Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
A ist Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in der baden-württembergischen Gemeinde G. Das Haus bietet Platz für 25 Personen. Für das Gebiet existiert kein B-Plan. In tatsächlicher Hinsicht finden sich in dem Gebiet nahezu ausschließlich Wohnhäuser. Als A erfährt, dass der Landkreis L, in dem sich die Gemeinde G befindet, eventuell Flüchtlinge aufnehmen wird, lässt er sein Mehrfamilienhaus in eine Unterkunft mit Gemeinschaftsküchen etc. umbauen, die geeignet ist, ca. 30 Flüchtlinge aufzunehmen. In der Folge schließt er einen Rahmenmietvertrag mit dem Landkreis.
Als der Nachbar N erfährt, dass bereits wenige Tage später die ersten Flüchtlinge eintreffen sollen, möchte er gerichtlich gegen die Flüchtlingsunterkunft vorgehen. Eine Flüchtlingsunterkunft habe in einer ruhigen Wohngegend nichts zu suchen. Außerdem bedürfe der A für diese Nutzung einer Genehmigung, die nicht vorliege. Insofern müsse die Behörde die Nutzung untersagen.
Der L, unterstützt durch den beigeladenen A, trägt vor, dass er, der L, ja schlecht gegen sich selbst eine Verfügung erlassen könne und dass die Nutzung in diesen Zeiten durchaus ein Belang von nationaler Bedeutung sei.
Wie wird das Verwaltungsgericht entscheiden?
Auf § 246 IX-XII BauGB wird hingewiesen.
Unverbindliche Lösungsskizze
A. Zulässigkeit
I. Verwaltungsrechtsweg, § 40 I 1 VwGO
Hier: LBO BW
II. Statthafte Verfahrensart
Endgültiger oder einstweiliger Rechtsschutz
Hier: Einstweiliger Rechtsschutz; Arg.: Eintreffen der Flüchtlinge am Montag§ 80 V VwGO oder § 123 I VwGO
Hier: § 123 I VwGO; Arg.: Verpflichtungsklage in Hauptsache statthaft, da Nutzungsuntersagungsverfügung der L gegen A (nicht gegen sich selbst) = VA§ 123 I 1 oder § 123 I 2 VwGO
Hier: wohl § 123 I 1 VwGO (Sicherungsverfügung)
III. Antragsbefugnis, § 42 II VwGO analog
Hier: Möglicher Anspruch des N auf Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung gegen A aus § 65 S. 2 LBO BW; Arg.: § 34 II BauGB i.V.m. § 15 I 2 BauNVO drittschützend
IV. Antragsgegner, § 78 I VwGO analog
V. Rechtsschutzbedürfnis (+)
B. Beiladung, § 65 II VwGO (+)
C. Begründetheit
I. Anordnungsanspruch
1. Anspruchsgrundlage, § 65 S. 2 LBO BW
Formelle Voraussetzungen
-> Verfahrens- und formgerechter Antrag bei der zuständigen Behörde (+)Materielle Voraussetzungen
a) Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften
-> Formelle Illegalität ausreichend (= Genehmigungsbedürftig, aber nicht genehmigt)
-> Genehmigungsbedürftigkeit, § 49 LBO BW
aa) Bauliche Anlage, § 2 LBO BW
bb) Errichten, Ändern, Nutzungsänderung, Beseitigen
Hier: Ändern und Nutzungsänderung
cc) Keine Ausnahme (+)
b) Rechtsfolge: Ermessen
-> Ein Ermessensfehler läge vor, wenn die Nutzungsänderung offensichtlich genehmigungsfähig wäre.
-> Evtl. Verstoß gegen das Bauplanungsrecht
aa) Bauplanungsrechtliche Situation
Hier: Faktisches reines Wohngebiet, § 34 II BauGB i.V.m. § 3 BauNVO
bb) Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit
(1) Regelbebauung, § 34 II BauGB, § 3 II BauNVO
- Problem: Flüchtlingsunterkunft als „Wohngebäude“ (Nr. 1)
- aA: (-)
- hM: (+), wenn nach den konkreten Umständen eine private Rückzugssphäre gewährt wird -> hier: (-)
(2) Ausnahmebebauung, §§ 34 II, 31 I BauGB, § 3 III BauNVO
-> „Anlage für soziale Zwecke“ (Nr. 2)
- Problem: Flüchtlingsunterkunft als „Anlage für soziale Zwecke“
- Dagegen: Gewinnerzielungsabsicht des A
- Aber: § 246 XI BauGB
(a) Baugebiet nach §§ 2-7 BauNVO (i.V.m. § 34 II BauGB)
Hier: § 34 II BauGB i.V.m. § 3 BauNVO (s.o.)
(b) Anlage für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen (+)
(c) Rechtsfolge: „in der Regel“ Zulassung
-> Von der Regel abweichende Umstände
- Fremder Kulturkreis (-);Arg.: typische für Flüchtlinge
- Lärmbelästigung/Störung (-); Arg.: ebenfalls keine Besonderheit der konkreten Flüchtlingsunterkunft
- Evtl. Möglichkeit, die Flüchtlinge anderswo störungsfrei unterzubringen (-)
- Vielmehr: Wichtige nationale Aufgabe
c) Ergebnis: (-)
- Ergebnis: (-)
II. Ergebnis: (-)
D. Ergebnis: (-)
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