Examensreport: ZR II 1. Examen aus dem April 2016 Durchgang in Hamburg

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

Käufer K sucht nach einem Oldtimer und entdeckt bei dem V ein sehr schönes Model der Marke Volkswagen. Das Fahrzeug verkauft V als Privatperson. Sie einigen sich im März 2015 auf einen Kaufpreis von 5000 €. K bezahlt den Kaufpreis in bar und fährt mit dem Auto davon.

Ein Jahr später wird bei dem Oldtimer die Abgasuntersuchung fällig. Dabei stellt der Angestellte in der Werkstatt fest, dass der Oldtimer einen Unfallschaden hat. Dieser ist zwar fachgerecht repariert worden, das Auto hat jedoch einen - für den Laien nicht erkennbaren - dauerhaften Rahmenschaden. K ist verärgert darüber, weil er den V ausdrücklich nach Unfallschäden gefragt hat und dieser dies wider besseren Wissens verneint hat.

Des Weiteren zahlt K 1000 € für eine kleine Reparatur. Hätte er diese nicht vorgenommen, hätte das Fahrzeug die TÜV-Plakette nicht bekommen.

Aufgrund der Ereignisse ist K verärgert und erklärt am 16. März 2016 gegenüber V, dass er das Fahrzeug zurückgeben möchte. Er verlangt von V

 1. Rückzahlung des Kaufpreises

 2. Ersatz der Kosten für die Reparatur beim TÜV in Höhe von 1000 €

 3. Zinserträge in Höhe von 150€ bezüglich des Kaufpreises. K trägt wahrheitsgemäß vor, dass 
bei risikolosen, öffentlich beworbenen Fonds von Stadtsparkassen ein Zinssatz von 3 % angeboten wird. Bei einer Laufzeit für ein Jahr würde man somit auf einen Ertrag von 150 € kommen.

V ist bereit, das Fahrzeug zurückzunehmen. Jedoch sieht er es nicht ein, weshalb er die Kosten für die Reparatur tragen solle.
 K und V vereinbaren, dass V das Fahrzeug am 15. April bei K abholt. Aufgrund geschäftlicher Termine des V kommt es jedoch nicht zu der Abholung. In der Nacht auf den 16. April wird das Fahrzeug aus der Tiefgarage des K gestohlen. Das Fahrzeug ist unauffindbar.

V führt aus, dass K die Schuld daran trage, weil er das Fenster nicht hochgekurbelt hätte. Tatsächlich war es so, dass aufgrund eines mechanischen Defekts das Hochkurbeln nur unter erheblichem Kraftaufwand möglich war. K behauptet hingegen, dass er das Fenster hochgekurbelt hat und somit keine Schuld daran tragen würde.
 Es ist nicht festzustellen, ob die Ausführungen des K oder des V der Wahrheit entsprechen.

V macht ferner geltend, dass er den Kaufpreis mit einer Anlage verzinst hat, die ihm nur 0,2 % Zinsen eingebracht hat. Insofern will er auf keinen Fall mehr bezahlen. Außerdem schulde ihm K vielmehr Ersatz für die gefahrenen Kilometer (5000 km), die - der Höhe nach angemessen - mit 10 Cent pro Kilometer anzusetzen sind; mithin 500 €.

Zu prüfen sind alle Ansprüche zwischen K und V.
 Soweit durch die Erklärung des K vom 16. März 2016 mehrere Gestaltungsrechte in Betracht kommen, die sich gegenseitig ausschließen, so sind unter Zugrundelegung des jeweiligen Gestaltungsrechts alle Ansprüche zu prüfen.

Unverbindliche Lösungsskizze

1. Teil: Rechtliche Würdigung bei Zugrundelegung einer Rücktrittserklärung

A. Ansprüche des K gegen V

I. Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 5.000 Euro, §§ 437 Nr. 2, 1. Fall, 323, 326 V, 346 I 1. Fall BGB

  1. Anspruch entstanden

a) Wirksamer Kaufvertrag (+)

b) Mangel

Hier: Unfallwagen, § 434 I 1 bzw. 434 I 2 Nr. 2 BGB

c) Zum maßgeblichen Zeitpunkt (+)

d) Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung, § 323 I BGB (-), aber: § 326 V BGB

e) Kein Ausschluss aa) Vertraglich (-)

bb) Gesetzlich

-> Kenntnis des K, § 442 BGB (-)

f) Rücktrittserklärung (+)

g) Keine Einrede der Unwirksamkeit, § 218 BGB (+)

  1. Anspruch nicht erloschen (+)

(Aufrechnung, §§ 387 ff. BGB, mit eventuellen Gegenansprüchen des V zumindest nicht erklärt.)

  1. Anspruch durchsetzbar (+)

(Zurückbehaltungsrecht, §§ 348, 320, 322 BGB, wegen eventueller Gegenansprüche des V zumindest nicht geltend gemacht.)

  1. Ergebnis: (+)

II. Ersatz für die Kosten der Reparatur, §§ 437 Nr. 2. 1. Fall, 323, 326 V, 347 II 1 BGB 1. Wirksamer Rücktritt (+)

  1. Notwendige Verwendungen (+)

  2. Rückgabe des Gegenstandes, Leistung von Wertersatz oder Ausschluss des Wertersatzes nach § 346 III Nr. 1 oder 2 BGB (-)

  3. Ergebnis: (-)

III. Herausgabe von Zinsen iHv 150 Euro

  1. §§ 437 Nr. 2, 1. Fall, 323, 326 V, 346 I 2. Fall BGB

a) Wirksamer Rücktritt (+)

b) Gezogene Nutzungen

aa) Nutzung, § 100 BGB

(+); Arg.: Zinsen = Früchte des Geldes

bb) Gezogen

Hier: nur 0,2 % p.a. auf 5.000 Euro = 10 Euro.

c) Ergebnis: (+), aber nur in Höhe von 10 Euro

  1. §§ 437 Nr. 2, 1. Fall, 323, 326 V, 347 I 1 BGB

a) Wirksamer Rücktritt (+)

b) Nicht gezogene Nutzungen (+)

c) Entgegen den Regeln der ordnungsgemäßen Wirtschaft (+)

d) Möglichkeit (+)

e) Keine Einschränkung, § 347 II 2 BGB

aa) Gesetzliches Rücktrittsrecht (+)

bb) Beobachtung der eigenüblichen Sorgfalt, § 277 BGB

Hier: Das Verhalten des V bzgl. der Geldanlage entsprach seinem üblichen Verhalten und war auch nicht grob fahrlässig.

f) Ergebnis (-)

B. Ansprüche V gegen K

I. Wertersatz, §§ 437 Nr. 2, 1. Fall, 323, 326 V, 346 II 1 Nr. 3 BGB

  1. Wirksamer Rücktritt (+)

  2. Verschlechterung/Untergang Hier: Diebstahl

  3. Kein Ausschluss, § 346 III BGB -> Nr. 3

a) Gesetzliches Rücktrittsrecht (+)

b) Beobachtung der eigenüblichen Sorgfalt, § 277 BGB

  • Problem: Beweislast für die tatsächlichen Umstände

  • Hier: K trägt die Beweislast; Arg.: Ausnahmetatbestand (a.A. vertetbar; Arg.: V befand sich im Annahmeverzug)

  1. Ergebnis: (+)

II. Schadensersatz, §§ 437 Nr. 2, 1. Fall, 323, 326 V, 280 I, II, 283 BGB

  1. Wirksamer Rücktritt (+)

  2. Pflichtverletzung

Hier: Nachträgliche Unmöglichkeit

  1. Vertretenmüssen
  • Grundsatz: Vorsatz und jede Fahrlässigkeit, § 276 BGB

-Ausnahme: Haftung nur für die eigenübliche Sorgfalt, § 277 BGB, bei Annahmeverzug des Gläubigers (V)

  • Problem: Beweislast für die tatsächlichen Umstände

  • Hier: Beweislastumkehr, § 280 I 2 BGB, d.h., K muss beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft (a.A. vertretbar; Arg.: V befand sich im Annahmeverzug)

  1. Rechtsfolge: Schadensersatz

Hier: Wert des Fahrzeuges

III. Ersatz für die gefahrenen Kilometer i.H.v. 500 Euro, §§ 437 Nr. 2, 1. Fall, 323, 326 V, 346 I 2. Fall, 346 II 1Nr. 1 BGB

  1. Wirksamer Rücktritt (+)

  2. Nutzungen, § 100 BGB (+)

  3. Herausgabe nach der Natur des Erlangten nicht möglich (+)

  4. Kein Ausschluss, § 346 III BGB (+)

  5. Ergebnis: (+)

2. Teil: Rechtliche Würdigung bei Zugrundelegung einer Anfechtungserklärung A. Ansprüche des K gegen V

I. Rückzahlung des Kaufpreises, § 812 I 1 1. Fall BGB (bzw. § 812 I 2. 1. Fall BGB)

  1. Etwas erlangt (+)

  2. Durch Leistung (+)

  3. Ohne Rechtsgrund

Hier: Kaufvertrag

Aber: Anfechtung, §§ 142, 119 ff. BGB

a) Anfechtungsgrund

-> Arglistige Täuschung, § 123 I 1. Fall BGB

aa) Arglistige Täuschung durch V (+)

bb) Widerrechtlich (+)

cc) Kein Ausschluss, § 123 II BGB (+)

b) Anfechtungserklärung (+)

c) Kein Ausschluss der Anfechtung (+)

  1. Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten (bzw. Wertersatz)

  2. Kein Ausschluss

a) Kenntnis des K, § 814 BGB (-)

b) Gesetzesverstoß/Sittenwidrigkeit (-)

c) Entreicherung, § 818 III BGB (-)

d) Saldotheorie

(-); Arg: Arglist des V

  1. Ergebnis: (+)

II. Ersatz der Kosten für die Reparatur

  1. §§ 683 S. 1, 670 BGB

(-); Arg.: zumindest kein Fremdgeschäftsführungswille

  1. §§ 994 ff. BGB (-); Arg.: kein EBV (da keine Anfechtung des dinglichen Rechtsgeschäfts); kein selbständiger Anspruch, § 1001 BGB.

3. §§ 812 ff. BGB

(-); Arg.: Verwendungsersatzansprüche nicht vorgesehen.

III. Zinsen i.H.v. 150 Euro, §§ 812 I 1 1. Fall, 818 I 2. Fall BGB - Nur in Höhe der tatsächlich gezogenen Zinsen (10 Euro)

B. Ansprüche des V gegen K

I. Wertersatz für den PKW, §§ 812 I 1 1. Fall, 818 II BGB

  1. Etwas erlangt

Hier: Besitz und Eigentum an dem Pkw

  1. Durch Leistung des V (+)

  2. Ohne Rechtsgrund

  3. Rechtsfolge: Herausgabe/Wertersatz, § 818 II BGB

  4. Kein Ausschluss

Hier: § 814 BGB; Arg: Kenntnis der Anfechtbarkeit, § 142 II BGB

  1. Ergebnis: (-)

II. Ersatz der gefahrenen Kilometer

-> §§ 812 I 1 1. Fall, 818 II BGB (-); Arg.: § 142 II BGB