<h2>Problem - &sect; 819 I BGB bei Minderj&auml;hrigen (Flugreise-Fall)</h2>

<p>Im Rahmen der Ausschlussgr&uuml;nde des Bereicherungsrechts kann sich das Problem des &sect; 819 I BGB bei Minderj&auml;hrigen stellen. Es geht hierbei um den Ausschluss der Entreicherungseinrede bei B&ouml;sgl&auml;ubigkeit des Bereicherungsschuldners. Bekannt ist dieses Problem auch unter dem Flugreise-Fall. Beispiel: Der 16-J&auml;hrige M setzt sich in ein Flugzeug als blinder Passagier und l&auml;sst sich ohne Kenntnis und Einwilligung der Eltern von Hamburg nach New York bef&ouml;rdern. Das Flugzeug war nicht voll besetzt. Nun verlangt die Fluggesellschaft von M ein Bef&ouml;rderungsentgelt von Hamburg nach New York.</p>

<h3>I. &sect; 631 BGB</h3>

<p>Ein Anspruch aus Werkvertrag scheidet aus, da es entweder schon an einer Einigung mangelt oder die Einigung nach den &sect;&sect; 106 ff. BGB unwirksam ist.</p>

<h3>II. &sect;&sect; 683 S. 1, 670 BGB</h3>

<p>Ein Anwendungsersatz gem&auml;&szlig; den &sect; 683 S. 1, 670 BGB scheidet nach herrschender Meinung aus, da kein Fremdgesch&auml;ftsf&uuml;hrungswillen vorliegt. Denn im Zweifel hatte die Fluggesellschaft keine Kenntnis davon, dass sich M im Flugzeug befunden hat.</p>

<h3>III. &sect; 823 II BGB; &sect; 265a StGB</h3>

<p>Auch ein Schadensersatzanspruch aus &sect; 823 II BGB i.V.m. &sect; 265a StGB ist nicht zielbringend, da der Schaden nur den Kerosinmehrverbrauch darstellt, wenn das Flugzeug nicht voll besetzt war.</p>

<h3>IV. &sect; 812 I 1 1. Fall BGB</h3>

<p>Jedoch k&ouml;nnte ein Wertersatzanspruch gem&auml;&szlig; &sect; 812 I 1 1. Fall BGB in Betracht kommen.</p>

<h3>1. Etwas erlangt</h3>

<p>M hat die Bef&ouml;rderung von Hamburg nach New York erlangt.</p>

<h3>2. Durch Leistung</h3>

<p>Dies geschah jedoch im Zweifel nicht durch Leistung, da M blinder Passagier war und ein genereller Bef&ouml;rderungswillen der Fluggesellschaft nicht vermutet werden kann.</p>

<h3>V. &sect; 812 I 1 2. Fall BGB</h3>

<h3>1. Etwas erlangt</h3>

<h3>2. In sonstiger Weise</h3>

<p>Jedoch hat M die Bef&ouml;rderung in sonstiger Weise erlangt, sodass die Nichtleistungskondiktion einschl&auml;gig ist.</p>

<h3>3. Ohne Rechtsgrund</h3>

<p>Da der Werkvertrag nichtig ist, besteht auch kein Rechtsgrund f&uuml;r das Erlangte.</p>

<h3>4. Rechtsfolge</h3>

<h3>5. Kein Ausschluss</h3>

<p>Der Anspruch auf Wertersatz k&ouml;nnte jedoch nach &sect; 818 III BGB ausgeschlossen sein, wenn M niemals bereichert war. Hier h&auml;tte M den Flug nicht sowieso get&auml;tigt, sodass es sich hierbei um sogenannte Luxusaufwendungen handelt. M war somit niemals bereichert. Allerdings ist die Einrede der Entreicherung nach &sect; 819 I BGB ausgeschlossen, wenn der Bereicherungsschuldner Kenntnis von dem fehlenden Rechtsgrund hatte. Hier stellt sich das Problem des &sect; 819 I BGB bei Minderj&auml;hrigen. Fraglich ist, ob im Rahmen des &sect; 819 I BGB bei Minderj&auml;hrigen auf die Kenntnis der gesetzlichen Vertreter oder die des Minderj&auml;hrigen abzustellen ist.</p>

<h3>a) Eine Ansicht</h3>

<p>Eine Ansicht stellt im Rahmen des &sect; 819 I BGB bei Minderj&auml;hrigen stets auf den gesetzlichen Vertreter ab. Hier wussten die Eltern nichts von der Flugreise, sodass diese gutgl&auml;ubig waren und die Einrede der Entreicherung nicht ausgeschlossen w&auml;re. Begr&uuml;ndet wird diese Ansicht mit dem Schutz des Minderj&auml;hrigen. Stellt man im Rahmen des &sect; 819 I BGB bei Minderj&auml;hrigen auf die Kenntnis der Eltern ab, werden diese oft &uuml;ber das Handeln des Minderj&auml;hrigen nicht Bescheid wissen, sodass der Minderj&auml;hrige dadurch gesch&uuml;tzt wird, dass er sich auf die Entreicherung berufen kann.</p>

<h3>b) Andere Ansicht</h3>

<p>Eine andere Ansicht geht bei &sect; 819 I BGB bei Minderj&auml;hrigen davon aus, dass stets die Kenntnis des Minderj&auml;hrigen ma&szlig;geblich ist. Hier wusste M, dass er blinder Passagier ist, sodass die Einrede der Entreicherung ausgeschlossen w&auml;re. Argument f&uuml;r das Abstellen auf die Kenntnis des Minderj&auml;hrigen bei &sect; 819 I BG ist der Schutz des Bereicherungsgl&auml;ubigers. Wenn die Kenntnis des Minderj&auml;hrigen selbst ma&szlig;geblich sei, so w&auml;re die Einrede der Entreicherung in den meisten F&auml;llen ausgeschlossen, sodass der Gl&auml;ubiger gesch&uuml;tzt w&uuml;rde.</p>

<h3>c) Andere Ansicht (h.M.)</h3>

<p>Die herrschende Meinung differenziert im Rahmen des &sect; 819 I BGB bei Minderj&auml;hrigen nach Art der Kondiktion. Bei der Leistungskondiktion soll aufgrund deren N&auml;he zum Vertragsrecht die Kenntnis der Eltern ma&szlig;geblich sein, bei der Nichtleistungskondiktion wegen der N&auml;he zum Deliktsrecht hingegen die Kenntnis des Minderj&auml;hrigen. Bei der Leistungskondiktion gehe es um die R&uuml;ckabwicklung eines Vertrags. Im Vertragsrecht sei jedoch nach den &sect;&sect; 106 ff. BGB die Kenntnis der Eltern ma&szlig;geblich. Im Deliktsrecht komme es hingegen auf die Einsichtsf&auml;higkeit des Minderj&auml;hrigen an, vgl. &sect; 828 III BGB. Daher solle bei der Nichtleistungskondiktion die Kenntnis des Minderj&auml;hrigen ma&szlig;geblich sein. Hier wird ein Anspruch aus der Nichtleistungskondiktion gepr&uuml;ft, sodass auf die Kenntnis des M abzustellen ist. Folgt man der herrschenden Meinung, ist die Einrede der Entreicherung vorliegend ausgeschlossen, da M Kenntnis vom mangelnden Rechtsgrund hatte.</p>

<h3>6. Ergebnis</h3>

<p>Daher hat die Fluggesellschaft gegen M einen Anspruch auf Wertersatz nach den &sect;&sect; 812 I 1 2. Fall, 818 II BGB.</p>

<p>&nbsp;</p>


Bösgläubig ist, wer positive Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis davon hat, dass der Veräußerer nicht Eigentümer der beweglichen Sache ist, § 932 II BGB.

Zivilrecht

Problem - § 819 I BGB bei Minderjährigen (Flugreise-Fall)

Ausschluss des § 812 I 1 1. Fall BGB

§ 812 I 1 1. Fall BGB

Bereicherungsrecht

<h2 id="aufbau-der-prüfung---wirksamkeit-der-willenserklärung-eines-minderjährigen-§§-106-ff.-bgb">Aufbau der Prüfung - Wirksamkeit der Willenserklärung eines Minderjährigen, §§ 106 ff. BGB</h2>
<p>Die Wirksamkeit der Willenserklärung eines Minderjährigen, der in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, wird in den §§ 106 ff. BGB geregelt. Es gibt vier Möglichkeiten, die Wirksamkeit der Willenserklärung eines Minderjährigen zu erreichen: Das Geschäft ist lediglich rechtlich vorteilhaft, die gesetzlichen Vertreter haben eingewilligt oder genehmigt oder es liegt ein Sonderfall der §§ 110-113 BGB vor.</p>
<h3 id="i.-lediglich-rechtlich-vorteilhaft-§-107-bgb">I. Lediglich rechtlich vorteilhaft, § 107 BGB</h3>
<p>Die Willenserklärung eines Minderjährigen ist wirksam, wenn das Rechtsgeschäft lediglich rechtlich vorteilhaft ist, vgl. § 107 BGB. Ein Rechtsgeschäft ist nach § 107 BGB lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn es nicht unmittelbar rechtlich nachteilig ist. Es kommt nicht auf rechtliche Vorteile an, sondern nur darauf, dass kein rechtlicher Nachteil besteht. Somit fallen auch rechtlich neutrale Geschäfte in die Definition.  Dies ist auch dem Rechtsgedanken des § 165 BGB zu entnehmen. Dort ist die Wirksamkeit der Willenserklärung eines Minderjährigen, der als Stellvertreter handelt, geregelt. Wenn ein Minderjähriger als Stellvertreter handelt, so verpflichtet er nicht sich selbst, sondern einen Dritten. Unmittelbar rechtlich nachteilig ist ein Rechtsgeschäft immer dann, wenn der Minderjährige persönlich verpflichtet wird oder Rechte des Minderjährigen aufgehoben oder beschränkt werden. Eine Verpflichtung liegt beispielsweise bei einem Kaufvertrag vor: Wenn der Minderjährige ein Fahrrad verkauft, dann (persönlich) verpflichtet ist der Minderjährige zur Übereignung der Sache verpflichtet. Genauso rechtlich nachteilig wäre die anschließende Übereignung des Fahrrades. Das wäre insoweit die Aufhebung eines Rechts des Minderjährigen, als er durch die Übereignung der sein Eigentum an dem Fahrrad verlöre.</p>
<h3 id="ii.-einwilligung-des-gesetzlichen-vertreters-§-107-bgb">II. Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, § 107 BGB</h3>
<p>Die Wirksamkeit der Willenserklärung eines Minderjährigen kann  auch durch die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vor dem Abschluss des Rechtsgeschäfts eintreten. Eine solche Wirksamkeit der Willenserklärung des Minderjährigen ergibt sich aus § 107 BGB.</p>
<h3 id="einwilligung">1. Einwilligung</h3>
<p>Zunächst bedarf es einer Einwilligung. Die Einwilligung ist in § 183 BGB legaldefiniert und meint die vorherige Zustimmung. Der Minderjährige darf also auch nicht lediglich rechtlich vorteilhafte Rechtsgeschäfte schließen, wenn die Eltern zuvor einverstanden sind.</p>
<h3id="gesetzlicher-vertreter">2. Gesetzlicher Vertreter</h3>
<p>Gesetzliche Vertreter sind üblicherweise die Eltern des Minderjährigen, vgl. §§ 1626, 1629 BGB. Wenn die Eltern also vorher dem Rechtsgeschäft zugestimmt haben, so ist dieses wirksam. Zu beachten sind jedochbestimmte Einschränkungen. Dies ist z.B. das sog. Insichgeschäft gem. §§ 1629 II, 1824 II, 181 BGB oder Fälle der §§ 1643, 1850 ff. BGB, bei dem das Familiengericht involviert werden muss(z.B. Grundstücksgeschäfte, Gründung einer Gesellschaft usw.).</p>
<h3 id="iii.-genehmigung-des-gesetzlichen-vertreters-§-108-bgb">III. Genehmigung des gesetzlichen Vertreters, § 108 BGB</h3>
<p>Weiterhin kann die Wirksamkeit der Willenserklärung eines Minderjährigen gemäß § 108 BGB durch Genehmigung des gesetzlichen Vertreters erreicht werden. Die Genehmigung ist in § 184 BGB legaldefiniert und meint die nachträgliche Zustimmung. Wenn ein Minderjähriger also ein Rechtsgeschäft abschließt, das nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, und die Eltern haben nicht bereits im Vorhinein zugestimmt, dann ist das Rechtsgeschäft durch eine nachträgliche Zustimmung wiederrum wirksam.</p>
<h3 id="iv.-sonderfälle">IV. Sonderfälle</h3>
<p>Zuletzt kann die Wirksamkeit der Willenserklärung eines Minderjährigen in den Sonderfällen der § 110, 112 und 113 BGB eintreten.</p>
<h3 id="§-110-bgb">1. § 110 BGB</h3>
<p>§ 110 BGB ist der sogenannte Taschengeldparagraph. Die Wirksamkeit der Willenserklärung eines  Minderjährigen hängt danach davon ab, dass der Minderjährige das Rechtsgeschäft mit seinem Taschengeld tätigt, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Minderjährige das Geld zuvor von seinen Eltern oder mit deren Zustimmung von einem Dritten erhalten hat. Ausgenommen davon sind allerdings Ratenzahlungsgeschäfte. Beispiel: A ist 8 Jahre alt und bekommt einen Euro Taschengeld pro Woche und geht in einen Spielwarenladen, wo er ein Spielzeug für 20 Euro entdeckt. Der Inhaber des Spielwarenladens bietet dem A an,  dass A  5 Euro anzahlt und den Rest mit dem wöchentlichen Taschengeld abstottern könne. Hier ist die Willenserklärung des Minderjährigen nicht wirksam. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 110 BGB. Dort steht „bewirkt“ und nicht „bewirken wird“, sodass ein zukünftiges Bewirken nicht von der Norm erfasst ist.</p>
<h3 id="§§-112-bgb">2. §§ 112 BGB</h3>
<p>Im Übrigen sind für die Wirksamkeit der Willenserklärung eines Minderjährigen das selbständige Erwerbsgeschäft gemäß § 112 BGB zu beachten.</p>
<h3 id="§-113-bgb">3. § 113 BGB</h3>
<p>Schließlich gibt es noch den Sonderfall des Arbeits- oder Dienstverhältnis eines Minderjährigen nach § 113 BGB.</p>



Ein Rechtsgeschäft ist lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn es nicht unmittelbar rechtlich nachteilig ist. Unmittelbar rechtlich nachteilig ist ein Rechtsgeschäft immer dann, wenn der Minderjährige persönlich verpflichtet oder ein Recht des Minderjährigen aufgehoben oder beschränkt wird.

gesetzlicher Vertreter

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