Versuch und Rücktritt

1. Examen/SR/AT 2

Prüfungsschema: Versuch und Rücktritt

 

I. Vorprüfung

1. Nichtvollendung

2. Strafbarkeit des Versuchs

  • Ausdrücklich geregelt. Beispiel: § 223 II StGB.
  • Verbrechen, §§ 23 I, 12 StGB
  • Problem: Erfolgsqualifizierter Versuch (Grunddelikt versucht, Folge eingetreten)
  • BGH: stets möglich
  • hL: Differenzierung nach Tatbeständen
  • Bei erfolgsanknüpfenden Tatbeständen (§§ 226, 227 StGB) nicht möglich
  • Bei handlungsanknüpfenden Tatbeständen (§§ 239 IV,  251 StGB) möglich
  • Problem: Versuch der Erfolgsqualifikation (Grunddelikt versucht/vollendet, Erfolgsqualifikation versucht)
  • aA: nicht möglich, wenn Versuch des Grunddelikts nicht strafbar; Beispiel: § 221 III StGB; Arg.: Grundtatbestand fehlt als Anknüpfungspunkt für Strafbarkeit.
  • hM: möglich; Arg.: § 18 StGB setzt mindestens Fahrlässigkeit voraus         

II. Tatbestand

1. Tatentschluss

a)  Vorsatz

  • Täter muss vorsätzlich bezüglich aller Umstände des vollendeten objektiven Tatbestands gehandelt haben.
  • Vorsatz liegt nicht vor, wenn der Täter fälschlich davon ausgeht, dass sein strafrechtlich nicht relevanter Erfolg strafbar sei (strafloses Wahndelikt).
  • Vorsatz liegt nicht vor, wenn irrealer/abergläubischer Versuch, das heißt, der Täter stellt sich Geschehensabläufe außerhalb der menschlichen Beherrschbarkeit vor.
  • Vorsatz liegt vor bei sogenanntem untauglichem Versuch; Arg.: §§ 22, 23 III StGB

b) Besondere subjektive Merkmale

  • Beispiel: Zueignungsabsicht

2. Unmittelbares Ansetzen

  • Unmittelbares Ansetzen liegt vor, wenn der Täter aus seiner Sicht die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten hat, sodass seine Handlung ohne wesentliche Zwischenschritte in den Taterfolg mündet, also das Rechtsgut bereits konkret gefährdet erscheint (Gemischt subjektiv-objektive Theorie)
  • Problem: Unmittelbares Ansetzen bei § 25 II StGB
  • aA (Einzellösung): Abstellen auf jeden Täter; Arg.: Wortlaut § 22 StGB („seiner Vorstellung“)
  • hM (Gesamtlösung): Unmittelbares Ansetzen ist bereits dann gegeben, wenn einer der anderen Mittäter unmittelbar ansetzt; Arg.: Sinn des § 25 II StGB als Zurechnungsnorm
  • Problem: Unmittelbares Ansetzen bei mittelbarer Täterschaft
  • aA: Einwirken auf das Werkzeug; Arg.: Parallele zu § 26 StGB
  • aA: Unmittelbares Ansetzen des Werkzeuges; Arg.: Wortlaut des § 25 I 2. Alt. StGB
  • hM: Wie bei Alleintäterschaft; Arg.: Parallele zu § 25 I 1. Alt. StGB
  • Problem: Unmittelbares Ansetzen bei unechten Unterlassungsdelikten
  • aA: Verstreichenlassen der ersten Rettungsmöglichkeit; Arg.: Handlungspflicht
  • aA: Verstreichenlassen der letzten Rettungsmöglichkeit; Arg.: Sonst begrifflich kein Unterlassen
  • hM: Aus Sicht des Täters muss das Rechtsgut bereits in konkrete Gefahr gebracht worden sein; Arg.: Entspricht Unmittelbarkeitserfordernis in § 22 StGB
  • Problem: Unmittelbares Ansetzen bei Regelbeispielen
  • aA (hL): (-); Arg.: Wortlaut des § 22 StGB
  • aA (BGH): (+); Arg.: Tatbestandsähnlichkeit/Struktur

III. Rechtswidrigkeit/Schuld

IV. Strafe

1. Persönlicher Strafaufhebungsgrund: Rücktritt, § 24 StGB

a) Kein fehlgeschlagener Versuch

  • Ein fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn der Täter davon ausgeht, er könne den Erfolg nicht oder nicht mehr ohne Zäsur herbeiführen.
  • Problem: Mehraktiger Versuch
  • aA (Einzelakttheorie): Fehlschlag bereits nach erstem Akt, soweit der Täter die Erfolglosigkeit erkennt; Arg.: Opferfreundlich; keine Privilegierung der „Profis“
  • hM (Gesamtbetrachtungslehre/Theorie vom Rücktrittshorizont): Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der letzten Ausführungshandlung, soweit ein zeitlich-räumlicher Zusammenhang besteht;
    Arg.: Opferfreundlich; täterfreundlich

b) Beendeter/unbeendeter Versuch

  • Der Versuch ist beendet, wenn der Täter glaubt, er habe zur Tatbestandsverwirklichung alles Erforderliche getan.

c) Rücktrittsanforderungen

aa) Bei Alleintäterschaft, § 24 I StGB

(1) Bei unbeendetem Versuch, § 24 I 1 1. Fall StGB

  • Aufgabe der weiteren Tatausführung
  • Problem: Außertatbestandliche Zielerreichung (Denkzettelfälle)
  • aA: § 24 I StGB (-); Arg.: Sinn und Zweck des § 24 StGB
  • hM: § 24 I StGB (+); Arg.: Wortlaut; keine Besserstellung des Absichtstäters

(2) Bei beendetem Versuch, § 24 I 1 2. Fall StGB

  • Verhinderung der Tatvollendung
  • Problem: Halbherziger Rücktritt
  • aA: Sichere Abwendung des Erfolgs erforderlich; Arg.: Tatherrschaft bezüglich Verhinderung
  • hM: Willentliches Ingangsetzen einer entgegengesetzten Kausalkette ausreichend; Arg.: Wortlaut

(3) Bei vermeintlich vollendbarem Versuch, § 24 I 2 StGB

  • Ernsthaftes Bemühen

bb) Bei mehreren Beteiligten, § 24 II StGB

(1) § 24 II 1 StGB

  • Tat nicht vollendet
  • Beruht auf Zutun des Beteiligten

(2) § 24 II 2 1. Alt. StGB

  • Tat nicht vollendet
  • Beruht nicht auf Zutun des Beteiligten

(3) § 24 II 2 2. Alt. StGB

  • Tat vollendet

d) Freiwilligkeit

  • Freiwilligkeit liegt vor, wenn der Täter aus autonomen, nicht aus heteronomen Motiven zurücktritt (aA: Entgegen Verbrechervernunft).

2. Strafmilderung bei Versuch aus grobem Unverstand, § 23 III StGB

  • Grober Unverstand liegt vor, wenn es sich geradezu aufdrängen muss, dass das Vorhaben des Täters nicht funktionieren kann.
  • Beispiel: Tötungsversuch mit einem Stück Zucker.