Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
Ausgangsfall
A möchte seinen alten Mercedes verkaufen. Beim Golfspielen trifft er den Prokuristen P, der bei dem Autohaus B-GmbH beschäftigt ist. A und P werden sich einig, dass P das Auto des A für 18.000 Euro bekommen soll. Die Übereignung soll am nächsten Tag im Autohaus erfolgen. Als A am nächsten Tag im Autohaus erscheint, ist der P krankheitsbedingt nicht anwesend. Allerdings stößt der A auf den Mitarbeiter M, der bzgl. aller Geschäfte Vollmacht hat. A übergibt dem M das Fahrzeug samt aller dazugehöriger Schlüssel, behält aber den KfZ-Brief („Zulassungsbescheinigung Teil II“) bei sich, weil M erst nach Rücksprache mit P den Kaufpreis auszahlen möchte. Kurz darauf kommt der C in die Verkaufsräume der B-GmbH und entdeckt den Mercedes. M und C vereinbaren einen Kaufpreis von 25.000 Euro, den der C sofort bar bezahlt. Den Kfz-Brief lässt er sich nicht zeigen. Stolz fährt der C vom Hof.
Als A erfährt, dass die BGmbH Zahlungsschwierigkeiten hat, möchte er wissen, ob er gegen den C Herausgabeansprüche hat.
Abwandlung
Wie Ausgangsfall. Allerdings hat A, bevor er im Autohaus erscheint, erfahren, dass die BGmbH Zahlungsschwierigkeiten hat. Daher behält er sich ausdrücklich das Eigentum an dem Mercedes vor und verbietet dem M die Weiterveräußerung. Den Kfz-Brief behält er wieder ein. Dennoch veräußert der M den Mercedes an C, der sich den KfZ-Brief nicht zeigen lässt. C fährt bei einer Spritztour aus Unachtsamkeit gegen einen Baum, wodurch das Fahrzeug einen Totalschaden erleidet.
Hat A Schadensersatzansprüche gegen C?
Unverbindliche Lösungsskizze
Ausgangsfall: A gegen C auf Herausgabe des Kfz
A. § 985 BGB
I. Besitz des C
(+), § 854 I BGB
II. Eigentum des A
Ursprünglich: A
Eigentumserwerb der B-GmbH, § 929 S. 1 BGB
a) Wirksame Einigung
aa) Einigung A – B-GmbH
-> Stellvertretung durch M, §§ 164 ff. BGB
(1) Eigene Willenserklärung des M (+)
(2) Im fremden Namen
Hier: M handelte erkennbar für die B-GmbH und nicht für P, §§ 133, 157 BGB
(3) Im Rahmen der Vertretungsmacht
Hier: Vollmacht
bb) Wirksamkeit
Hier: Aufschiebende Bedingung, § 158 I BGB (konkludenter Eigentumsvorbehalt); Arg.: Einbehalten des Fahrzeugbriefs („Zulassungsbescheinigung Teil II“) kann nur so verstanden werden, dass erst mit vollständiger Kaufpreiszahlung das Eigentum übergehen soll.
b) Ergebnis: (-)
- Eigentumserwerb des C, § 929 S. 1 BGB
a) Einigung B-GmbH - C
(+);Arg.: Stellvertretung durch M, §§ 164 ff. BGB
b) Übergabe des Kfz (+)
- Übergabe des Kfz-Briefs nicht erforderlich; Arg.: „Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier“, § 952 BGB analog, und nicht umgekehrt.
c) Einigsein (+)
d) Berechtigung der B
(-), s.o.
e) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten, § 929 S. 1, 932 BGB
aa) Rechtsgeschäft i.S.e. Verkehrsgeschäfts (+)
bb) Rechtsscheinstatbestand
(+); Arg.: B hatte Besitz am Kfz, § 1006 I BGB
cc) Gutgläubigkeit, § 932 II BGB
(-); Arg.: Nichtvorlage des Kfz-Briefs = grob fahrlässig
dd) Ergebnis: (-)
f) Ergebnis: (-)
- Ergebnis: (+)
III. Kein Recht zum Besitz des C, § 986 BGB
Abgeleitetes Besitzrecht, § 986 I 1 2. Fall BGB
Hier: B im Verhältnis zu A aufgrund des Kaufvertrages unter Eigentumsvorbehalt ursprünglich zum Besitz berechtigt. Aber: Rücktritt, §§ 449 II, 323 I, 346 I BGB des A gegenüber B (erfolgt bzw. noch möglich).Eigenes Besitzrecht, § 986 I 1 1. Fall BGB
-> Anwartschaftsrecht des C
->Problem: Anwartschaftsrecht als Recht zum Besitz
- aA: (-)
- hM: (+)
- Streit kann dahinstehen, wenn C gar kein Anwartschaftsrecht (mehr) hat
a) Anwartschaftsrecht der B-GmbH
(+); Arg.: Erwerb unter Eigentumsvorbehalt
b) Übertragung auf C, § 929 S. 1 BGB analog
aa) Einigung B – C bzgl. Anwartschaftsrecht
- Eigentlich nur bzgl. „Eigentum“
- Aber: „Anwartschaftsrecht wesensgleiches Minus zum Vollrecht“
bb) Übergabe (+)
cc) Einigsein (+)
dd) Berechtigung der B-GmbH bzgl. des Anwartschaftsrechts (+)
c) Untergang des Anwartschaftsrechts durch Rücktritt
Hier: Rücktritt erfolgt bzw. noch möglich
- Ergebnis: (+)
IV. Ergebnis: (+)
B. Sonstige Herausgabe Ansprüche
I. § 861 BGB (-)
(-);Arg.: keine verbotene Eigenmacht
II. § 1007 I BGB
(+);Arg.: Bösgläubigkeit des C
III. § 1007 II BGB
(-); Arg.: kein Abhandenkommen
IV. §§ 823 I, 249 I BGB
(+); Arg.: insbesondere ist aufgrund der Bösgläubigkeit des C auch ein Verschulden anzunehmen.
V. § 812 I 1 1. Fall BGB
(-); Arg.: Keine Leistung A an C.
VI. § 812 I 1 2. Fall BGB
(-); Arg.: Leistung B an C.
Abwandlung: A gegen C auf Schadensersatz
I. EBV (zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung)
Besitz des C (+)
Eigentum des A
a) Ursprünglich: A
b) Eigentumserwerb der B-GmbH
(-);Arg.: ausdrücklicher Eigentumsvorbehalt, § 158 I BGB
c) Eigentumserwerb des C, § 929 S. 1 BGB
aa) Einigung (+)
bb) Übergabe (+)
cc) Einigsein (+)
dd) Berechtigung
(-); Arg.: B-GmbH weder Eigentümerin noch zur Weiterveräußerung ermächtigt, § 185 I BGB.
ee) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 929 S.1 , 932 BGB
(1) Rechtsgeschäft i.S.e. Verkehrsgeschäfts (+)
(2) Rechtsscheinstatbestand (+)
(3) Gutgläubigkeit des C, § 932 II BGB
(-); Arg.: Keine Vorlage des Kfz-Briefs
ff) Ergebnis: (-)
d) Ergebnis: (+)
- Kein Recht zum Besitz, § 986 BGB (+)
II. Verklagter/Bösgläubiger Besitzer
Hier: C bösgläubig (s.o.)
III. Unmöglichkeit der Herausgabe (+)
IV. Verschulden
Hier: Fahrfehler = Fahrlässigkeit, § 276 II BGB
V. Rechtsfolge: Schadenersatz, § 249 ff. BGB
Hier: 18.000 Euro
VI. Ergebnis: (+)
B. §§ 992, 823 I BGB
(-); Arg.: C nicht deliktischer Besitzer
C. § 823 I BGB
- Problem: Anwendbarkeit
- aA: (+); Arg.: Umkehrschluss aus § 993 I BGB a.E.
- hM: (-); Arg.: Umkehrschluss aus § 992 BGB
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen