<h2>Problem &ndash; Einzelner Abgeordneter</h2>

<p>Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens kann sich beim Einleitungsverfahren die Frage stellen, ob auch ein einzelner Abgeordneter einen Gesetzesvorschlag in den Bundestag einbringen kann.</p>

<h3>I. Eine Ansicht</h3>

<p>Eine Ansicht geht davon aus, dass ein einzelner Abgeordneter nicht erm&auml;chtigt sei, ein Gesetzesvorhaben in den Bundestag einzubringen. Dies wird mit dem Wortlaut des Art. 76 GG begr&uuml;ndet. Dort stehe, dass ein Gesetzesvorschlag aus der Mitte des Bundestages stammen m&uuml;sse. Aus der Mitte habe einen volumin&ouml;sen Klang. Folglich m&uuml;ssten mehrere Abgeordnete den Gesetzesvorschlag einbringen. Ein einzelner Abgeordneter reiche hingegen nicht aus. K&ouml;nnte ein einzelner Abgeordneter Gesetzesvorschl&auml;ge einbringen, w&uuml;rde dies die Funktionsf&auml;higkeit des Bundestages beeintr&auml;chtigen, da dieser mit Gesetzesvorhaben bombardiert w&uuml;rde.</p>

<h3>II. Andere Ansicht (h.M.)</h3>

<p>Die herrschende Meinung geht hingegen davon aus, dass auch ein einzelner Abgeordneter einen Gesetzesentwurf in den Bundestag einbringen k&ouml;nne. In Art. 76 GG sei keine bestimmte Anzahl genannt. Mit dem Begriff der &bdquo;Mitte des Bundestages&ldquo; sei lediglich gemeint, dass der Gesetzesvorschlag aus dem Bundestag kommen m&uuml;sse. Dies spreche daf&uuml;r, dass ein einzelner Abgeordneter ausreiche. Hierf&uuml;r spreche auch das freie Mandat des Abgeordneten, vgl. Art. 38 I 2 GG. Danach sei ein Abgeordneter nur seinem Gewissen unterworfen und an keine Weisungen gebunden. Das bedeute, dass ein einzelner Abgeordneter ein Gesetzesvorhaben nach seiner eigenen &Uuml;berzeugung einbringen k&ouml;nne und nicht andere Abgeordnete konsultieren m&uuml;sse. Zuletzt sei eine Beeintr&auml;chtigung der Funktionsf&auml;higkeit des Bundestags nicht gegeben, da es einen erheblichen Aufwand bedeute, einen Gesetzesvorschlag zu entwerfen und zu unterbreiten. Zudem k&ouml;nne der Bundestag den Gesetzesvorschlag kurzerhand ablehnen.</p>

<p>&nbsp;</p>


Öffentliches Recht

Gesetzgebungsverfahren, Art. 76 ff. GG

Problem - Einzelner Abgeordneter

Gesetzgebung, Art. 70-82 GG (Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes)

Staatsfunktionen, Art. 70 ff. GG

Staatsorganisationsrecht

<h2>Aufbau der Pr&uuml;fung - Freies Mandat, Art. 38 I 2 GG</h2>

<p>Das freie Mandat ist in Art. 38 I 2 GG geregelt. Immer wenn es um die Rechtsstellung des Abgeordneten geht und nicht ausnahmsweise die Rechtsposition ausdr&uuml;cklich anderswo geregelt ist, kommt man auf das freie Mandat zur&uuml;ck. Nach Art. 38 I 2 GG ist der Abgeordnete an Auftr&auml;ge und Weisungen nicht gebunden, sondern nur seinem Gewissen unterworfen. Beispiel: A ist Abgeordneter im Bundestag und m&ouml;chte seinen Redebeitrag leisten. Nach einer gewissen Zeit entzieht der Bundestagspr&auml;sident dem A das Wort, da dieser zu lange geredet hat. A f&uuml;hlt sich in seinem freien Mandat aus Art. 38 I 2 GG verletzt. Das freie Mandat pr&uuml;ft man in drei Schritten.</p>

<h3>I. Schutzbereich</h3>

<p>Zun&auml;chst muss der Schutzbereich er&ouml;ffnet sein.</p>

<h3>1. Pers&ouml;nlich</h3>

<p>In pers&ouml;nlicher Hinsicht k&ouml;nnen sich nur Abgeordnete des Bundestages auf das freie Mandat berufen. Negativbeispiel: Mitglieder des Bundesrates.</p>

<h3>2. Sachlich</h3>

<p>In sachlicher Hinsicht sch&uuml;tzt Art. 38 I 2 GG das freie Mandat. Beispiele: Rederecht, Antragsrecht, Stimmrecht. Es geh&ouml;rt zur vornehmsten Aufgabe des Abgeordneten, bei der Gesetzgebung seinen Redebeitrag zu leisten oder Gesetzesvorschl&auml;ge nach Art. 76 GG in den Bundestag einzubringen.</p>

<h3>II. Eingriff</h3>

<p>Weiterhin muss ein <strong>Eingriff </strong>in das freie Mandat vorliegen. Dies ist jede Verk&uuml;rzung des Schutzbereichs. Die Entziehung des Rederechts stellt eine Verk&uuml;rzung des Schutzbereichs und somit einen Eingriff dar.</p>

<h3>III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung</h3>

<p>Ein Eingriff in das freie Mandat kann jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Das freie Mandat des Art. 38 I 2 GG enth&auml;lt keine ausdr&uuml;cklichen Schranken. Es gelten mithin die<strong> verfassungsimmanenten Schranken</strong>, also diejenigen, die im Grundgesetz angelegt sind. An dieser Stelle ist das kollidierende Verfassungsrecht zu pr&uuml;fen. Hat A seine Redezeit &uuml;berdehnt, k&ouml;nnte die Funktionsf&auml;higkeit des Bundestags betroffen sein. Denn wenn jeder Abgeordnete seine Redezeit &uuml;berziehen w&uuml;rde, w&auml;re der Bundestag nicht mehr funktionsf&auml;hig. Zudem k&ouml;nnte das freie Mandat anderer Abgeordneter tangiert sein, die auch ihr Rederecht wahrnehmen wollen. Hier ist anhand der Umst&auml;nde des Einzelfalls abzuw&auml;gen.<br />
Ein Abgeordneter kann sich, sofern er in seiner Funktion als Abgeordneter t&auml;tig wird, nicht auf Grundrechte berufen. Beispiel: Wie oben. A beruft sich jedoch auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG. Dies geht nicht. Denn A ist Abgeordneter und damit Teil des Staates. A ist somit grundrechtsverpflichtet, nicht grundrechtsberechtigt.</p>

<p>&nbsp;</p>


Art. 38 I 2 GG

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