Nacherfüllung, §§ 437 Nr. 1, 439 BGB

Nacherfüllung, §§ 437 Nr. 1, 439 BGB

I. Nachbesserung oder Nachlieferung

Der Käufer kann gemäß § 439 I BGB die Nachbesserung (1. Fall) oder die Nachlieferung (2. Fall) verlangen. Dieses Wahlrecht steht dem Käufer zu.

II. Wesen der Nacherfüllung, §§ 437 Nr. 1, 439 BGB

Das Wesen der Nacherfüllung besteht darin, dass die durch den Verkäufer primär geschuldete Leistung beim ersten Versuch nicht mangelfrei erfüllt wurde. Mithin liegt auch keine Erfüllung des Kaufvertrags vor. Ein Wechsel auf die sekundäre Leistungsebene (z. B. Schadensersatz, Aufwendungsersatz) soll jedoch noch nicht stattfinden, vielmehr soll auf der Erfüllungsebene, d.h. der primären Leistungsebene, die Leistung erfolgen. Das macht den Nacherfüllungsanspruch zu einem modifizierten Erfüllungsanspruch. Im Übrigen liegt darin auch der Grund, dass ein Vertretenmüssen nicht erforderlich ist, da das Leistungsinteresse des Käufers noch nicht befriedigt ist. Eine Erfüllung ist noch nicht erwirkt, dies soll im zweiten Anlauf geschehen.

Aus dem Prinzip des deutschen Vertragsrechts (Festhalten an Verträgen), geht der Vorrang der Nacherfüllung hervor. Rechtssystematisch erfolgt das daraus, dass alle anderen Gewährleistungsrechte eine Frist zur Nacherfüllung und ein erfolgloses Verstreichen dieser Nachfrist zum Gegenstand haben. Das bedeutet, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen Fristsetzung und erfolgloses Verstreichen der gesetzten Nachfrist bzw. Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung nicht festgestellt sind, können andere Gewährleistungsrechte noch nicht begehrt werden. Spiegelbildlich kann das aus der Perspektive des Verkäufers als Recht zur zweiten Andienung begriffen werden. Der Käufer hat kein Recht zur Selbstvornahme auf Kosten des Verkäufers. Ein solches Recht wäre die Aushöhlung der Erfüllungsmöglichkeit auf der primären Erfüllungsebene, da es einen sofortigen Wechsel auf die sekundäre Leistungsebene darstellen würde. Der § 439 V BGB ordnet an, dass der Käufer dem Verkäufer die mangelhafte Sache zur Verfügung stellen muss.

In den Fällen der Neulieferung gilt bei der Rückabwicklung das Recht des Rücktritts der §§ 346 bis 348 BGB. Gemäß § 439 VI BGB hat der Verkäufer die mangelhafte Sache auf seine Kosten zurückzunehmen, § 439 VI 2 BGB. Für den Bereich des Verbrauchgüterkaufrechts bestimmt § 475 IV BGB, dass bei Kauf einer Ware gemäß § 241a I BGB durch einen Verbraucher bei einem Unternehmer, der Käufer für Aufwendungen im Rahmen der Nacherfüllung die vom Unternehmer gemäß § 439 II, III BGB zu tragen sind, einen Vorschuss von dem Unternehmer verlangen kann.

III. Aufwendungsersatzansprüche §§ 437 Nr. 1, 439 II, III BGB

Die Vorschriften des § 439 II, III BGB stellen eigene, verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlagen dar. Gleiches gilt für den Aufwendungsersatzanspruch des Verbrauchers gegen den Unternehmer gemäß § 475 IV BGB.

IV. Ausschluss und Einschränkungen des Nacherfüllungsanspruchs

Bei einer Unmöglichkeit der Nacherfüllung im Sinne des § 275 BGB wird eine Nacherfüllung nicht geschuldet. Gleiches gilt bei der faktischen und wirtschaftlichen Unmöglichkeit im Sinne des § 275 II, III BGB. Die Spezialvorschrift des § 439 IV BGB findet neben § 275 II, III BGB Anwendung und regelt das Recht des Verkäufers zur Verweigerung der Nacherfüllung, wenn diese nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich ist. Die Vorschriften des § 275 II, III BGB bleiben neben der Spezialvorschrift des § 439 IV BGB anwendbar.

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