<h2>Aufbau der Pr&uuml;fung - Verstoß gegen die guten Sitten, &sect; 138 BGB</h2>

<p>Der Versto&szlig; gegen die guten Sitten ist in &sect; 138 BGB geregelt und stellt eine rechtshindernde Einwendung dar. Der Versto&szlig; gegen die guten Sitten ist in drei Schritten zu pr&uuml;fen: Anwendbarkeit, Voraussetzungen und Rechtsfolgen.&nbsp;</p>

<h3>A. Anwendbarkeit</h3>

<p>In der Anwendbarkeit setzt der Versto&szlig; gegen die guten Sitten zun&auml;chst voraus, dass keine speziellere Regelung einschl&auml;gig ist. Gegen&uuml;ber &sect; 138 I BGB sind sowohl der Versto&szlig; gegen ein gesetzliches Verbot, die Vorschriften &uuml;ber die AGB-Kontrolle, vgl. &sect;&sect; 305 ff. BGB, sowie die speziellere Vorschrift des Wuchers nach &sect; 138 II BGB vorrangig. Wenn also keine Individualabrede gegeben ist, sondern vorformulierte Vertragsbedingungen vorliegen, dann sind ausschlie&szlig;lich die AGB-Vorschriften, insbesondere &sect; 307 BGB, zu pr&uuml;fen.&nbsp;</p>

<h3>B. Voraussetzungen</h3>

<p>Weiterhin verlangt der Versto&szlig; gegen die guten Sitten einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand.</p>

<h3>I. Objektiv</h3>

<p>Objektiv fordert Absatz 1 der Norm einen <strong>Versto&szlig; gegen die guten Sitten</strong>. Dies bedeutet, dass das Rechtsgesch&auml;ft gegen das Anstandsgef&uuml;hl aller billig und gerecht Denkenden versto&szlig;en muss. Hier gibt es bestimmte Fallgruppen. Beispiel: Die krasse finanzielle &Uuml;berforderung des B&uuml;rgen, der Familienangeh&ouml;riger ist, f&uuml;hrt grunds&auml;tzlich zur Sittenwidrigkeit des B&uuml;rgschaftsvertrags.</p>

<h3>II. Subjektiv</h3>

<p>In subjektiver Hinsicht setzt der Versto&szlig; gegen die guten Sitten zumindest die Kenntnis der Umst&auml;nde, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt, voraus. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass der Betreffende die Sittenwidrigkeit selbst will.&nbsp;</p>

<h3>C. Rechtsfolge: Nichtigkeit</h3>

<p>Als Rechtsfolge hat der Versto&szlig; gegen die guten Sitten die Nichtigkeit des Rechtsgesch&auml;fts zur Folge. Beispiel: Nichtigkeit des schuldrechtlichen B&uuml;rgschaftsvertrags. Hierbei ist zu beachten, dass Verpflichtungs- und Verf&uuml;gungsgesch&auml;ft gesondert zu pr&uuml;fen sind. Ist das Verpflichtungsgesch&auml;ft nichtig, so ist zu pr&uuml;fen, ob das Verf&uuml;gungsgesch&auml;ft an demselben Fehler leidet. Die Sittenwidrigkeit des schuldrechtlichen Rechtsgesch&auml;fts f&uuml;hrt somit nicht automatisch zur Sittenwidrigkeit des dinglichen Rechtsgesch&auml;fts. Dieses kann auch neutral sein.&nbsp;</p>

<p>Wie im Rahmen des Versto&szlig;es gegen ein Verbotsgesetz ist auch bei der Sittenwidrigkeit im Rahmen der R&uuml;ckabwicklung &uuml;ber das Bereicherungsrecht &sect; 817 S. 1, 2 BGB zu ber&uuml;cksichtigen.&nbsp;</p>


Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.

BGB AT

Zivilrecht

Verstoß gegen die guten Sitten, § 138 I BGB

Rechtshindernde Einwendungen

<h2>Überblick - Fallgruppen der Sittenwidrigkeit</h2>

<p>Im Rahmen des &sect; 138 I BGB existieren unterschiedliche Fallgruppen der Sittenwidrigkeit.&nbsp;</p>

<h3>I. Krasse finanzielle &Uuml;berforderung des B&uuml;rgen</h3>

<p>Zu den Fallgruppen der Sittenwidrigkeit geh&ouml;rt beispielsweise die krasse finanzielle &Uuml;berforderung des B&uuml;rgen, zumindest bei nahen Angeh&ouml;rigen, die verm&ouml;genslos sind. Beispiel: A ist Unternehmer und m&ouml;chte sein Europagesch&auml;ft aufbauen und braucht daf&uuml;r einen Kredit in Millionenh&ouml;he. Also schleppt er seine Ehefrau mit zum Termin. Alles l&auml;uft glatt, A soll den Kredit bekommen, da f&auml;llt der Blick auf seine Frau, die &uuml;ber kein eigenes Verm&ouml;gen oder Einkommen verf&uuml;gt. Sodann sagt der Bankangestellte: &bdquo;B&uuml;rgen Sie doch f&uuml;r ihren Mann. Dies ist eine reine Formalit&auml;t und sie lieben ihn doch auch.&ldquo; Hier liegen unterschiedliche F&auml;lle der Fallgruppen der Sittenwidrigkeit vor. Zum einen die Verharmlosung des Haftungsrisikos, zum anderen die Ausnutzung der emotionalen Verbundenheit. Ausreichend ist jedoch bereits die krasse finanzielle &Uuml;berforderung, da die Ehefrau des A noch nicht einmal in der Lage sein wird, die Zinsen des Darlehens zu zahlen.&nbsp;</p>

<h3>II. &Uuml;bersicherung</h3>

<p>Auch zu den Fallgruppen der Sittenwidrigkeit geh&ouml;rt die &Uuml;bersicherung. Beispielsfall: A nimmt einen Kredit &uuml;ber 100.000 Euro auf. Da A keine anderen Sicherheiten zu bieten hat, tritt er alle k&uuml;nftigen Forderungen, die er aus seinem Erwerbsgesch&auml;ft erzielt, schon jetzt zur Sicherheit an die Bank ab. Solange A das Darlehen zur&uuml;ckzahlt, passiert nichts. Aber sobald A dies nicht tut, darf sich die Bank an den Forderungen, die er innerhalb seines Gesch&auml;ftes erhalten hat, vergreifen und kann Zahlung von seinen Kunden verlangen. Sofern die Bank sich aber pauschal alle k&uuml;nftigen Anspr&uuml;che abtreten l&auml;sst, so k&ouml;nnen diese Forderungen bei gutem Wirtschaften wesentlich h&ouml;her sein als das Darlehen, dann w&uuml;rden beispielsweise Forderungen in Millionenh&ouml;he den Kredit von 100.000 Euro absichern. Wurde hier keine Freigabeklausel vereinbart, liegt eine &Uuml;bersicherung als Teil der Fallgruppen der Sittenwidrigkeit vor.&nbsp;</p>

<h3>III. Verleitung zum Vertragsbruch</h3>

<p>Ebenso ist die Verleitung zum Vertragsbruch, welche im Abtretungsrecht und im Sachenrecht eine gro&szlig;e Rolle spielt, eine der Fallgruppen der Sittenwidrigkeit. Beispiel: A nimmt ein Darlehen auf und die Bank l&auml;sst sich alle zuk&uuml;nftigen Anspr&uuml;che abtreten. Au&szlig;erdem gibt es einen Vorbehaltsverk&auml;ufer, von dem A seine Waren bezieht, ohne daf&uuml;r zu bezahlen. A wird sogar erm&auml;chtigt, diese weiter zu ver&auml;u&szlig;ern. Und weil der Vorbehaltsverk&auml;ufer nicht &#39;lebensm&uuml;de&#39; ist, m&ouml;chte er die Abtretung der aus dem Weiterverkauf erzielten Forderungen. Dies vertr&auml;gt sich nat&uuml;rlich schlecht mit der Abtretung aller zuk&uuml;nftiger Anspr&uuml;che an die Bank. Entweder l&uuml;gt A den Vorbehaltsverk&auml;ufer hinsichtlich der Abtretung an die Bank an, um die Waren dennoch zu erhalten oder er offenbart die Abtretung aller k&uuml;nftigen Forderungen und erh&auml;lt keine Waren. Somit verleitet die Bank den A zum Vertragsbruch gegen&uuml;ber dem Vorbehaltsverk&auml;ufer.&nbsp;</p>

<h3>IV. Knebelung</h3>

<p>Auch zu den Fallgruppen der Sittenwidrigkeit geh&ouml;ren Knebelungsvertr&auml;ge. Beispiel: Langfristige Bierliefervertr&auml;gen mit einer bestimmten Abnahmepflicht und der Regelung, dass man von anderen Lieferanten nichts beziehen darf.&nbsp;</p>

<h3>V. Kollusion</h3>

<p>Ebenso ist auch die Kollusion eine Fallgruppe der Sittenwidrigkeit. Hierbei wirken Vertreter und Dritter gezielt zusammen, um den Vertretenen zu sch&auml;digen. Beispiel: A erteilt B Prokura. Das ist eine rechtsgesch&auml;ftlich erteilte Vertretungsmacht mit gesetzlich umschriebenem Umfang. Danach darf B im Prinzip alles. Danach trifft B einen guten Freund und sagt ihm, dass A ihm, so dumm wie A ist, Prokura erteilt hat und ob er nicht den Gesch&auml;ftswagen f&uuml;r einen Euro kaufen wolle. Der gute Freund des B feixt und nimmt das Angebot an. Wenn, wie in diesem Fall, die formal bestehende Vertretungsmacht ausgenutzt wird, um den Vertretenen bewusst zu sch&auml;digen, dann ist die Stellvertretung unwirksam.&nbsp;</p>

<h3>VI. Radarwarnger&auml;te</h3>

<p>Weiterhin z&auml;hlen auch die Vertr&auml;ge &uuml;ber Radarwarnger&auml;te zu den Fallgruppen der Sittenwidrigkeit. Dies sind Ger&auml;te, die davor warnen, dass Radarfallen aufgestellt sind, sodass man sein Fahrverhalten in dem Bereich der Radarfallen danach ausrichten und ansonsten unbek&uuml;mmert rasen kann. Auch dies geh&ouml;rt somit zu den Fallgruppen der Sittenwidrigkeit.&nbsp;</p>


Kollusion ist das gezielte Zusammenwirken von Vertreter und Drittem, um den Vertretenen unter Ausnutzung der formal bestehenden Vertretungsmacht zu schädigen.

§ 138 I BGB

Verwandte Lerneinheiten

Keywords

Keywords