Vertretenmüssen, §§ 276-278 BGB
Aufbau der Prüfung - Vertretenmüssen, § 276 BGB
Das Vertretenmüssen ist in § 276 BGB geregelt. Das Vertretenmüssen ist eine Voraussetzung im Rahmen der Schadensersatzansprüche gemäß den §§ 280 ff. BGB.
I. Verschulden
Nach § 276 I BGB hat der Schuldner grundsätzlich Verschulden zu vertreten. Verschulden ist in § 276 I BGB geregelt. Danach hat man grundsätzlich Vorsatz und jede Fahrlässigkeit zu vertreten. Vorsätzlich handelt beim Vertretenmüssen, wer mit Wissen und Wollen handelt, wobei sämtliche Vorsatzformen erfasst sind. Beispiel: A haut absichtlich eine Beule in das Fahrzeug des B. Hierbei hat A absichtlich, also mit dolus directus 1. Grades gehandelt, wobei schon Eventualvorsatz gereicht hätte. Fahrlässigkeit gehört auch zum Vertretenmüssen und ist in § 276 II BGB legaldefiniert als die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.
II. Haftungsmodifikationen
Beim Vertretenmüssen gibt es auch sogenannte Haftungsmodifikationen, und zwar Haftungsverschärfungen und Haftungserleichterungen. Beide können vertraglich vereinbart werden oder kraft Gesetzes bestehen.
1. Haftungsverschärfung
a) Vertraglich
Zwei Parteien können beispielsweise eine verschuldensunabhängige Haftung vertraglich vereinbaren, es wird somit auch für Zufall gehaftet. Beispiel: Garantievertrag. Hier vereinbart man, dass der Schuldner für das Eintreten oder Ausbleiben eines bestimmten Umstandes eintritt - und zwar unabhängig vom Verschulden.
b) Gesetzlich
Gesetzlich ist eine Haftungsverschärfung beim Vertretenmüssen in § 287 S. 2 BGB geregelt. Danach haftet der Schuldner während des Verzugs verschärft, auch für Zufall. Beispiel: A bestellt bei B ein Auto und B liefert es nicht zum vereinbarten Zeitpunkt, den 02.03. Das Auto steht auf dem Autohof des B und ein Blitz schlägt ein, sodass ein Totalschaden am Fahrzeug entsteht. B haftet wegen nachträglicher Unmöglichkeit auch für dieses Zufallsereignis, da er sich bereits im Schuldnerverzug befunden hat, obwohl er weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat.
2. Haftungsprivilegierung
a) Vertraglich
Ferner können auch Haftungsprivilegierungen beim Vertretenmüssen vertraglich vereinbart werden. Beispielsfall: A fährt bei B mit und beide vereinbaren, dass A nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haften soll.
b) Gesetzlich
Eine gesetzliche Haftungsprivilegierung findet sich in § 277 BGB, die “diligentia quam in suis” oder auch eigenübliche Sorgfalt. Hier haftet man nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Diese Haftungsprivilegierungen finden sich häufig in Rechtsbeziehungen, bei denen sich die Personen typischerweise in einem gewissen Näheverhältnis befinden. Beispiele: §§ 599, 1664 BGB. Außerdem gilt eine Haftungsprivilegierung beim Vertretenmüssen auch gemäß § 300 I BGB, wenn sich der Gläubiger im Annahmeverzug befindet. Fallbeispiel: A verkauft B ein Auto. Es wird als Liefertermin der 01.03. vereinbart, an welchem B das Fahrzeug jedoch nicht abnimmt. Wenn A danach leicht fahrlässig im Rahmen eines Unfalls das Fahrzeug beschädigt, haftet er für diesen Schaden nicht.
III. Zurechnung fremden Verschuldens, § 278 BGB
Zuletzt ist beim Vertretenmüssen die Zurechnung fremden Verschuldens zu beachten. Im Normalfall haftet man nur für eigenes Verschulden. Ausnahmsweise haftet der Schuldner nach § 278 BGB auch für das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen. Erfüllungsgehilfe ist eine Person, die mit Wissen und Wollen des Schuldners in dessen Interessen- und Pflichtenkreis tätig wird. Er muss im Unterschied zum Verrichtungsgehilfen des § 831 BGB nicht notwendigerweise weisungsgebunden sein, wobei eine Weisungsgebundenheit dennoch möglich ist. Beispiel: Der Unternehmer haftet für das Verschulden seiner Sekretärin oder seines freien Mitarbeiters. Daneben bestehen ggf. noch Ansprüche aus § 831 BGB, sofern den Unternehmer die Verletzung einer Auswahl- oder Überwachungspflicht des Verrichtungsgehilfen vorzuwerfen ist.