Fall: Teure Kosmetik

Die S fährt mit ihrem Auto in die Stadt, um dort einen Termin bei ihrer Kosmetikerin wahrzunehmen. Beim Kosmetikstudio angekommen, parkt S den Pkw direkt vor der Garagenausfahrt eines Anliegers (A). Zehn Minuten später bemerkt die Journalistin (J), die dem A einen Besuch abgestattet und in der Garage geparkt hatte, dass die Ausfahrt versperrt ist. J bemüht sich vergeblich, in den umliegenden Häusern den Fahrer des Fahrzeuges ausfindig zu machen, das die Ausfahrt blockiert. In der Hoffnung, dass der Fahrer bald kommen werde, wartet J noch weitere fünfzehn Minuten. Da sie jedoch einen geschäftlichen Termin in dem Konferenzraum des Flughafens hat und die Zeit drängt, entscheidet sich die J angesichts der Tatsache, dass eine Taxifahrt zu dem weit entfernten Flughafen ca. 120 Euro kosten würde, ein Abschleppunternehmen zu bestellen. In kurzer Frist löst das beauftragte Unternehmen (U) das Problem, indem es das Fahrzeug der S auf der gegenüber liegenden Straßenseite abstellt. Dafür zahlt J 60 Euro. Als J endlich wegfahren will, taucht die Studentin S auf, die sich aber weigert, der J die bezahlten Abschleppkosten zu erstatten. Sie hätte doch einfach warten können, sagt S.

Bei einem Inspektionsgang um ihr Fahrzeug muss die S zu allem Überfluss feststellen, dass das Fahrzeug Kratzspuren an der Fahrertür aufweist. Die Kratzspuren – das wird später sachverständig festgestellt – rühren von einer unsachgemäßen Bedienung der Hebevorrichtung durch U her. Die Reparaturkosten belaufen sich auf 370 Euro.

Frage 1: Kann J von S die Zahlung der Abschleppkosten in Höhe von 60 Euro verlangen?

Frage 2: Kann S von J den Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von 370 Euro verlangen?




1. Teil: Ansprüche J gegen S

A. Anspruch J gegen S auf Zahlung der Abschleppkosten i.H.v. 60 Euro gemäß §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB
J könnte gegen S einen Anspruch auf Zahlung der Abschleppkosten i.H.v. 60 Euro gemäß den §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB haben.

I. Fremdes Geschäft
Hierfür müsste J zunächst ein fremdes Geschäft i.S.d. § 677 BGB besorgt haben. Geschäft ist jedes tatsächliche und rechtsgeschäftliche Handeln mit wirtschaftlichen Folgen, das sich nicht nur auf ein bloßes Geben beschränkt. Fremd ist hingegen jedes Geschäft, das in den Interessen- und Pflichtenkreis eines anderen fällt. Hier hat J mit U einen Werkvertrag nach § 631 BGB abgeschlossen, der das Abschleppen bzw. Umsetzen des PKW der S zum Inhalt hat. Denn S hinderte durch ihr verkehrswidriges Parken vor der Garagenausfahrt J an der Nutzung ihres PKW und störte sie damit in ihrem Besitz nach § 858 I BGB. Die sofortige Beseitigung dieser Störung ist nach den §§ 862 I, 1004 I BGB die Pflicht des Schuldners, vgl. § 362 I BGB. Allerdings hat J hier an der Beseitigung der Besitzstörung ein eigenes Interesse, da sie ihren PKW nutzen möchte, um einen wichtigen Termin am Flughafen wahrnehmen zu können. Mithin handelt es sich bei der Beauftragung des Abschleppunternehmers um ein objektiv auch-fremdes Geschäft i.S.d. § 677 BGB.

II. Fremdgeschäftsführungswille
J müsste weiterhin über den erforderlichen Fremdgeschäftsführungswillen verfügen. Dieser liegt vor, wenn der Geschäftsführer in dem Bewusstsein und dem Willen ein Geschäft besorgt, dass es in den Interessen- und Pflichtenkreis eines anderen fällt. Bei objektiv (auch-)fremden Geschäften wird dieser Fremdgeschäftsführungswille vermutet. Mangels gegenteiliger Hinweise handelte J mithin auch mit dem erforderlichen Fremdgeschäftsführungswillen.

III. Ohne Auftrag
Da S hier nicht auffindbar war und auch nach längerem Warten der J nicht auftauchte, handelte J auch ohne einen Auftrag der S, als sie den Werkvertrag mit U abschloss und den Werklohn i.H.v. 60 Euro entrichtete.

IV. Übereinstimmung mit dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn
Nach § 677 BGB ist der Geschäftsführer zudem dazu verpflichtet, das Geschäft so zu besorgen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen und mutmaßlichen Willen es erfordert.

1. Interesse
Das Interesse des Geschäftsherrn ist nach objektiven Kriterien zu ermitteln und liegt dann vor, wenn das Geschäft objektiv nützlich und subjektiv auf die Verhältnisse des Geschäftsherrn bezogen ist. Das Geschäft muss demzufolge sachlich nützlich sein. Hier wird S durch das Abschleppen bzw. Umsetzen ihres Kraftfahrzeugs von ihrer Pflicht zur Beseitigung der Besitzstörung aus den §§ 862 I, 1004 I BGB frei. Zwar wird S grundsätzlich kein Interesse an der Tragung der Kosten haben, diese stellen jedoch nur eine Rechtsfolge des Abschleppens dar und sind damit für die Ermittlung des Interesses unerheblich. Mithin waren der Abschluss des Werkvertrags mit U und das Abschleppen des PKW im Interesse der S.

2. Wirklicher Wille
Zudem müsste die Geschäftsbesorgung auch mit dem wirklichen bzw. mutmaßlichen Willen der S übereinstimmen. Hier ist dem Sachverhalt der wirkliche Wille der S nicht zu entnehmen, so dass nicht zu ermitteln ist, ob die Beauftragung des U mit dem Abschleppen des Wagens mit dem tatsächlichen Willen der S übereinstimmt.

3. Mutmaßlicher Wille
Die Geschäftsbesorgung könnte jedoch dem mutmaßlichen Willen der S entsprechen. Dieser ist nach subjektiven Kriterien zu ermitteln, so dass in dem Fall eines Abschleppens eines PKW auch die Kostentragung eine Rolle spielt. Grundsätzlich ist anzunehmen, dass – sofern S die Kosten des Abschleppens tatsächlich tragen muss – es ihrem Willen entspräche, dass J anstelle der doppelt so teuren Taxifahrt zum Flughafen lediglich die Wahl trifft, den U mit dem Umsetzen des PKW zu beauftragen und einen Werklohn i.H.v. 60 Euro zu entrichten. Dem Sachverhalt ist allerdings zu entnehmen, dass S davon ausgeht, J wäre es zuzumuten gewesen, bis zu ihrer Rückkehr aus dem Kosmetikstudio zu warten, so dass sie ihren PKW hätte selbst wegfahren können. Dies lässt erkennen, dass S sowohl die Beauftragung des U, als auch die Tragung der Taxifahrtkosten abgelehnt hätte. Mithin entspricht die Geschäftsbesorgung der J nicht dem mutmaßlichen Willen der S.

V. Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willens
Nach § 679 BGB ist der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn jedoch unbeachtlich, wenn ohne die Geschäftsbesorgung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden kann.

1. Pflicht des Geschäftsherrn
Hierfür müsste zunächst eine Pflicht der S bestehen, die sofort zu erfüllen ist. Hier kann J ihren PKW infolge des verkehrswidrig abgestellten Fahrzeugs der S nicht nutzen. Mithin ist sie in ihrem Besitz nach § 858 I BGB gestört, so dass S nach den §§ 862 I, 1004 I BGB verpflichtet ist, die Störung sofort zu beseitigen Mithin besteht eine Pflicht der S zum sofortigen Wegfahren ihres Wagens, damit die Störung schnellstmöglich beseitigt wird. Mithin liegt eine Pflicht i.S.d. § 679 BGB vor.


2. Im öffentlichen Interesse
Die Erfüllung dieser Pflicht müsste zudem im öffentlichen Interesse sein, vgl. § 679 BGB. Dies ist immer dann der Fall, wenn durch das Ausbleiben der Pflichterfüllung eine konkrete Gefährdung bzw. Beeinträchtigung öffentlicher Interessen entsteht. Wann die Pflichterfüllung dem öffentlichen Interesse entspricht, ist jedoch umstritten.

a) Eine Ansicht
Nach einer Ansicht ist die Erfüllung der bestehenden Pflicht des Geschäftsherrn nur im öffentlichen Interesse, wenn eine konkrete und dringende Gefahr für hohe Rechtsgüter, namentlich Körper, Leben, Gesundheit oder hochwertige Sachgüter besteht. Hier hat S ihren PKW zwar Verkehrswidrig abgestellt, jedoch nicht vor einer Feuerwehrausfahrt oder im absoluten Halteverbot geparkt, so dass eine Gefahr für Leben, Körper, Gesundheit oder hochwertige Sachgüter nicht ersichtlich ist. Hiernach wäre das Abschleppen des PKW mithin nicht im öffentlichen Interesse.

b) Andere Ansicht
Nach einer anderen Ansicht die Erfüllung einer Pflicht immer dann im öffentlichen Interesse, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht. Hier ist das Parken vor Grundstückausfahrten nach § 12 III Nr. 3 StVO verboten und stört zudem andere Halter bzw. Fahrer wie auch den Grundstückseigentümer in ihrem Besitz nach § 858 I BGB. Auch beinhaltet dieses Parkverbot ein sofortiges Wegfahrgebot. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit liegt mithin vor. Die Durchsetzung des Wegfahrgebots wie auch die Beseitigung der Störung läge hiernach somit im öffentlichen Interesse.

c) Stellungnahme
Die zweitgenannte Ansicht ist vorzugswürdig. Zwar wird im Falle einer Gefahr hochrangiger Rechtsgüter die Erfüllung der Pflicht des Geschäftsherrn ausnahmslos im öffentlichen Interesse sein. Dies kann jedoch nicht bedeuten, dass ein öffentliches Interesse an der Beseitigung einer Gefahr für andere Rechtsgüter, die durch gesetzliche Normen explizit geschützt werden, grundsätzlich nicht besteht. Vielmehr muss gerade in den Fällen, in welchen wie beim Parken vor fremden Grundstücksausfahrten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht bzw. sich bereits realisiert hat, die Abwendung dieser Gefahren wie auch die Durchsetzung der Rechtsordnung im öffentlichen Interesse sein. Mithin ist auch das Umsetzen eines verkehrswidrig abgestellten PKW eine Pflicht, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse ist.

VI. Rechtsfolge: Aufwendungsersatz nach den §§ 683 S. 1, 670 BGB
Nach § 683 S. 1 BGB hat S somit J die von ihr getätigten Aufwendungen wie einem Beauftragten nach § 670 BGB zu ersetzen. Mithin müsste J Aufwendungen getätigt haben, die sie für erforderlich halten durfte. Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer. Hier hat J freiwillig mit U über das Abschleppen des PKW der S einen Werkvertrag i.S.d. § 631 BGB geschlossen und den infolgedessen entstandenen Werklohn i.H.v. 60 Euro gezahlt. Hierbei handelt es sich folglich um Aufwendungen i.S.d. § 670 BGB. Weiterhin müsste J diese Aufwendungen auch für erforderlich gehalten haben dürfen. Laut Sachverhalt hat J zunächst versucht, den Fahrer des Wagens ausfindig zu machen, um dann weitere 15 Minuten auf dessen Erscheinen zu warten. Erst dann hat J den U mit dem Abschleppen des PKW in dem Wissen beauftragt, dass eine Taxifahrt zum Flughafen doppelt so kostspielig gewesen wäre. J blieb mithin keine andere Möglichkeit, die Besitzstörung zu beseitigen. Mithin durfte J den Vertragsschluss mit U und die Entrichtung des Werklohns für erforderlich i.S.d. § 670 BGB halten.
Somit ist S nach den §§ 683 S. 1, 670 BGB verpflichtet, J die von ihr getätigten Aufwendungen zu ersetzen.

VII. Ergebnis
Folglich hat J gegen S einen Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten i.H.v. 60 Euro nach den §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB.

B. Anspruch J gegen S auf Erstattung der Abschleppkosten i.H.v. 60 Euro gemäß § 823 I BGB
J könnte zudem einen Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten i.H.v. 60 Euro gemäß § 823 I BGB haben.

I. Rechtsgutsverletzung
Hierfür müsste zunächst eines der in § 823 I BGB genannten Rechtsgüter der J verletzt worden sein.

1. Eigentumsverletzung
Hier könnte J zunächst in ihrem Eigentum an dem PKW verletzt worden sein. Eine Eigentumsverletzung liegt grundsätzlich vor, wenn eine Entziehung des Eigentums oder eine Substanzbeeinträchtigung vorliegt, Hier ist J an der Nutzung ihres Kraftfahrzeugs gehindert. Eine Entziehung des Eigentums oder eine Substanzbeeinträchtigung liegt mithin nicht vor. Jedoch liegt eine Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 I BGB auch dann vor, wenn dem Berechtigten der bestimmungsgemäße Gebrauch des Eigentums für längere Zeit vollständig entzogen oder unmöglich gemacht wird. Hier ist J der bestimmungsgemäße Gebrauch ihres KfZ aufgrund des verkehrswidrigen Parkens der S unmöglich. Hier weiß J nicht, wann der Fahrer des Wagens erscheint, so dass auch eine längere Gebrauchsbeeinträchtigung besteht. Somit liegt eine Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 I BGB vor.

2. Besitzbeeinträchtigung
Hier ist J durch das Falschparken zudem in ihrem Gebrauchsrecht als Besitzerin beeinträchtigt. Der Besitz ist ein sonstiges Recht i.S.d. § 823 I BGB. Mithin liegt auch eine Verletzung des Besitzrechts vor.

II. Verletzungshandlung
Weiterhin hat S den Wagen verbotswidrig geparkt und damit eine Verletzungshandlung i.S.d. § 823 I BGB begangen.

III. Haftungsbegründende Kausalität
Auch war das verkehrswidrige Parken der S vor der Grundstücksausfahrt adäquat-kausal für die bei J eingetretene Besitz- und Eigentumsverletzung.

IV. Rechtswidrigkeit
Mangels eingreifender Rechtsfertigungsgründe handelte S auch rechtswidrig.

V. Verschulden
Hier hat S bei dem Falschparken ihres Wagens die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und handelte damit fahrlässig i.S.d. § 276 I, II BGB. Mithin hat S die Verletzungshandlung auch zu vertreten.

VI. Rechtsfolge: §§ 249 ff. BGB
Somit hat S der J den ihr entstandenen Schaden nach den §§ 249 ff. BGB zu ersetzen. Vorliegend musste J zur Beseitigung der Störung den Abschleppunternehmer U beauftragen und den dadurch entstandenen Werklohn i.H.v. 60 Euro entrichten. Ihr Vermögen ist mithin um 60 Euro gemindert worden. Hier schloss J zwar freiwillig den Werkvertrag mit U, so dass ihr im wörtlichen Sinne kein Schaden entstanden ist. Der Zurechnungszusammenhang wird jedoch nicht unterbrochen, wenn das Verhalten des Verletzenden die Handlung des Verletzten herausgefordert hat und diese keine ungewöhnliche Reaktion auf das haftungsbegründende Ereignis darstellt. Dies ist hier der Fall, so dass die Abschleppkosten einen Schaden der J darstellen. Auch trifft S vorliegend kein Mitverschulden i.S.d. § 254 BGB, da sie zur Störungsbeseitigung die kostengünstigste Variante gewählt hat und diese auch erst nach einer gewissen Wartezeit hat vornehmen lassen. Mithin steht J der Ersatz der vollständigen Abschleppkosten nach den §§ 249 ff. BGB zu.

VII. Ergebnis
Folglich hat J gegen S zusätzlich einen Anspruch auf Ersatz der Abschleppkosten i.H.v. 60 Euro aus § 823 I BGB.

C. Anspruch J gegen S auf Erstattung der Abschleppkosten i.H.v. 60 Euro gemäß § 823 II BGB i.V.m. § 858 I BGB
J könnte gegen S zudem einen Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten I.H.v. 60 Euro gemäß § 823 II BGB i.V.m. § 858 I BGB haben.

I. Verletzung eines Schutzgesetzes
Hierfür müsste zunächst eine Schutzgesetzverletzung i.S.d. § 823 II BGB vorliegen. Schutzgesetz ist jede Rechtsnorm, die auch dem Schutz von Individualrechtsgütern dient. Hier kommt § 858 I BGB als Schutzgesetz in Betracht. § 858 I BGB dient dem Schutz des Besitzers einer Sache vor Besitzstörungen und damit auch Individualrechtsgütern. Ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB liegt mithin vor. Weiterhin hat S vorliegend J durch das Falschparken ihres PKW ohne deren Willen widerrechtlich im Besitz gestört und folglich mit verbotener Eigenmacht i.S.d. § 858 I BGB gehandelt. Eine Schutzgesetzverletzung ist mithin gegeben.


II. Haftungsbegründende Kausalität
Auch hat das verkehrswidrige Parken der S die Schutzgutverletzung adäquat-kausal verursacht.

III. Rechtswidrigkeit
Mangels eingreifender Rechtsfertigungsgründe handelte S auch rechtswidrig.

IV. Verschulden
Zudem hat S die Schutzgesetzverletzung auch zu vertreten (s.o.).

V. Rechtsfolge: §§ 249 ff. BGB
S ist somit verpflichtet, den der J entstandenen Schaden i.H.d. Abschleppkosten nach den §§ 249 ff. BGB zu ersetzen (s.o.).

VI. Ergebnis
Folglich hat J gegen S einen Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten i.H.v. 60 Euro gemäß § 823 II BGB i.V.m. § 858 I BGB.

D. Anspruch J gegen S auf Erstattung der Abschleppkosten i.H.v. 60 Euro gemäß § 823 II BGB i.V.m. § 12 III Nr. 3 StVO
J könnte weiterhin gegen S einen Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten i.H.v. 60 Euro gemäß § 823 II BGB i.V.m. § 12 III Nr. 3 StVO haben.

I. Schutzgesetzverletzung
Hierfür müsste zunächst eine Schutzgesetzverletzung i.S.d. § 823 II BGB vorliegen. Schutzgesetz ist jede Rechtsnorm, die auch dem Schutz von Individualrechtsgütern dient. Hier kommt § 12 III Nr. 3 StVO als Schutzgesetz in Betracht. § 12 III Nr. 3 StVO verbietet das Parken vor Grundstücksausfahrten. Hier hat S vor der Garagenausfahrt des A geparkt und folglich gegen § 12 III Nr. 3 StVO verstoßen. Mithin ist lediglich fraglich, ob es sich bei § 12 III Nr. 3 StVO um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB handelt. Der Schutzgesetzcharakter könnte bei Normen der StVO grundsätzlich bezweifelt werden, weil diese dem allgemeinen Verkehr und damit vor allem der Allgemeinheit dienen. Allerdings werden daneben auch teilweise Rechtsgüter des Einzelnen geschützt. Schutzobjekt des § 12 III Nr. 3 StVO ist die Grundstücksausfahrt. Mithin dient § 12 III Nr. 3 StVO der Anbindung des Grundstücks an den Verkehr. Hier ist J Besucherin des A und gehört damit zum geschützten Personenkreis. Somit liegt eine Schutzgesetzverletzung i.S.d. § 823 II BGB vor.

II. Haftungsbegründende Kausalität
Auch hat das verkehrswidrige Parken der S die Schutzgutverletzung adäquat-kausal verursacht.

III. Rechtswidrigkeit
Mangels eingreifender Rechtsfertigungsgründe handelte S auch rechtswidrig.


IV. Verschulden
Zudem hat S die Schutzgesetzverletzung auch zu vertreten (s.o.).

V. Rechtsfolge: §§ 249 ff. BGB
S ist somit verpflichtet, den der J entstandenen Schaden i.H.d. Abschleppkosten nach den §§ 249 ff. BGB zu ersetzen (s.o.).

VI. Ergebnis
Folglich hat J gegen S einen Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten i.H.v. 60 Euro gemäß § 823 II BGB i.V.m. § 12 III Nr. 3 StVO.

E. Anspruch J gegen S auf Erstattung der Abschleppkosten i.H.v. 60 Euro nach § 812 I 1 1. Fall BGB
J könnte gegen S zudem einen Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten i.H.v. 60 Euro nach § 812 I 1 1. Fall BGB haben.

I. Etwas erlangt
Hierfür müsste S etwas erlangt haben. Dies ist jeder vermögenswerte Vorteil. Hier hat S sich die Aufwendungen des Umsetzens ihres PKW erspart und damit einen vermögenswerten Vorteil i.S.d. § 812 I 1 1. Fall BGB erlangt.

II. Durch Leistung
Dies müsste S auch durch eine Leistung der J erlangt haben. Leistung ist jede bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Hier hat J durch Beauftragung des U und Zahlung des Werklohns das Vermögen der S bewusst und zweckgerichtet aufgrund der Erfüllung ihrer Pflichten als Geschäftsführer gemehrt. Eine Leistung der J an S liegt mithin vor.

III. Ohne Rechtsgrund
Weiterhin dürfte für diese Leistung kein Rechtsgrund bestehen. Nach überwiegender Auffassung stellt die echte, berechtigte GoA einen Rechtsgrund i.S.d. § 812 I 1 1. Fall BGB dar. Mithin besteht für die Leistung der J an S ein Rechtsgrund.

IV. Ergebnis
Folglich hat J gegen S keinen Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten i.H.v. 60 Euro gemäß § 812 I 1 1. Fall BGB.


2. Teil: Ansprüche S gegen J

A. Anspruch S gegen J auf Schadensersatz i.H.d. Reparaturkosten gemäß § 280 I BGB
S könnte gegen J einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.d. Reparaturkosten gemäß § 280 I BGB haben.

I. Schuldverhältnis
Hierfür müsste zwischen S und J ein Schuldverhältnis i.S.d. § 280 I BGB bestehen. Die echte, berechtigte GoA ist ein gesetzliches Schuldverhältnis. Hier hat J gegen S einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach den §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB aus echter, berechtigter GoA. Ein Schuldverhältnis i.S.d. § 280 I BGB liegt mithin vor.

II. Pflichtverletzung
Zudem müsste J eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt haben. Nach § 677 BGB hat der Geschäftsführer das Geschäft ordnungsgemäß zu besorgen. Eine Pflichtverletzung liegt folglich dann vor, wenn er das Geschäft schlecht ausführt. Die Reichweite der Pflicht zur ordentlichen Durchführung der Geschäftsbesorgung richtet sich dabei nach den Pflichten, die im Falle eines wirksamen Vertrags bestanden hätten. Wäre J zur Abschleppung des PKW beauftragt worden, so wäre sie dazu verpflichtet gewesen, diese derart durchzuführen, dass an dem PKW kein Schaden entstanden wäre. Hier ist das Fahrzeug der S während des Abschleppvorgangs beschädigt worden. Eine Pflichtverletzung der J liegt mithin vor.

III. Vertretenmüssen
J müsste diese Pflichtverletzung zudem zu vertreten haben, vgl. § 280 I 2 BGB. Hier hat J selbst den Schaden an dem PKW der S nicht verursacht. Vielmehr ist der Schaden auf ein unachtsames Verhalten des U zurückzuführen. Dieses Verhalten könnte der J jedoch über § 278 BGB zugerechnet werden, wenn U Erfüllungsgehilfe der J ist. Erfüllungsgehilfe ist, wer mit Wissen und Wollen des Schuldners in dessen Interessen- und Pflichtenkreis zur Erfüllung einer Verbindlichkeit tätig wird. Hier hat J mit U einen Werkvertrag i.S.d. § 631 BGB mit geschlossen, um ihre Pflicht aus der Geschäftsführung ohne Auftrag zu erfüllen. Mithin war U, als er das Umsetzen des PKW der S vornahm, mit Wissen und Wollen in ihrem Pflichtenkreis tätig. Auch war die ordnungsgemäße Durchführung des Abschleppvorgangs eine Pflicht der J. Somit ist U Erfüllungsgehilfe der J i.S.d. § 278 BGB. Weiterhin müsste U die Pflichtverletzung auch zu vertreten haben. Hier hat U beim Abschleppvorgang die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und dadurch den PKW der S beschädigt. U handelte somit fahrlässig i.S.d. § 276 I, II BGB und hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten.
Folglich ist J das Verschulden des U nach § 278 BGB zuzurechnen.

IV. Schaden
Zudem müsste S auch einen Schaden erlitten haben. Hier wurde der PKW der S infolge der Unachtsamkeit des U beschädigt und hat somit einen Minderwert. S ist mithin ein Schaden entstanden, so dass sie von J nach § 249 I die Reparatur des Wagens oder nach § 249 II 1 BGB den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen kann.

V. Ergebnis
Folglich hat S gegen J einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.d. Reparaturkosten nach § 280 I BGB.



B. Anspruch S gegen J auf Schadensersatz i.H.d. Reparaturkosten aus § 831 I 1 BGB
S könnte gegen J zudem einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.d. Reparaturkosten aus § 831 I 1 BGB haben. Hierfür müsste U zunächst Verrichtungsgehilfe der J sein. Verrichtungsgehilfe ist, wer mit Wissen und Wollen im Interessen- und Pflichtenkreis des Geschäftsherrn weisungsgebunden tätig ist. Ein Weisungsrecht des Geschäftsherrn besteht immer dann, wenn er die Tätigkeit des Handelnden jederzeit faktisch beschränken, untersagen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann. Hier hat J mit U zwar einen Werkvertrag i.S.d. § 631 I BGB geschlossen. Jedoch ist ein Weisungsrecht der J aus der vertraglichen Vereinbarung nicht ersichtlich. Mithin ist U kein Verrichtungsgehilfe der J.
S hat gegen J folglich keinen Anspruch auf Schadensersatz i.H.d. Reparaturkosten aus § 831 I 1 BGB.