entscheidungsgründe, also nicht die in den Gründen der Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen, präjudiziellen Rechtsverhältnisse oder Einwendungen (zur Ausnahme bei der Aufrechnung siehe § 322 II ZPO). Möchten die Parteien auch darüber eine der Rechtskraft fähige Entscheidung herbeiführen, müssen sie eine Feststellungs- bzw. Zwischenfeststellungsklage erheben (§ 256 I und II ZPO):
„Urteile sind der Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO nur insoweit fähig, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Damit sind der Rechtskraft bewusst enge Schranken gezogen.
Die Urteilselemente, die bedingenden Rechte und Gegenrechte sollen nicht von der Rechtskraft erfasst werden. Sie wird vielmehr auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, das heißt auf diejenige Rechtsfolge, die aufgrund einer Klage oder Widerklage beim Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet, beschränkt. Die tatsächlichen Feststellungen als solche erwachsen nicht in Rechtskraft (Senat, Urteil vom 11. November 1994 – V ZR 46/93, NJW 1995, 967; Urteil vom 16. April 1999 – V ZR 37/98, NZM 1999, 677, 678; BGH, Urteil vom 12. Dezember 1975 – IV ZR 101/74, NJW 1976, 1095).
Die Ausführungen des Gerichts in einem Vorprozess über das Vorliegen eines Sachmangels oder die Kenntnis des Verkäufers hiervon sind als tatsächliche Feststellungen daher materieller Rechtskraft nicht fähig (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 1987 – VIII ZR 158/86, WM 1987, 1288, 1289; Urteil vom 24. November 1982 – VIII ZR 263/81, BGHZ 85, 367, 373). Ebenfalls nicht in Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO erwachsen die Feststellungen über die der Entscheidung zu Grunde liegenden präjudiziellen Rechtsverhältnisse, wie etwa die Nichtigkeit eines Vertrages. Zu deren abschließender Klärung steht den Parteien die nicht an ein besonderes Feststellungsinteresse anknüpfende Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) und im Übrigen die Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) offen (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2008 – V ZR 13/07, NJW-RR 2008, 1397 Rn. 19; Urteil vom 21. Februar 1992 – V ZR 273/90, NJW 1992, 1897).“
Aufgrund des Urteils im ersten Rechtsstreits zwischen den Parteien steht demnach jedenfalls fest, dass die Beklagten verpflichtet sind, die erste Kaufpreisrate zu zahlen (Rechtskraft des Urteils, soweit über die Klage entschieden wurde) und dass ihnen kein Anspruch auf Ersatz der mit der damaligen Widerklage verfolgten Schäden in Höhe von 7.145,26 € zusteht, soweit sie wegen der behaupteten Schimmelbelastung die Rückabwicklung des Vertrages verlangt haben (Rechtskraft des Urteils, soweit über die Widerklage entschieden wurde). Denn nur dieser Rechtsfolgenausspruch wird unmittelbar von der materiellen Rechtskraft des Urteils erfasst.
Die Rechtkraftwirkungen erschöpfen sich aber nicht in der Feststellung der austenorierten Rechtsfolge. Fraglich ist, ob sich aus der Rechtskraft zugleich ergibt, dass die Beklagten (und Widerkläger) aufgrund der Vor-Urteile mit ihrem Vortrag zu einem arglistig verschwiegenen Mangel im jetzigen Verfahren präkludiert sind. Der BGH führt aus, dass aus der materiellen Rechtkraft eines Vorurteils auch eine Präklusionswirkung für einen Folgeprozess folgen könne, die dazu führe, dass die Parteien daran gehindert sind, Tatsachen vorzutragen, die zu einer rechtskräftigen Vorentscheidung in Widerspruch stehen:
„Im Ausgangspunkt trifft es allerdings zu, dass eine rechtskräftige Entscheidung in einem Vorprozess zwischen den Parteien zu einer Tatsachenpräklusion in einem Folgeprozess führen kann. Zwar erwachsen die tatsächlichen Feststellungen in einem Urteil nicht in Rechtskraft. Andererseits darf die Rechtskraft der Entscheidung über den im Vorprozess erhobenen Anspruch nicht mit dem Vorbringen ausgehöhlt werden, das rechtskräftige Urteil gründe sich auf unrichtige tatsächliche Feststellungen (BGH, Urteil vom 7. Juli 1993 – VIII ZR 103/92, BGHZ 123, 137, 140). Hat ein Gericht den Streitgegenstand eines rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses erneut zu prüfen, hat es deshalb seinem Urteil den Inhalt dieser Entscheidung zugrunde zu legen (BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 – III ZR 43/92, NJW 1993, 3204, 3205; Urteil vom 16. Januar 2008 – XII ZR 216/05, NJW 2008, 1227 Rn. 23). Mit Vortrag zu Tatsachen, die im maßgebenden Zeitpunkt des Vorprozesses schon vorhanden waren und darauf gerichtet sind, das kontradiktorische Gegenteil der im Vorprozess festgestellten Rechtsfolge auszusprechen, sind die Parteien dann insoweit ausgeschlossen, als sie bei natürlicher Anschauung zu dem im Vorprozess vorgetragenen Lebensvorgang gehören (BGH, Urteil vom 24. September 2003 – XII ZR 70/02, NJW 2004, 294, 296).“
Diese Präklusionswirkung reiche aber nicht weiter als die Rechtskraftwirkung des Urteils, weil die Präklusionswirkung aus der materiellen Rechtskraft folge. Daher erfasse die Tatsachenpräklusion infolge Rechtskraft auch nur solchen Vortrag, der zu dem rechtskräftig Festgestellten in Widerspruch stehe:
„Das Berufungsgericht verkennt jedoch, dass diese Präklusion nicht weiter geht als die Rechtskraftwirkungen des Urteils (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2011 – XII ZR 159/09, NJW 2012, 923 Rn. 23; MüKo ZPO/Gottwald, 5. Aufl., § 322 Rn. 139a u. 144 f.). Sie ist kein Institut neben der materiellen Rechtskraft, sondern nur die notwendige Kehrseite der Maßgeblichkeit der Entscheidung. Außerhalb der Grenzen des Streitgegenstands besteht keine Präklusion, auch wenn mit der neuen Klage ein wirtschaftlich identisches Ziel verfolgt wird und sich die Tatsachen überschneiden (MüKoZPO/Gottwald, aaO, Rn. 139 u. 145).
(a) Das zeigt sich insbesondere bei Teilklagen. Bei der Geltendmachung von Teilansprüchen ergreift die Rechtskraft nur diesen Teil, so dass das Urteil, das einen Teilanspruch zuspricht oder aberkennt, nicht darüber Rechtskraft bewirkt, ob dem Kläger mehr als der geltend gemachte Teil zusteht oder noch andere Ansprüche aus dem Sachverhalt zustehen, selbst wenn sich das Urteil darüber auslässt (BGH, Urteil vom 27. Februar 1961 – III ZR 16/60, BGHZ 34, 337, 339; Urteil vom 30. Januar 1985 – IVb ZR 67/83, BGHZ 93, 330, 334; Urteil vom 9. April 1997 – IV ZR 113/96, BGHZ 135, 178, 181). Eine Präklusionswirkung tritt daher nicht ein, wenn die Teilklage rechtskräftig abgewiesen worden ist und nach den Entscheidungsgründen des Urteils im Vorprozess der klagenden Partei der später geltend gemachte (weitere) Anspruch aus demselben Lebenssachverhalt ebenfalls nicht zustünde. Die Rechtskraft reicht in diesen Fällen nicht so weit wie die Folgerichtigkeit der Entscheidungsgründe; diese nehmen an der Rechtskraft nicht teil (BGH, Urteil vom 30. Januar 1985 – IVb ZR 67/83, BGHZ 93, 330, 334 f.).
(b) Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Tatsachenpräklusion infolge Rechtskraft nur Vortrag erfasst, der zu dem rechtskräftig Festgestellten in Widerspruch steht. Ein Urteil, das eine Vertragsklage wegen arglistiger Täuschung abweist, stellt nur das Nichtbestehen des vertraglichen Anspruchs infolge einer Täuschung fest, nicht aber die Täuschung (bzw. ihr Fehlen) selbst (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 1987 – VIII ZR 158/86, WM 1987, 1288, 1289). Das gilt selbst dann, wenn eine Feststellungsklage mit dem Ziel erhoben worden ist, das Nichtbestehen des Vertragsverhältnisses infolge der arglistigen Täuschung festzustellen. Die Rechtskraft der hierzu ergehenden Entscheidung umfasst nur das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertragsverhältnisses, nicht aber den Auflösungsgrund. Was diesen betrifft, kann es durchaus zu widersprüchlichen Feststellungen kommen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 1987 – VIII ZR 158/86, aaO u. MüKoZPO/Gottwald, 5. Aufl., § 322 Rn. 145 aE).“
Das Berufungsgericht hatte gemeint, die Widerklage sei unbegründet, weil die Beklagten keine Ansprüche gegen die Verkäufer erheben könnten, die auf das behauptete arglistige Verschweigen von Mängeln der Wohnung gestützt seien. Dieser Lebenssachverhalt sei wegen des rechtskräftigen Urteils aus dem ersten Rechtsstreit präkludiert, weil dieser Vortrag im ersten Rechtsstreit der Parteien nicht nur eine Einwendung gegenüber der Kaufpreisforderung, sondern auch selbstständiger Streitgegenstand der rechtskräftigen Entscheidung über die Widerklage gewesen sei. Das eine Leistungsklage abweisende Urteil habe insoweit den Charakter eines Feststellungsurteils. Tragender Abweisungsgrund des Urteils im Vorprozess sei gewesen, dass die widerklagend geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht bestünden. Würden aus demselben Lebenssachverhalt weitere Schadensersatzforderungen geltend gemacht, könne sich der Kläger nicht mehr auf solche Tatsachen berufen, die zu dem im Vorprozess entschiedenen Lebenssachverhalt gehörten und den Feststellungen im Vorprozess widersprächen.
Der BGH tritt dieser Sichtweise entgegen. Die Beklagten könnten sich hinsichtlich der jetzt verfolgten Ansprüche erneut auf die Behauptung stützen, die Verkäufer hätten einen Schimmelbefall der Wohnung arglistig verschwiegen. Das folge bereits daraus, dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer arglistigen Täuschung seitens der Verkäufer nicht rechtskräftig feststehe, erneuter Vortrag dazu also schon aus diesem Grund nicht geeignet sei, die Rechtskraft der Entscheidung über die Abweisung der ersten Widerklage zu unterlaufen.
Im Übrigen seien die Streitgegenstände der Widerklage im ersten Rechtsstreit und der nunmehrigen Widerklage nicht identisch. Nunmehr verlangten die Beklagten (und Widerkläger) auf Grundlage eines wirksamen Kaufvertrages eine teilweise Rückzahlung des Kaufpreises wegen Minderung (§§ 441 IV, 346 BGB) und Schadensersatz neben der Leistung (§§ 437 Nr. 3, 280 I BGB). Dabei handele es sich um gegenüber der früheren, rechtskräftig abgewiesenen Widerklage, mit der die Beklagte (und Widerkläger) die Rückabwicklung des Kaufvertrages und damit die Rückzahlung des gesamten Kaufpreises geltend gemacht haben, um eine andere Rechtsfolge:
„(bb) Die Streitgegenstände der früheren und der jetzigen Widerklage sind zudem aus einem weiteren Grund nicht identisch. Die Beklagten gehen nunmehr von der Wirksamkeit des Kaufvertrages und davon aus, dass sie die Wohnung behalten (müssen). Die jetzt verfolgten Ansprüche auf teilweise Rückzahlung des Kaufpreises wegen Minderung (§ 441 Abs. 4 BGB) und auf Ersatz von Schäden wegen überhöhter Finanzierungs- und Erwerbsnebenkosten sowie wegen der Unbenutzbarkeit der Wohnung (als sog. kleiner Schadensersatz nach § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, § 284 BGB) beruhen also auf einer anderen Rechtsfolgenbehauptung als die erste Widerklage und bilden damit einen anderen Streitgegenstand.
Streitgegenstand eines Rechtsstreits ist der als Rechtsschutzbegehren oder der Rechtsschutzbehauptung aufgefasste prozessuale Anspruch; dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die von dem Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem sich der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (Senat, Urteil vom 17. März 1995 – V ZR 178/93, NJW 1995, 1757; BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 – IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 5; Urteil vom 22. Oktober 2013 – XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 Rn. 15).
Wird die Rückabwicklung eines Kaufvertrages (Rechtsfolge) wegen arglistig verschwiegener Mängel der Kaufsache (Lebenssachverhalt) verlangt, bilden zwar alle auf die Rückabwicklung des Vertrages gerichteten materiellrechtlichen Ansprüche einen einheitlichen Streitgegenstand. Wurde eine auf die Anfechtung des Vertrages nach § 123 Abs. 1 BGB gestützte Klage rechtskräftig abgewiesen, kann der Käufer daher nicht unter dem Gesichtspunkt der Sachmängelhaftung erneut auf Rückabwicklung des Kaufvertrages klagen (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2003 – VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 50 f.). Anders liegt es aber, wenn sich der Käufer nach einer erfolglosen Klage, mit der er aufgrund einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung die Rückabwicklung des Vertrages verlangt hat, auf den Boden des Vertrages stellt und nunmehr – gestützt auf dieselbe Behauptung zur arglistigen Täuschung – Minderung des Kaufpreises und Ansprüche auf sog. kleinen Schadensersatz geltend macht.
Wegen der abweichenden Rechtsfolge handelt es sich hierbei um einen anderen Streitgegenstand (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 1990 – V ZR 48/89, NJW 1990, 2682); folglich kommt auch eine Tatsachenpräklusion infolge rechtskräftiger Entscheidung über den Rückabwicklungsanspruch nicht in Betracht.“
Damit sind die Beklagten im nunmehrigen Rechtsstreit nicht mit der Behauptung ausgeschlossen, dass die Verkäufer ihnen arglistig einen Mangel der verkauften Wohnung verschwiegen hatten. Weil das Berufungsgericht –von seiner Rechtsansicht aus konsequent – die notwendigen Feststellungen nicht getroffen hatte, hat der BGH den Rechtsstreit zur Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
C. Fazit
Fragen rund um die Wirkungen der materiellen Rechtskraft spielen insbesondere im Assessorexamen eine Rolle, weswegen Referendarinnen und Referendare die Entscheidung zum Anlass nehmen sollten, sich mit Reichweite, Umfang und Wirkung der materiellen Rechtskraft zu befassen.
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