Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
Autohändler H verkauft an K für dessen Reisetätigkeiten im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit als Journalist einen in seinem Eigentum befindlichen Pkw unter Eigentumsvorbehalt für 50.000 Euro. K soll den Pkw selber bei der Zulassungsstelle anmelden und die Zulassungsbescheinigung II im Anschluss an H übersenden, damit dieser die Bescheinigung als Sicherheit bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung verwahren kann. K darf das Fahrzeug nicht Dritten überlassen. Es wird vereinbart, dass K verpflichtet ist notwendig werdende Wartungsarbeiten, sowie Reparaturen auf eigene Rechnung ausführen zu lassen. Zur Ausführung dieser Arbeiten wird K berechtigt den Pkw während der Dauer der Arbeiten der Werkstatt zu überlassen.
Kurz darauf findet die Übergabe des Pkw statt. Dabei zahlt K 30.000 Euro an. Der restliche Kaufpreis soll in Raten gezahlt werden. Wie vereinbart meldet K das Fahrzeug bei der Zulassungsstelle an und wird in die Zulassungsbescheinigung II eingetragen. Er unterlässt es jedoch, diese an H zu senden.
Wenig später gerät K in Geldnöte und nimmt bei der Bank B ein Darlehen in Höhe von 50.000 Euro auf. Die Rückzahlung soll in monatlichen Raten erfolgen. K überlässt der B zur Sicherheit seine Rechte am Pkw und übergibt ihr die Zulassungsbescheinigung II.
Am nächsten Tag verursacht K einen Autounfall, bei welchem der Pkw beschädigt wird. Er bringt diesen darauf in die Werkstatt des W, wo die Reparaturen ausgeführt werden. W hält K für den Eigentümer des Fahrzeugs. Für die notwendigen Arbeiten stellt W dem K eine Rechnung in Höhe von 5.000 Euro.
Da K in der ganzen Zeit weder die Raten an H, noch an B und auch die Rechnung gegenüber W nicht beglichen hat, fordern sowohl H, als auch B ihn zur Zahlung auf. K erklärt daraufhin, dass in nächster Zeit nicht mit Zahlungen von ihm gerechnet werden kann.
Daraufhin wenden sich H und B unabhängig voneinander an W und verlangen die Herausgabe des Pkw. Auch K möchte das Fahrzeug zurück haben.
W wendet ein, dass er nur gegen Zahlung der 5.000 Euro zur Herausgabe bereit ist.
Frage 1: Können H, B und K von W die Herausgabe des Pkw verlangen?
Fal****lfortführung:
B verklagt W auf Herausgabe des Pkw. Vor dem zuständigen Gericht erklärt W, er könne den Pkw nicht mehr herausgeben, da K in der vorherigen Nacht den Pkw aus seiner verschlossenen Werkstatt „geklaut“ habe. B bestreitet dies. Daher soll K als Zeuge vernommen werden. K ist das Ganze jedoch unangenehm und er möchte nichts sagen.
Frage 2: Muss K aussagen?
Abwandlung:
Kurz vor Beginn der mündlichen Verhandlung erfährt der Rechtsanwalt R, welcher die B vertritt, dass K jetzt doch gezahlt hat. Er erklärt daher, er werde jetzt keinen Antrag stellen. W, der ebenfalls anwaltlich vertreten wird, möchte dennoch eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen.
Frage 3: Kann er dies erreichen und ggf. wie?
Bearbeitervermerk:
Frage 1 ist gutachterlich zu lösen, Frage 2 und 3 in einer begründeten Stellungnahme.
Unverbindliche Lösungsskizze
Frage 1: H/B/K gegen W auf Herausgabe des Fahrzeuges
- Teil: Anspruch des H gegen W auf Herausgabe
A. § 985 BGB
I. Besitz des W (+)
II. Eigentum des H
- Ursprünglich: H
- Eigentumserwerb des K, § 929 S. 1 BGB
(-); Arg.: § 158 I BGB - Eigentumserwerb der B, §§ 929 S. 1, 930 BGB
a) Einigung (+)
b) Übergabesurrogat
-> Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses i.S.v. § 868 BGB (+)
c) Einigsein (+)
d) Berechtigung des K (-)
e) Gutgläubiger Erwerb der B, §§ 930, 930 BGB
aa) Rechtstgeschäft i.S.e. Verkehrsgeschäfts (+)
bb) Rechtsscheinstatbestand
- Besitz des K, § 1006 BGB (+)
- Übergabe an B, § 933 BGB (-)
cc) Ergebnis: (-)
III. Kein Rechts zum Besitz des W
- § 986 I 1 1. Fall BGB
-> Werkunternehmerpfandrecht, § 647 BGB
a) Werkvertrag (+)
b) Sache des Bestellers
Hier: K nicht Eigentümer
- Problem: Lehre von der „Verpflichtungsermächtigung“, § 185 BGB analog
- aA: (+); Arg.: Schutz des Werkunternehmers
- hM: (-); Arg.: Umgehung des Offenkundigkeitsprinzips
- Problem: Lehre von der „Verfügungsermächtigung“, § 185 BGB analog
- aA: (+); Arg.: Schutz des Werkunternehmers
- hM: (-); Arg.: Umgehung des Offenkundigkeitsprinzips
- Problem: Gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts, §§ 1257, 1207 BGB
- aA: (+) Arg.: Schutz des Werkunternehmers
- hM: (-); Arg.: Wortlaut des § 1257 BGB („entstandenes“); Umkehrschluss aus § 366 HGB
c) Ergebnis: (-)
2. § 986 I 1 2. Fall BGB
(-); Arg.: zumindest dürfte ein konkludenter Rücktritt gem. §§ 449 II, 323 BGB durch das Herausgabeverlangen erfolgt sein
IV. Keine Einrede
-> §§ 1000, 994 ff. BGB
- EBV
-> Zum Zeitpunkt der Verwendung (-); Arg.: mangels Rücktritt des H, bestand noch ein Recht zum Besitz des W; aber: in dieser Konstellation Zeitpunkt des Herausgabeverlangens maßgeblich; Arg.: Schutz des Werkunternehmers - Notwendige Verwendungen
Hier: Autoreparatur - Redlicher Besitzer (+)
- W als „Verwender“
(+); Arg.: letztlich hält er die Reparatur in seinen Händen - Ergebnis: (+)
V. Ergebnis: (+), aber nur Zug-um-Zug gegen Ersatz der Verwendungen.
B. Sonstige Anspruchsgrundlagen (-)
2. Teil: B gegen W auf Herausgabe des Fahrzeugs
A. § 985 BGB
(-); Arg.: B hat nur das Anwartschaftsrecht als Minus zum Vollrecht erhalten, §§ 929, 939 BGB analog. Das Anwartschaftsrecht begründet aber keinen Herausgabeanspruch. B könnte allenfalls den Restkaufpreis an H zahlen. Dann würde das Anwartschaftsrecht bei B zum Vollrecht erstarken. Das ist hier aber noch nicht geschehen.
B. Sonstige Anspruchsgrundlagen (-)
3. Teil: K gegen S auf Herausgabe des (reparierten) Fahrzeuges
A. § 631 BGB
(-); Arg.: Werklohn noch nicht gezahlt, § 320 BGB.
B. § 985 BGB
(-); Arg.: K nicht Eigentümer und auch nicht ermächtigt.
Frage 2: Aussagepflicht des K
(-); Arg.: § 384 Nr. 2 ZPO
Frage 2: Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung
Das Verhalten der B, vertreten durch R, ist auszulegen. Wenn der R ausdrücklich keinen Antrag stellt, dann könnte dies als Erledigungserklärung zu verstehen sein. Dann müsste der W einfach nur nicht zustimmen bzw. widersprechen. Dann würde das Gericht über die Frage der Erledigung befinden. Sollte der R aber die Klage zurückgenommen haben, dann ginge das auch ohne Zustimmung des Beklagten, § 269 ZPO. Wenn einfach nur kein Antrag gestellt wird, dann würde die Klage der B schlicht abgewiesen. Wenn W einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils stellen würde, dann auch durch Versäumnisurteil
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