Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
B ist Beamtin und seit 2005 bei einem Landesministerium im Land Saarland beschäftigt. In den Jahren 2008 und 2010 erkrankte sie schwer und erhielt auf ihren Antrag hin jeweils durch Bescheid Beihilfen zu den Behandlungskosten. Dabei suchte sie immer den Arzt A auf, der ihr stets 20 % Nachlass gewährte. Dennoch wurde immer der volle Betrag beantragt und auch gewährt. Den Differenzbetrag teilten sich die B und der A.
Im Juni 2015 wurden A und B hierfür strafrechtlich wegen Betruges verurteilt. Anlässlich dieser Verurteilung erlangte die Behörde Kenntnis von den Umständen und nahm sodann mit Bescheid vom Januar 2016 die Beihilfebescheide insoweit zurück und forderte die überzahlten Beträge – insgesamt 10.000 Euro – zurück.
Hiergegen legte die B wenige Tage später Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom Februar 2016 zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid enthielt folgende Rechtsmittelbelehrung: „Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes, Kaiser-WilhelmStraße 15, 66740 Saarlouis, erhoben werden. Die Klage ist schriftlich beim Verwaltungsgericht einzureichen oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären.“
Gegen diesen Bescheid erhob die B im Juni 2016 Klage. Die Behörde ist der Auffassung, die Klage sei verfristet. Die B wendet dagegen ein, die Rechtsmittelbelehrung sei irreführend gewesen, weil kein Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Klageerhebung enthalten gewesen sei. Im Saarland sei dies nach der Verordnung für den elektronischen Rechtsverkehr möglich. In der Sache beruft sich die B darauf, dass sie die Mittel bereits verbraucht habe. Die Behörde ist diesbezüglich der Meinung, dass die B sich nicht auf „Verbrauch“ berufen könne, weil sie ja – nachweislich – betrügerisch unterwegs gewesen sei.
Hat die von B erhobene Klage Erfolg?
Bearbeitervermerk: Gehen Sie davon aus, dass es keine spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen für die Rückforderung von Beihilfen gibt.
Verordnung für den elektronischen Rechtsverkehr mit Gerichten und Staatsanwaltschaften im Saarland (Auszug):
§ 1 Zulassung der elektronischen Kommunikation
Bei den in der Anlage bezeichneten Gerichten und Staatsanwaltschaften können in den dort jeweils für sie näher bezeichneten Verfahrensarten und ab dem dort für sie angegebenen Datum elektronische Dokumente eingereicht werden
Unverbindliche Lösungsskizze
A. Zulässigkeit
I. Verwaltungsrechtsweg -> § 54 I BeamtenstatusG (+);
Arg.: Streitigkeit eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis
II. Statthafte Klageart
-> Anfechtungsklage, § 42 I 1. Fall VwGO
- Verwaltungsakt, § 35 VwVfG
2 Maßnahmen (Rücknahme und Rückforderung)
Problem: Außenwirkung bei Beamten
Hier: „Grundverhältnis“ betroffen -> (+)
Keine Erledigung (+)
Aufhebungsbegehren (+)
III. Besondere Sachurteilsvoraussetzungen
- Klagebefugnis, § 42 II VwGO
Hier: Art. 33 V GG („Alimentationsgedanke“); zumindest aber Art. 2 I GG; außerdem: Ausgangsbescheid
Erfolgloses Vorverfahren, § 68 VwGO; § 54 II BeamtenstatusG (+)
-> 1 Monat ab Zustellung des Widerspruchsbescheides
-> 1 Jahr bei fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung, § 58 II VwGO
Hier: kein Hinweis auf die Möglichkeit, die Klage auch elektronisch zu erheben, obwohl diese Möglichkeit nach der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr besteht
-> irreführend, da elektronische Form nicht von „schriftlich“ erfasst
- Klagegegner, § 78 I VwGO (+)
IV. Allgemeine Sachurteilsvoraussetzung
-> Insbesondere Beteiligten- und Prozessfähigkeit, §§ 61, 62 VwGO (+)
B. Objektive Klagehäufung, § 44 VwGO (+)
C. Begründetheit, § 113 I 1 VwGO
I. Rücknahme
- Rechtswidrigkeit
a) Ermächtigungsgrundlage
aa) Spezialgesetzlich (-)
bb) § 48 I, II VwVfG
b) Formelle Rechtmäßigkeit
aa) Zuständigkeit (+)
bb) Vefahren -> Anhörung, § 28 I VwVfG (+)
cc) Form, §§ 37, 39 VwVfG
Hier: falsche Daten im Aufhebungsbescheid offenkundig ein Versehen, richtige Daten im Anhang, keine Auswirkung auf Sachentscheidung, vgl. auch § 46 VwVfG.
c) Materielle Rechtmäßigkeit
aa) Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
(1) Rechtswidrigkeit des Erstverwaltungsaktes (= Beihilfebescheid) (+), i.H.v. 20 %
(2) Begünstigender Verwaltungsakt (+)
(3) Geldleistungsverwaltungsakt (+)
(4) Kein schutzwürdiges Vertrauen, § 48 II VwVfG
-> Ausschluss nach § 48 II 3 VwVfG
Hier: Arglistige Täuschung, § 48 II 3 Nr. 1 VwVfG
(5) Frist, § 48 IV VwVfG
-> Ein Jahr ab Kenntnis der Umstände (+); Arg.: Verurteilung im Juni 2015 – Rücknahme im Januar 2016
bb) Rechtsfolge: Ermessen - Ermessensfehler nicht ersichtlich.
- Ergebnis: (-)
II. Rückforderung
- Rechtswidrigkeit
a) Ermächtigungsgrundlage
aa) § 12 II BBesG
(-); Arg.: betrifft nicht Beihilfen
bb) § 49a VwVfG
b) Formelle Rechtmäßigkeit (+)
c) Materielle Rechtmäßigkeit
aa) Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
(1) Rücknahme ex tunc (+)
(2) Bereits erbrachte Leistungen (+)
(3) Verweis auf §§ 812 ff. BGB
(a) Etwas erlangt (+)
(b) Durch Leistung (+)
(c) Ohne Rechtsgrund
-> Bewilligungsbescheid rechtswidrig, aber wirksam, aber rechtmäßig zurückgenommen (s.o.)
d) Rechtsfolge: Wertersatz, § 818 II BGB
(e) Kein Ausschluss
-> Entreicherung, § 818 III BGB
Hier: Beihilfe „verbraucht“
Aber: Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis, § 819 I BGB, § 49a II 2 VwVfG.
bb) Rechtsfolge: Gebundene Entscheidung
- Ergebnis: (-)
D. Gesamtergebnis: (-)
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