OLG Hamm: Rechtsanwalt fälscht Urteil - Urkundenfälschung?

A. Sachverhalt (leicht abgewandelt)

C beauftragt den in Hamm als Rechtsanwalt niedergelassenen A damit, einen Restlohnanspruch gegenüber seiner ehemaligen Arbeitgeberin, der S-GmbH, geltend zu machen und etwaige Regressforderungen abzuwehren.

Abgesehen von einem diesbezüglich – erfolglos – an die S-GmbH gerichteten anwaltlichen Schreiben vom 24.02.2011 entfaltet A in dieser Angelegenheit infolge Arbeitsüberlastung wegen eines kurzfristig akquirierten und lukrativen Mandats keine anwaltliche Tätigkeit, obwohl ihm C am 28.02.2011 einen Kostenvorschuss in Höhe von 46,41 € überweist. Weitere Zahlungen leistet C nicht und werden von A auch nicht verlangt. Vielmehr lässt sich nicht ausschließen, dass er erst nach Vertragsabschluss wegen Arbeitsüberlastung die Ausführung des Mandatsauftrags unterlassen hat.

Auf die mehrfachen Erkundigungen des C nach dem Stand der Sache teilt A ihm in der Folgezeit bei verschiedenen Gelegenheiten bewusst wahrheitswidrig mit, dass er gegen die S-GmbH Klage beim Arbeitsgericht eingereicht und C - rechtskräftig - gewonnen habe, sich jedoch die Zwangsvollstreckung verzögere bzw. bislang erfolglos geblieben sei.

C begibt sich am 17.01.2013 selbst zum Arbeitsgericht Hamm, wo er erfährt, dass sich das fragliche - vermeintliche - Gerichtsverfahren nicht „im Computer finde“. C wird misstrauisch und sucht am 21.01.2013 die Kanzleiräume des A auf, um sich unter dem wahrheitswidrigen Vorwand, dass er das Urteil beim Finanzamt vorlegen müsse, eine Kopie der Gerichtsentscheidung aushändigen zu lassen. Nach einer telefonischen Rücksprache mit A sagt eine seiner Mitarbeiterinnen dem C, dass er das Urteil am folgenden Tag abholen könne.

A erkennt, dass seine Notlüge aufzufliegen droht, und weiß nicht, wie er ohne Gesichtsverlust aus dieser Geschichte wieder herauskommen soll. Außerdem möchte er C erneut „ruhigstellen“; Schadensersatzansprüche des C wegen der „schleppenden Mandatsausübung“ fürchtet er nicht. Deshalb entschließt er sich, mithilfe eines Computers ein Schriftstück zu erstellen, das wie die Abschrift eines gerichtlichen Urteils des Arbeitsgerichts Hamm aussieht. Er verwendet hierzu das fiktive Aktenzeichen 3 Ca 1431/11 und erstellt unter Verwendung des Wappens und der gerichtstypischen Schriftart ein angebliches “Anerkenntnisurteil” des Arbeitsgerichts Hamm vom 05.12.2011. Nach dem Rubrum, in dem C als Kläger, A als sein Prozessbevollmächtigter und die S-GmbH, vertr. d.d. Geschäftsführer S2 und T2 als Beklagte aufgeführt ist, heißt es weiter:

“hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Hamm ohne mündliche Verhandlung am 05.12.2011 durch die Richterin am Arbeitsgericht Müller als Vorsitzende für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als weiteren Lohn für den Zeitraum vom 01.02.2011 bis zum 04.03.2011 einen Betrag in Höhe von 2.040,00 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2011 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Der Streitwert wird auf 2.040,00 € festgesetzt.

Urteil ohne Tatbestand  und Entscheidungsgründe  gem. §§ 313 b Abs.  1, 307 ZPO , 46 Abs. 2 , 55 Abs.  1 Nr. 3 ArbGG. “

Es folgt dann der Text einer

“RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Anerkenntnisurteil kann von der beklagten Partei Berufung ….”

und anschließend mittig unten auf der Seite 2 des Urteils - ohne Unterschrift - der Namenszug der Richterin:

“Müller”

Dieses Schreiben druckt A aus und versieht es anschließend oben auf der ersten Seite mittig mit einem Stempelaufdruck “Abschrift”. Einen Beglaubigungsvermerk, das Wort “Ausfertigung” oder einen weiteren Stempelaufdruck mit der Bezeichnung des Gerichts bringt er nicht an.

Dann legt A die “Urteilsabschrift” – das lässt sich nicht mehr aufklären – entweder im “Original” in einen Briefumschlag oder er kopiert es noch einmal und legt nur die Kopie der “Abschrift” in den Umschlag, der C dann am 22.01.2013 durch eine Kanzleimitarbeiterin zusammen mit der “Urteilsabschrift” oder der Kopie derselben überreicht wird.

In der Folgezeit zahlt die S-GmbH an C einen Teilbetrag von 553,88 Euro, den sie bereits in einem früheren Schreiben selbst als unstreitig bezeichnet hatte. Es lässt sich nicht mehr feststellen, ob ein gerichtliches Vorgehen gegen die S-GmbH zu einer höheren oder früheren Zahlung der S-GmbH an C geführt hätte.

Strafbarkeit des A?

 

B. Die Entscheidung des OLG Hamm (Beschl. v. 12.05.2016 – 1 RVs 18/16)

I. Strafbarkeit wegen Betruges gemäß § 263 I StGB

Indem A mit C den Mandatsvertrag abschloss, könnte er sich wegen eines (Eingehungs-) Betruges gegenüber und zu Lasten des C strafbar gemacht haben.

Für einen Täuschungsvorsatz des A, wonach er von vornherein geplant hatte, seine Verpflichtungen aus dem Mandatsvertrag (§§ 675, 611 BGB) nicht zu erfüllen, gibt es keine Anhaltspunkt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er erst nach Vertragsabschluss wegen Arbeitsüberlastung die Ausführung des Mandatsauftrags unterlassen hat.

Eine Strafbarkeit wegen Betruges scheidet insofern aus.

II. Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 I StGB

Indem A den Mandatsvertrag nicht bzw. nur nachlässig und schleppend erfüllte, könnte er sich wegen Untreue gemäß § 266 I StGB strafbar gemacht haben.

Dazu müsste A zunächst die durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen des C zu verfügen missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, die Vermögensinteressen des C wahrzunehmen, verletzt haben.

In einer Entscheidung aus dem Jahr 1982 hat der BGH entschieden, dass die nachlässige Mandatsausübung durch einen Rechtsanwalt die Strafbarkeit wegen Untreue begründen kann. Die – nach h.M. für beide Varianten des § 266 I StGB notwendige – Vermögensbetreuungspflicht ergebe sich dabei aus dem Mandatsvertrag (siehe auch § 43a V 1 BRAO):

„Der BGH hat mehrfach eine Treuepflicht i.S.d. § 266 StGB angenommen, wenn die Amtsstellung oder rechtsgeschäftliche Vereinbarungen den Täter zur Einziehung oder Durchsetzung von Forderungen verpflichteten (BGH, Urt. v. 14.02.1955 - 3 StR 459/54; v. 29.03.1955 - 1 StR 725/54; v. 07.04.1964 - 5 StR 17/64; s. ferner RGSt 72, 347; Hübner, in: LK, § 266 Rn. 29). Ob das Rechtsverhältnis zwischen einem mit der Führung eines bürgerlichen Rechtsstreits beauftragten Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber immer ein Treueverhältnis i.S.d. § 266 StGB entstehen läßt, hat der BGH bisher offengelassen (BGH, LM § 266 Nr. 35). Er hat jedoch betont, daß dies im Einzelfall durchaus der Fall sein kann. Der Senat braucht die Frage auch jetzt nicht allgemein zu entscheiden, da jedenfalls hier das die Untreue begründende Merkmal fremdnütziger Vermögensfürsorge (BGH, GA 1977, 18 (19); Lenckner, in: Schönke-Schröder, § 266 Rn. 23, 25) vorliegt. Der Angekl. hatte eine Geldforderung von beträchtlicher Höhe geltend zu machen. Er war damit wegen seiner besonderen Sachkunde betraut; der Unfallgegner hatte ein Verschulden in Abrede gestellt. Wie er die Forderung durchsetzte, war ihm überlassen; an besondere Weisungen oder Beschränkungen war der Angekl. nicht gebunden. Auch zum Abschluß eines Vergleichs war er ermächtigt. Inhalt und Bedeutung des Mandats hoben es somit in den Rang selbständiger Geschäftsbesorgung. In einem solchen Fall besteht ein Treueverhältnis.“ (Urt. v. 11.11.1982 - 4 StR 406/82)

Dabei hat er im Ergebnis offen gelassen, ob es sich dabei um einen Fall der § 266 I Var. 1 StGB (Missbrauchstatbestand) oder der § 266 I Var. 2 StGB (Treubruchstatbestand) handelt:

„Dabei kann die Frage, ob in dem Unterlassen des Angekl. ein Mißbrauch ihm rechtsgeschäftlich eingeräumter Verfügungsmacht (§ 266 I Alt. 1 StGB) oder die Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen (§ 266 I Alt. 2 StGB), zu sehen ist, offenbleiben. Im Hinblick auf den mit dem Untreuetatbestand bezweckten möglichst lückenlosen strafrechtlichen Schutz für das Vermögen ist nämlich bei nicht eindeutig auszugrenzenden Mißbrauchsformen nach der Rechtsprechung des BGH letztlich von einem Treubruchstatbestand auszugehen (vgl. Hübner, in: LK, 10. Aufl., § 266 Rn. 5 ff., 16, 72, 78 und Lenckner, in: Schönke-Schröder, StGB, 21. Aufl., § 266 Rn. 2, 16 m.w.N.).“

Allerdings kann nicht festgestellt werden, dass dem C durch die nachlässige Mandatsausübung ein Nachteil entstanden ist. Die S-GmbH hat dem C einen Teil des geforderten Betrages gezahlt. Dass eine gerichtliche Geltendmachung zu einer höheren oder früheren Zahlung geführt hätte, ist nicht feststellbar. [Anm.: Das OLG Hamm verhält sich nicht zu § 266 StGB. Der Sachverhalt wurde an dieser Stelle leicht abgewandelt.]

Eine Strafbarkeit wegen Untreue scheidet demnach aus.

III. Strafbarkeit wegen versuchten Betruges gemäß §§ 263 I, II, 22, 23 StGB

Indem A die „Urteilsabschrift“ C vorlegte, um vermeintliche Aktivitäten zu Gunsten des C zu dokumentieren, könnte er sich wegen versuchten Betruges gegenüber und zum Nachteil des C gemäß §§ 263 I, 22, 23 StGB strafbar gemacht haben.

Allerdings fehlt dem A jedenfalls die Absicht rechtswidriger Bereicherung. Weder hat er (weitere) Zahlungen des C verlangt noch wollte er den C dadurch davon abbringen, eventuelle Schadensersatzansprüche aus dem Mandatsvertrag gegen A durchzusetzen. Das Handeln des A wurde nicht durch finanzielle Interessen geleitet; vielmehr handelte A nur, um einen Gesichtsverlust zu verhindern.

Eine Strafbarkeit wegen versuchten Betruges scheidet demnach aus.

IV. Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 I Var. 1 StGB

Indem A die „Urteilsabschrift“ erstellte und C vorlegte, könnte er sich wegen Urkundenfälschung in der Variante des Herstellens einer unechten Urkunden gemäß § 267 I Var. 1 StGB strafbar gemacht haben.

Dazu müsste A eine unechte Urkunde hergestellt haben. Bei der „Urteils-Abschrift“ müsste es sich also um eine Urkunde gehandelt haben. Urkunde i.S.d. § 267 StGB ist jede verkörperte Gedankenerklärung (Perpetuierungsfunktion), die den Aussteller erkennen lässt (Garantiefunktion) und zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt und geeignet ist (Beweisfunktion).

Fraglich ist bereits, ob die „Urteilsabschrift“ eine verkörperte Gedankenerklärung enthält.

Dabei lässt sich jedenfalls nicht ohne Weiteres darauf abstellen, dass die „Urteils-Abschrift“ die Erklärung „S-GmbH wird zur Zahlung rückständigen Lohns an C verurteilt“ enthält. Denn diese Erklärung enthält zwar das Originalurteil, nicht aber eine Abschrift. Abschriften geben nur wieder, was im Original enthalten ist und verkörpern keine eigene Gedankenerklärung. Deswegen ist weitgehend anerkannt, dass eine einfache (Urteils-) Abschrift grundsätzlich  keine Urkunde i.S.v. § 267 StGB darstellt:

„Im Ausgangspunkt zutreffend hat bereits das Landgericht ausgeführt, dass nach allgemeiner Auffassung eine einfache Abschrift im Unterschied insbesondere zu Ausfertigungen oder - als zusammengesetzte Urkunden zu bewertenden - beglaubigten Abschriften regelmäßig keine Urkunde darstellt, weil sie nicht die Erklärung des Ausstellers des Originals verkörpert, sondern lediglich wiedergibt, was (vermeintlich) in einem anderen Schriftstück verkörpert ist (…).“

Abschriften sind nur dann Urkunden, wenn

„sie kraft gesetzlicher Bestimmung an die Stelle der Urschrift treten oder sie als die von dem angeblichen Aussteller herrührende Urschrift ausgegeben oder unter Umständen verwendet werden, die den Anschein erwecken können und sollen, als sei die Abschrift von dem Aussteller der Urschrift oder doch wenigstens mit seiner Zustimmung zu dem Zweck hergestellt worden, im Rechtsleben als Ersatz der Urschrift zu dienen (…).“

Fraglich ist, ob diese besonderen Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind.

Dagegen spricht, dass das von A erstellte Schriftstück nicht als die von dem angeblichen Aussteller herrührende Urschrift, sondern lediglich als Abschrift eines arbeitsgerichtlichen Urteils ausgegeben wurde. Durch den Stempelaufdruck „Abschrift“ hat er das Schriftstück ausdrücklich als solche bezeichnet und damit deutlich von der Urschrift abgegrenzt.

In der Berufungsinstanz hat die kleine Strafkammer des Landgerichts (§§ 74 III, 76 I GVG) darauf abgestellt, dass nach § 46 II ArbGG i.V.m. § 317 II 2 ZPO Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften von Urteilen nicht erteilt werden dürfen, solange das Urteil nicht verkündet und nicht unterschrieben ist. Daraus ergebe sich, dass eine Urteils-Abschrift die Parteien über den Verfahrensstand unterrichte und die Erklärung beinhalte, dass tatsächlich ein Urteil in der Sache in der Welt sei.

Dem widerspricht der Strafsenat des OLG (§§ 121 I Nr. 1b, 122 I GVG):

„Denn schon in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung war geklärt, dass allein die mit einer einfachen Abschrift bzw. deren Vorlage verbundene Behauptung des Vorlegenden, dass eine Urkunde des aus der Abschrift ersichtlichen Inhalts existiere, nicht genügt, um diese einfache Abschrift selbst als Urkunde im strafrechtlichen Sinne anzusehen (so bereits RG, Urt. v. 19.02.1883, Anm. 7, 322, 324, zit. n. Kienapfel, a.a.O., S. 288; Siepmann, a.a.O., S. 27, 32). Gerade in einer dem vorliegenden Sachverhalt weitgehend vergleichbaren Konstellation, in der durch die Vorlage einer einfachen Abschrift der Glaube hervorgerufen werden soll, man habe das Original in seiner Verwahrung und wolle den Adressaten vorläufig über dessen Inhalt unterrichten - und nach dem Verständnis des Senats stellt das Landgericht in der Sache maßgeblich gerade auf diesen Aspekt ab -, scheidet danach die Annahme einer Urkundenfälschung aus, selbst wenn dieser einfachen Abschrift im konkreten Fall eine Beweiserheblichkeit zukommen kann (vgl. RGSt 26, 270, 272; Siepmann, a.a.O., S. 24). Dem steht vorliegend auch nicht der von der Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hervorgehobene Aspekt entgegen, dass der Angeklagte hier zu einer entsprechenden Unterrichtung bzw. Information des Zeugen C sowohl vertraglich als auch berufsrechtlich verpflichtet gewesen sein dürfte; denn auch wenn der Angeklagte sich der wahrheitsgemäßen Erfüllung dieser Verpflichtungen durch eine Täuschung entzogen hat, lässt allein dies noch nicht darauf schließen, dass es sich bei dem hierfür erstellten und verwandten Schriftstück auch um eine Urkunde i.S.d. § 267 StGB handelt. (…)

Allein der Umstand, dass mit der Vorlage einer einfachen Urteilsabschrift unter Berücksichtigung der Regelung des § 317 II ZPO nicht nur eine Täuschung über die bloße Existenz einer diesbezüglichen Urschrift, sondern auch über deren ordnungsgemäße Unterschrift und Verkündung verbunden sein mag, ist nach Auffassung des Senats nicht geeignet, hier eine Urkundenfälschung zu begründen. Denn der vermeintliche Unterschied zur vorgenannten Konstellation der Vorlage von Abschriften sonstiger - vermeintlicher - Urkunden beschränkt sich bei näherer Betrachtung auf die sprachliche Präzisierung, dass auch bei der Vorlage solcher Abschriften regelmäßig darüber getäuscht werden dürfte, dass die vermeintlichen Urschriften jeweils ordnungsgemäß zur Existenz gelangt sind.“

Eine einfache Abschrift genügt auch nicht, um Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzuleiten; dafür bedarf es einer vollstreckbaren Ausfertigung (§ 62 II ArbGG i.V.m. § 724 ZPO). Einfache Urteilsabschriften treten gerade nicht wie Ausfertigungen kraft gesetzlicher Bestimmung an die Stelle der bei den Gerichtsakten verbleibenden Urschrift eines gerichtlichen Urteils. Auch daraus kann sich also eine eigenständige – in der Abschrift verkörperte – Gedankenerklärung nicht ergeben.

Schließlich könne auch die praktische Bedeutung einfacher Abschriften von gerichtlichen Entscheidungen die Urkundenqualität des von A hergestellten Schriftstücks nicht begründen. Zwar mag der Rechtsverkehr de facto Abschriften eine gewisse Bedeutung beimessen, daraus ergebe sich aber nicht, dass es sich auch de iure um eine Urkunde handele:

„Der Senat hat auch die in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 09.03.2016 grundsätzlich zutreffend hervorgehobene erhebliche praktische Bedeutung auch einfacher Abschriften von gerichtlichen Entscheidungen für den Rechtsverkehr bedacht. Der Umstand, dass im alltäglichen Leben mittlerweile verschiedenen Arten von Schriftstücken wie z.B. Fotokopien, Telefaxschreiben oder (ausgedruckten) Emails erhebliche Bedeutung bzw. auch ein erheblicher Beweiswert beigemessen wird, begründet jedoch nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich noch nicht deren Urkundsqualität (vgl. nur Fischer, a.a.O., § 267 Rn. 19 ff. m.w.N. auch zu abweichenden Auffassungen). In diesem Zusammenhang vermag der Senat letztlich auch nicht das von der Generalsstaatsanwaltschaft angeführte Argument zu teilen, dass der Rechtsverkehr bei gerichtlichen Entscheidungen im Grundsatz auch auf die Vorlage von einfachen Abschriften vertrauen müsse. Denn es besteht für den jeweiligen Teilnehmer am Rechtsverkehr durchaus die Möglichkeit, die Vorlage von beglaubigten Abschriften oder Ausfertigungen zu verlangen; genügt ihm als Nachweis gleichwohl eine einfache Abschrift einer z.B. tatsächlich nicht existenten Urschrift, mag zwar eine gegebenenfalls nach § 263 StGB strafbare Täuschung durch den Vorlegenden anzunehmen sein, bei der aber regelmäßig keine Urkunde i.S.d. § 267 StGB Verwendung gefunden hat (vgl. bereits Binding, zit.n. Kienapfel, a.a.O., S. 360 Fn. 72: „Der Verkehr ist … ohnmächtig, zur Urkunde zu machen, was keine Urkunde ist, dagegen allmächtig, sich beweisen zu lassen, wie er will“).“

Das von A hergestellte Schriftstück, die „Urteils-Abschrift“, enthält damit schon keine eigene verkörperte Gedankenerklärung. Auf die Fragen, ob das Schriftstück seinen (vermeintlichen) Aussteller erkennen lässt (Garantiefunktion) und ob eine Urteils-Abschrift im Rechtsverkehr zum Beweis geeignet und bestimmt ist (Beweisfunktion), kommt es damit nicht mehr an. Es handelt sich nicht um eine (unechte) Urkunde i.S.v. § 267 I StGB.

Eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung scheidet demnach ebenso aus.

C. Fazit

Nach dem „Scannerkassen-Fall“ aus dem Jahr 2013 eine weitere Entscheidung des OLG Hamm, die das Zeug zu einem Lehrbuch-Klassiker hat. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch dieser Fall in Prüfungsaufgaben einfließen wird. Gute Bearbeitungen werden sich dabei durch eine saubere Subsumtion unter den Urkundenbegriff und seine Elemente auszeichnen.

Für die mündliche Prüfung sollte man noch wissen, dass dem A gegebenenfalls anwaltsgerichtliche Sanktionen drohen (§§ 113, 43, 43a BRAO).