Fall: Spitz auf Knopf

Im Mai 2022 beschließt der Liebhaber der süddeutschen Lebensart und Hobby-Bayer H, der in Flensburg lebt, im Herbst 2022 für ein paar Tage zum Münchener Oktoberfest zu reisen. Um dafür zünftig gekleidet zu sein und als Nordlicht nicht zu sehr aufzufallen, sucht der eitle H den exklusiven und exzentrischen Schneider S in Schleswig auf, um sich eine krachlederne Hose maßschneidern zu lassen. Mit S einigt er sich auf einen Preis von 300 Euro. Vier Wochen später liegt die Hose, die einen objektiven Wert von 150 Euro hat, fertig zur Abholung bereit. Hellauf begeistert nimmt H sie gegen Barzahlung gleich mit.

Um sich schon einmal auf das Oktoberfest einzustimmen, veranstaltet H kurz vor seiner Abreise eine große Grillparty. Stolz trägt H bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal seine maßgeschneiderte Lederhose. Nach dem Verzehr des ersten Steaks springt jedoch der oberste Hosenknopf ab, obwohl H seit dem Maßnehmen nicht ein Gramm zugenommen hat. Entsetzt und verärgert sucht H am nächsten Tag sogleich den S auf, um sich über die schlechte Verarbeitung zu beschweren. Er verlangt von diesem, den Knopf wieder anzunähen. S entgegnete, es sei nicht sein Problem, wenn H bei der Grillparty so zugeschlagen hätte. Es interessiere ihn nicht, was nach der Übergabe mit der Hose geschehe. Es sei überdies unzumutbar, von ihm zu verlangen, den Knopf wieder anzunähen, da dies – was zutrifft – Kosten von 5 Euro verursachen würde. H ist über diese Reaktion so wütend, dass er nun gegen Rückgabe der Hose, die im mangelhaften Zustand noch einen Wert von 145 Euro hat, Neuanfertigung der Hose verlangt. Hierauf fängt S unter Berufung auf die Unverhältnismäßigkeit schallend an zu lachen und erteilt dem H Hausverbot. Beim Weggehen wirft H noch einen Blick zurück und droht dem S an, dann werde man sich eben vor Gericht wieder sehen.

H bittet um umfassende Beratung darüber, ob er von S das Annähen des Knopfes verlangen kann, ob er, weil er sich so geärgert hat, von S die Neuanfertigung der Hose verlangen kann, ob er den für die Hose bezahlten Preis ganz oder teilweise von S zurückverlangen kann und ob er den Knopf auf Kosten des H auch durch einen anderen Schneider annähen lassen kann, was Kosten in Höhe von 12 Euro verursachen würde.

Hinweis: Da der Vertragsschluss zwischen H und S im Mai 2022 und damit nach dem 31.12.2021 erfolgte, findet das Kaufrecht in seiner bis ab dem01.01.2022 gültigen Fassung Anwendung (Art. 229 § 58 EGBGB).

A. Anspruch H gegen S auf Annähen des Knopfes aus den §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB

H könnte gegen S einen Anspruch auf Annähen des Knopfes aus den §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB haben.

I. Anspruch entstanden

1. Wirksamer Kaufvertrag

Hierfür müsste zunächst ein wirksamer Kaufvertrag vorliegen. Hier haben sich H und S wirksam über das Maßschneidern einer krachledernen Hose zu einem Preis von 300 Euro geeinigt. Das Maßschneidern einer Hose könnte folglich ein Werk darstellen, so dass das Kaufrecht vorliegend nicht anwendbar wäre. Allerdings regelt § § 650 I 1 BGB, dass auf Verträge, welche die Lieferung einer herzustellenden oder zu erzeugenden beweglichen Sache zum Gegenstand haben, die Vorschriften über den Kauf Anwendung finden. Beim Maßschneidern einer Hose handelt es sich um einen solchen Werklieferungsvertrag, so dass hier nach § 650 I 1 BGB das Kaufrecht Anwendung findet. Dies gilt im Übrigen – mit einigen Besonderheiten – auch für nicht vertretbare Sachen, vgl. § 650 I 3 BGB.

2. Mangel

Weiterhin müsste die Hose auch an einem Mangel leiden. In Betracht kommt ein Sachmangel gemäß § 650 I 3 i.V.m. § 434 BGB, da der Knopf der Hose nach kurzer Tragezeit abgefallen ist.

Nach § 434 I BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.

Nach § 434 II 1 BGB entspricht die Kaufsache den subjektiven Anforderungen (i.S.v. § 434 I BGB), wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat (Nr. 1), sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (Nr. 2) und mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird (Nr. 3). An die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung i.S.v. § 434 II 1 Nr. 1 BGB sind, schon um den Anwendungsbereich des § 434 II 1 Nr. 2 BGB und des § 434 III BGB nicht auszuhöhlen, hohe Anforderungen zu stellen. Sie muss eindeutig feststellbar sein. Dies spricht gegen die Annahme einer (besonderen) Beschaffenheitsvereinbarung zwischen S und H in Bezug auf die Hose. Diese ist zwar, da sie maßgeschneidert ist und ein Werklieferungsvertrag vorliegt, als Unikat anzusehen. Sie sollte abgesehen davon, dass sie dem H gut passt, keinen besonderen, über gewöhnliche Trachtenhosen hinausgehenden Zwecken dienen und im Vergleich zu gewöhnlichen Hosen „von der Stange“ keine besonderen Eigenschaften aufweisen. Dies spricht gegen die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung i.S.v. § 434 II 1 Nr. 1 BGB.

Aus demselben Grund liegt auch keine nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung i.S.v. § 434 II 1 Nr. 2 BGB vor. Zwar reicht – im Gegensatz zur Beschaffenheitsvereinbarung i.S.v. § 434 II 1 Nr. 1 BGB – bereits eine konkludente Übereinstimmung der Parteien aus, um einen bestimmten Verwendungszweck in den Vertrag einzubeziehen. Allerdings muss es sich um einen besonderen Verwendungszweck handeln, der von dem gewöhnlichen Verwendungszweck abweicht. Dies folgt im Wege systematischer Gesetzesauslegung aus einem Vergleich zu § 434 III Nr. 1 BGB, der auf die gewöhnliche Verwendung rekurriert. Dass zwischen S und H ein über die gewöhnliche Verwendung hinausgehender Verwendungszweck vereinbart worden wäre, ist nicht ersichtlich. Deshalb sind keine subjektiven Anforderungen der Kaufsache ersichtlich, denen die Hose nicht genügt.

Die Hose entspricht allerdings nicht den objektiven Anforderungen des § 434 III BGB. Die Kaufsache entspricht nämlich nur dann den objektiven Anforderungen, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet (§ 434 III Nr. 1 BGB) und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer unter Berücksichtigung der Art der Sache erwarten kann (§ 434 III Nr. 2 lit. a) BGB). Eine Hose, deren Knopf nicht hält, ist weder üblich noch zu erwarten. Deshalb leidet die durch H geschneiderte Hose gemäß § 434 III Nrn. 1 und 2 lit. a) BGB an einem Sachmangel.

3. Zum maßgeblichen Zeitpunkt

Zudem müsste die Hose bereits bei Gefahrübergang an dem Mangel gelitten haben, vgl. § 434 I BGB. Für den Werklieferungsvertrag gilt über § 650 I 1 BGB auch der § 446 BGB. Nach § 446 S. 1 BGB geht die Gefahr der zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung einer Sache grundsätzlich mit der Übergabe auf den Käufer über. Hier ist nicht ersichtlich, ob der Mangel bereits bei Übergabe der Sache aufgrund falschen Maßnehmens oder nicht fachmännischem Annähen des Knopfes vorlag oder aber durch eine Gewichtszunahme des H verursacht wurde. Allerdings könnte hier zu Gunsten des H die Beweislastumkehr des § 477 BGB a.F. greifen.

a) Anwendbarkeit

Auf den Werklieferungsvertrag sind nach § 650 I 1 BGB die Vorschriften über den Kauf und damit auch die §§ 474 ff. BGB anwendbar.

b) Verbrauchsgüterkauf nach § 474 I BGB

Es müsste ein Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 I 1 BGB vorliegen. Hier „kauft“ H die Hose, eine Ware i.S.v. § 241a I BGB, zu privaten Zwecken und ist damit Verbraucher i.S.d. § 13 BGB. Zudem stellt S die Hose als natürliche Person in Ausübung seiner gewerblichen beruflichen Tätigkeit aus und ist mithin Unternehmer i.S.d. § 14 I BGB. Ein Verbrauchsgüterkauf nach § 474 I 1 BGB liegt somit vor.

c) Reichweite des § 477 BGB

Weiterhin müsste sich nach § 477 I 1 BGB der Mangel innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang gezeigt haben. Hier zeigte sich der Mangel bereits kurze Zeit nach der Herstellung der Hose und damit innerhalb der Frist des § 477 I 1 BGB.

Fraglich ist jedoch, wie weit die Vermutung des § 477 I BGB reicht.

aa) Eine Ansicht

Nach einer Ansicht gilt diese Vermutung nur in zeitlicher Hinsicht. Da vorliegend nicht geklärt ist, ob der Mangel durch falsches Maßnehmen oder Annähen des Knopfes oder durch eine Gewichtszunahme des H verursacht wurde, griffe die Vermutung des § 477 I BGB nicht.

bb) Andere Ansicht

Nach der gegenteiligen Ansicht gilt die Vermutung des § 477 I BGB auch im Hinblick auf das Bestehen des Mangels. Vorliegend würde auch das Bestehen des Mangels bei Gefahrübergang vermutet.

cc) Stellungnahme

Die zweite genannte Ansicht ist vorzugswürdig. Für sie spricht sowohl der Wortlaut der Norm als auch der von den §§ 474 ff. BGB bezweckte Schutz des Verbrauchers. Überdies wird die Erbringung des Beweises, ob ein Mangel auf der Herstellung oder einem fehlerhaften Gebrauch der Sache beruht, dem Unternehmer leichter fallen, als dem Verbraucher.

Hinweis: Die Beweislastumkehr nach § 477 I BGB erstreckt sich auch darauf, dass ein nachweislich nach Lieferung aufgetretener Defekt auf einer bereits bei Lieferung vorhandenen Vertragswidrigkeit der Kaufsache (sog. „Grundmangel“) beruht (EuGH, Urt. v. 04.06.2015 – C-497/13, Rn. 70 (Faber); BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, Rn. 53).

Folglich wird vorliegend das Bestehen des Mangels zum Zeitpunkt der Übergabe der Hose an H nach § 477 I BGB vermutet.

d) Keine Unvereinbarkeit der Vermutung mit der Art des Mangel

Weiterhin dürfte die Vermutung mit der Art des Mangels nicht nach § 477 I 1 BGB unvereinbar sein. Eine solche Unvereinbarkeit liegt dann vor, wenn die Sache äußerlich leicht erkennbar beschädigt ist. Dies gilt jedoch nur, wenn der Mangel einem fachlich nicht versierten Käufer auffallen muss. Ein nicht fachmännisch angenähter Knopf ist für einen gewöhnlichen Kunden jedoch nicht ohne weiteres erkennbar. Die Vermutung ist hier somit nicht nach § 477 I 1 BGB mit der Art des Mangels unvereinbar.

Damit lag der Mangel bereits bei Gefahrübergang vor.

4. Nacherfüllungsverlangen des K

Hier hat H von S zunächst das Annähen des Knopfes verlangt. Ein Nacherfüllungsverlangen des H liegt mithin vor.

5. Kein Ausschluss

Der Anspruch des H auf Nacherfüllung dürfte zudem nicht ausgeschlossen sein. Ein vertraglicher Ausschluss ist nicht ersichtlich. Auch ist § 377 HGB nicht anwendbar, da H kein Unternehmer ist. Zudem hat H von dem Mangel auch keine Kenntnis i.S.d. § 442 I 1 BGB bzw. grob fahrlässige Unkenntnis i.S.v. § 442 I 2 BGB. Der Anspruch des H auf Nacherfüllung ist mithin nicht ausgeschlossen.

6. Ergebnis

Der Anspruch des H gegen S auf Annähen des Knopfes aus den §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB ist zunächst wirksam entstanden.

II. Anspruch nicht erloschen

Es sind keine Erlöschensgründe ersichtlich.

III. Anspruch durchsetzbar

Der Anspruch des H müsste auch durchsetzbar sein. Hier kommt als rechtshemmende Einrede § 439 IV BGB in Betracht. Nach § 439 IV 1 BGB kann der Verkäufer die gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte (§ 439 IV 2 BGB). Das Annähen des Knopfes würde gerade einmal 5 Euro kosten. In Bezug auf den Kaufpreis (300 Euro) und die Kosten für eine Neulieferung (ca. 150 Euro) erscheinen diese Kosten für eine Nachbesserung der mangelhaften Hose nicht unverhältnismäßig. Auch ist eine Nachbesserung vorliegend erheblich günstiger als eine Nachlieferung. S kann vorliegend die Nachbesserung in Form des Annähens des Knopfes nicht nach § 439 IV 1 BGB verweigern.

Der Anspruch des H gegen S ist somit auch durchsetzbar.

IV. Ergebnis

H hat gegen S einen Anspruch auf Annähen des Knopfes nach den §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB.

B. Anspruch H gegen S auf Nachlieferung einer neuen Hose aus den §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB

H könnte gegen S weiterhin einen Anspruch auf Nachlieferung einer neuen Hose aus den §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB haben.

I. Anspruch entstanden

1. Wirksamer Kaufvertrag

Hier haben H und S einen Werklieferungsvertrag geschlossen, auf den nach § 650 I 1 BGB die Vorschriften über den Kauf anwendbar sind (s.o.).

2. Mangel bei Gefahrübergang

Auch litt die Hose zum Zeitpunkt der Übergabe der Hose an H an einem Sachmangel (s.o.).

3. Nacherfüllungsverlangen des H

H verlangt von S zudem die Nacherfüllung in Form der Nachlieferung (s.o.).

4. Kein Ausschluss

Der Anspruch des H gegen S auf Nachlieferung einer neuen Hose ist nicht ausgeschlossen (s.o.).

5. Ergebnis

Dieser Anspruch ist mithin zunächst wirksam entstanden.

II. Anspruch nicht erloschen

Der Anspruch des H dürfte zudem nicht erloschen sein. Hier könnte der Anspruch nach § 275 I BGB erloschen sein, da es sich bei der Lederhose um eine Stückschuld handelt. Ob die Nacherfüllung in Form der Nachlieferung bei einer Stückschuld unmöglich ist, ist umstritten.

1. Eine Ansicht

Nach einer Ansicht ist eine Nachlieferung bei einer Stückschuld unmöglich, da das Schuldverhältnis von vornherein nach der Parteivereinbarung auf die in Frage stehende Sache beschränkt war. Schließlich handele es sich bei dem Nacherfüllungsanspruch lediglich um eine Modifikation des Primäranspruchs. Nach dieser Ansicht wäre es S nach § 275 I BGB unmöglich eine neue Hose nachzuliefern.

2. Andere Ansicht

Nach einer anderen Ansicht ist eine Nachlieferung im Falle einer Stückschuld zumindest dann möglich, wenn es sich bei der Sache um eine vertretbare Sache i.S.d. § 91 BGB handelt. Nach § 91 BGB liegt eine vertretbare Sache vor, wenn es sich um bewegliche Sachen handelt, die im Verkehr nach Zahl, Maß und Gewicht bestimmt zu werden pflegen. Bei einer maßgeschneiderten Hose kann es sich folglich nur um eine nicht vertretbare Sache handeln. Eine Nachlieferung wäre vorliegend somit auch nach dieser Ansicht ausgeschlossen.

3. Weitere Ansicht

Eine weitere Ansicht hält eine Nachlieferung hingegen auch im Falle einer Stückschuld grundsätzlich für möglich, außer es handelt sich bei der Sache um ein Unikat, so dass die Sache nicht ersetzbar ist. Vorliegend handelt es sich bei der Hose nicht um ein Unikat. Vielmehr kann die Hose durch die Herstellung einer neuen gleichwertigen Hose ersetzt werden.

4. Stellungnahme

Die letztgenannte Ansicht ist vorzugswürdig. Für sie spricht insbesondere der Umstand, dass § 439 I BGB, nicht zwischen einer Gattungs- und einer Stückschuld differenziert. Zudem bleibt dem Verkäufer die Einrede des § 439 IV BGB als Verweigerungsrecht hinsichtlich der durch den Käufer gewählten Art der Nacherfüllung. Im Hinblick auf die zweitgenannte Ansicht ist zudem anzumerken, dass bei einem Werklieferungsvertrag die Annahme einer Stückschuld grundsätzlich zum Ausschluss des Ersatzlieferungsanspruchs führen würde, was mit dem Gesetzeswortlaut nur schwer zu vereinbaren ist.

Folglich ist mit der dritten Ansicht eine Unmöglichkeit der Nachlieferung nach § 275 I BGB zu verneinen.

III. Anspruch durchsetzbar

Der Anspruch des H gegen S auf Nachlieferung müsste aber auch durchsetzbar sein. Hier kommt wiederum die Einrede des § 439 IV BGB in Betracht. Danach kann der Verkäufer die gewählte Art der Nacherfüllung bei relativer oder absoluter Unverhältnismäßigkeit verweigern.

1. Absolute Unverhältnismäßigkeit

Absolute Unverhältnismäßigkeit liegt immer dann vor, wenn die Kosten der Nacherfüllung außer Verhältnis zum objektiven Wert der Sache in mangelfreiem Zustand stehen. . Eine solche absolute Unverhältnismäßigkeit wird sowohl bei Nacherfüllungskosten in Höhe von 150 % des Wertes der Sache im mangelfreien Zustand, als auch in Höhe von 100 % des Wertes der Sache im mangelfreien Zustand angenommen. Vorliegend würden die Kosten der Nachlieferung wohl nicht viel mehr als den objektiven Wert der mangelfreien Hose in Höhe von 150 Euro ausmachen. Es ist somit anzunehmen, dass eine absolute Unverhältnismäßigkeit nicht vorliegt.

2. Relative Unverhältnismäßigkeit

Eine relative Unverhältnismäßigkeit liegt vor, wenn die Kosten der gewählten Art der Nacherfüllung erheblich höher sind, als die Kosten für die andere Art der Nacherfüllung. Relative Unverhältnismäßigkeit wird insbesondere dann angenommen, wenn die Kosten für die gewählte Art der Nacherfüllung 20 % höher sind, als die Kosten für die andere Variante der Nacherfüllung. Vorliegend belaufen sich die Kosten für eine Nachbesserung auf 5 Euro, wohingegen eine Ersatzlieferung Kosten i.H.v. etwa 150 Euro entstünden. Die Kosten für die Nachlieferung betragen somit das 30-fache der Kosten für die Nachbesserung. S kann sich somit gegenüber H auf die Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung berufen.

3. Ergebnis

Der Anspruch des H gegen S auf Nachlieferung ist mithin nicht durchsetzbar.

IV. Ergebnis

H hat gegen S keinen Anspruch auf Nachlieferung einer neuen Hose aus §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB.

C. Anspruch H gegen S auf Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 437 Nr. 2, 323 I 2. Fall, 440, 346 I BGB

H könnte gegen S jedoch einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus den §§ 437 Nr. 2, 323 I 2. Fall, 440, 346 I BGB haben.

I. Wirksamer Kaufvertrag

Hier haben H und S einen Werklieferungsvertrag geschlossen, auf den nach § 650 I 1 BGB die Vorschriften über den Kauf anwendbar sind (s.o.).

II. Mangel bei Gefahrübergang

Auch litt die Hose zum Zeitpunkt der Übergabe der Hose an H an einem Sachmangel (s.o.).

III. Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung

Weiterhin müsste H dem S eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben, vgl. § 323 I BGB. Vorliegend ist eine solche Fristsetzung nicht erfolgt. Fraglich ist allerdings, ob es einer Fristsetzung überhaupt bedarf. Vorliegend hat S beide Arten der Nacherfüllung wegen Unzumutbarkeit nach § 439 IV BGB verweigert. Zudem rechtfertigt das Verhalten des S die Annahme einer Unzumutbarkeit hinsichtlich einer Fristsetzung zur Nacherfüllung. Einer Fristsetzung bedarf es somit nach § 440 S. 1 BGB nicht.

IV. Kein Ausschluss

Das Rücktrittsrecht des H dürfte allerdings nicht ausgeschlossen sein. Nach § 323 V 2 BGB kann der Gläubiger von dem Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist. Hier betragen die Kosten für ein Annähen des Knopfes 5 Euro (bzw. 12 Euro bei einem anderen Schneider). Im Hinblick auf den Kaufpreis und den Wert der Sache in mangelfreiem Zustand sowie die leichte Behebbarkeit eines solchen Mangels erscheint der abgesprungene Hosenknopf als unerhebliche Pflichtverletzung i.S.d. § 323 V 2 BGB. Das Rücktrittsrecht des H ist somit nach § 323 V 2 BGB ausgeschlossen.

V. Ergebnis

H hat gegen S keinen Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises gemäß den §§ 437 Nr. 2, 323 I 2. Fall, 440, 346 I BGB.

D. Anspruch H gegen S auf anteilige Rückgewähr des Kaufpreises gemäß den §§ 437 Nr. 2, 323 I 2. Fall, 441 I, IV, 346 I BGB

H könnte gegen S allerdings einen Anspruch auf anteilige Rückgewähr des Kaufpreises nach den §§ 437 Nr. 2, 323 I 2. Fall, 441 I, IV, 346 I BGB in Höhe von 5 Euro haben.

I. Wirksamer Kaufvertrag

Hier haben H und S einen Werklieferungsvertrag geschlossen, auf den nach § 650 I 1 BGB die Vorschriften über den Kauf anwendbar sind (s.o.).

II. Mangel bei Gefahrübergang

Auch litt die Hose zum Zeitpunkt der Übergabe der Hose an H an einem Sachmangel (s.o.).

III. Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung

Eine Fristsetzung ist vorliegend nach § 440 S. 1 BGB entbehrlich (s.o.).

IV. Kein Ausschluss

Einer Minderung steht insbesondere nicht entgegen, dass die Pflichtverletzung hier unerheblich ist, vgl. § 441 I 2 BGB. Der Anspruch des H auf Minderung des Kaufpreises ist nicht ausgeschlossen.

V. Minderungserklärung

H müsste zudem noch die Minderung gegenüber S erklären, § 349 BGB.

VI. Ergebnis

H hat gegen S einen Anspruch auf anteilige Rückgewähr des Kaufpreises i.H.v. 5 Euro nach den §§ 437 Nr. 2, 323 I 2. Fall, 441 I, IV, 346 I BGB.

E. Anspruch des H gegen S auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß den §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 BGB

H könnte gegen S zudem einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß den §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 BGB auf Zahlung von 12 Euro haben.

I. Wirksamer Kaufvertrag

Hier haben H und S einen Werklieferungsvertrag geschlossen, auf den nach § 650 I 1 BGB die Vorschriften über den Kauf anwendbar sind (s.o.).

II. Mangel bei Gefahrübergang

Auch litt die Hose zum Zeitpunkt der Übergabe der Hose an H an einem Sachmangel (s.o.).

III. Voraussetzungen der §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB

1. Schuldverhältnis

Ein Schuldverhältnis liegt hier in dem zwischen H und S geschlossenen Werklieferungsvertrag.

2. Pflichtverletzung

Die Pflichtverletzung besteht vorliegend in der Schlechtleistung des S (s.o.).

3. Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung

Eine Fristsetzung ist hier nach § 440 S. 1 BGB entbehrlich (s.o.).

4. Vertretenmüssen

S müsste die Pflichtverletzung auch zu vertreten haben. Hier hat S beide Arten der Nacherfüllung vorsätzlich verweigert. Er hat die Pflichtverletzung mithin auch zu vertreten und sich somit nicht gemäß § 280 I 2 BGB exkulpieren.

5. Rechtsfolge: Schadensersatz

S hat H somit den ihm entstandenen Schaden zu ersetzen. H hat grundsätzlich die Wahl zwischen großem und kleinem Schadensersatz. Großer Schadensersatz, also Schadensersatz statt der ganzen Leistung, kann jedoch nur verlangt werden, wenn die Pflichtverletzung nicht unerheblich ist, vgl. § 281 I 3 BGB. Vorliegend ist die Pflichtverletzung unerheblich (s.o.). H ist somit darauf beschränkt, die Kosten für die Mangelbeseitigung i.H.v. 12 Euro zu fordern.

IV. Ergebnis

H hat gegen S einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung i.H.v. 12 Euro aus den §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 BGB.