Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
Rechtsanwalt M sucht für sich, seine Frau und ihr dreijähriges Kind eine Wohnung. In der örtlichen Tageszeitung stößt er auf eine Annonce über eine Doppelhaushälfte, die zum 01. Januar 2015 frei ist. Die Anzeige stammt von D. Dieser wurde von V beauftragt, einen Mieter für die Doppelhaushälfte zu finden. Er ruft bei D an und vereinbart einen Besichtigungstermin. Am 04. November 2014 besichtigt er das Haus. Dabei erklärt er, dass er einen Raum als “Wohnzimmerbüro” für seine berufliche Tätigkeit nutzen möchte. D hat bereits zwei Exemplare eines vorgefertigten Vertrags dabei, in der V und M als Vertragsparteien eines zeitlich unbestimmten Mietverhältnisses aufgeführt sind.
Der Vertrag ist auf denselben Tag wie der Besichtigungstermin datiert. In Ziffer 15 steht, dass eine anderweitige Nutzung als die Wohnnutzung der Einwilligung des Vermieters bedarf. Über der Unterschriftenzeile fügt D die Ziffer 24 ein, die M berechtigt, einen 20 qm großen Raum als Büro für seine freiberufliche Tätigkeit zu nutzen. Er unterschreibt mit “i. V.”. M und seine Familie ziehen am 01. Januar 2015 ein.
Am 01. Mai 2015 erreicht M ein Telefax des V mit folgendem Inhalt: “Hiermit kündige ich fristgemäß zum 31. Juli 2015 das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Meine Tochter T ist schwanger geworden und benötigt die Wohnung für sich und ihre Familie. Die Ein-Zimmer-Wohnung, in der sie momentan lebt, ist nicht familiengerecht. (Belehrung nach § 568 II erfolgt)”. Am 05. Mai 2015 wird dem M ein Brief mit demselben Inhalt und eigenhändiger Unterschrift des V zugestellt. M ruft bei V an und erfährt, dass die 19-jährige Tochter unerwartet schwanger geworden ist und geheiratet hat. Sie ist im vierten Monat schwanger. Ihr Ehemann, der ein außergewöhnlich gut verdienender Bankangestellter ist, wohnt noch bei seinen Eltern. M will das nicht hinnehmen. Die Kündigung per Fax sei unwirksam. Auch wäre es rechtsmissbräuchlich, wenn nach 4 Monaten das Mietverhältnis schon wieder beendet würde. Außerdem macht er geltend, dass die Heirat der T und der Name des Ehemannes hätte genannt werden müssen. Überdies machen sie einen überhöhten Wohnbedarf geltend.
Frage: Hat V einen Anspruch auf Herausgabe (Räumung) der Doppelhaushälfte zum 31.Juli 2015?
Hinweis: AGB-Recht ist nicht zu prüfen.
Abwandlung
Vor dem Einzug hat M 3 Wohnungsschlüssel erhalten. Im Februar legt er seinen Mantel mit einem Schlüssel in einem Restaurant auf dem freien Nebentisch ab. Der Mantel wird entwendet. Am Schlüsselbund sind keine Hinweise auf die Identität oder die Wohnung des M. V will daraufhin die Schließanlage austauschen lassen, was 500 Euro kosten wird.
Frage: Kann V von M vor Austausch der Anlage Zahlung von 500 Euro verlangen?
Unverbindliche Lösungsskizze
Ausgangsfall
V gegen M auf Herausgabe (Räumung) der Doppelhaushälfte
A. § 546 BGB
I. Mietverhältnis, § 535 BGB
- Einigung V – M
Hier: D Stellvertreter, §§ 164 ff. BGB bzgl. des Wohnraums; ob auch Vertretungsmacht bzgl. der Vermietung zur partiellen Nutzung als „Wohnzimmerbüro“ vorlag, ist an dieser Stelle unerheblich.
- Wirksamkeit (+)
II. Beendigung des Mietverhältnisses
-> Kündigung wegen Eigenbedarfs, § 573 I, II Nr. 3 BGB
- Formgerechte Kündigungserklärung
a) Schriftform, § 568 I BGB
- Fax v. 01.05.2015 (-); Arg.: Fax genügt nicht Schriftformerfordernis
- Schreiben vom 05.05.2015 (+)
b) Belehrung über Widerspruchsrecht, § 568 II BGB (+)
- Berechtigtes Interesse, § 573 I BGB
-> Vermieter benötigt Wohnung für Familienangehörige (Eigenbedarf), § 573 II Nr. 1 BGB
a) Familienangehörige
Hier: Tochter
b) Benötigen
Hier: Tochter schwanger; Ein-Zimmer-Wohnung
c) Begründung, § 573 III BGB
Hier: Heirat und Name des Ehemannes nicht genannt. Folge: Umstände nicht berücksichtigungsfähig, § 573 III 1 BGB.
d) Kein Widerspruch des Mieters, § 574 BGB
-> Abwägung unter Ausblendung der Umstände, die vom Vermieter nicht angegeben wurden, § 574 III BGB.
Hier: Vier Monate Mietzeit; verheiratet; Kind drei Jahre alt -> wohl überwiegendes Interesse des M (andere Ansicht vertretbar).
- Kündigungsfrist, § 573c BGB
Darüber hinaus könnte die Kündigungsfrist nicht eingehalten worden sein.
-> Spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats, § 573c BGB
Hier: (wirksame) Kündigung durch Schreiben vom 05.05.2015 mit Wirkung zum 31.07.2015. Beendigung frühestens zum 30.08.2015 möglich.
III. Ergebnis: (-)
B. § 985 BGB
(-); Arg.: Mietvertrag = Recht zum Besitz
Abwandlung
V gegen M auf Schadensersatz iHv 500 Euro
A. § 280 I BGB
I. Schuldverhältnis
Hier: Mietvertrag
II. Pflichtverletzung
Hier: Ein Wohnungsschlüssel verloren
III. Vertretenmüssen, § 276 BGB (+)
IV. Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB
- Auch Austausch der Schlüsselanlage, sofern zu befürchten ist, dass Schließanlage nicht mehr sicher. Hier: Kein Hinweis auf Wohnung
- Außerdem: Kosten noch nicht angefallen und daher wohl noch nicht „kommerzialisierbar“
V. Ergebnis: (-)
B. § 823 I BGB
(-); Arg.: zumindest noch kein erstattungsfähiger Schaden.
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