Fall: Schwester S

Der 20-jährige K bittet ohne Kenntnis der Eltern seine 17-jährige Schwester S, ihm beim Verkäufer B drei Tafeln Schokolade zu kaufen und den Kaufpreis anschreiben zu lassen. Die S geht daraufhin zu B und sieht sich das Süßigkeitenangebot an. Schließlich entscheidet sich S dafür, ihrem Bruder nicht die gewünschten Tafeln Schokolade zu holen sondern drei Tüten Fruchtgummis, weil sie diese viel lieber mag. An der Kasse erklärt S dem B, dass sie die Fruchtgummis für ihren Bruder K kaufe und er das Geld am nächsten Tag vorbeibringen werde. Da die Geschwister dem B gut bekannt sind, ist B einverstanden und gibt der S die Fruchtgummis mit, obwohl es das erste Mal ist, dass S für K erscheint.
K ist aber damit nicht einverstanden und lässt S die Fruchtgummis zu B zurückbringen. Während sie dort ansteht, lässt sie die Tüten versehentlich fallen, so dass sie aufplatzen. Daher lehnt B die Rücknahme ab. Es gelingt der S, die Fruchtgummis für 5 Euro an den volljährigen X zu verkaufen, der die S, ohne Grund zum Zweifeln zu haben, für die Eigentümerin der Fruchtgummis und für eine Volljährige hält. X nimmt die Fruchtgummis entgegen, um sie bis zu seiner nächsten Party aufzubewahren.

Welche Ansprüche hat

1. der B gegen K?
2. der B gegen S?
3. die S gegen X?



1. Teil: Ansprüche B gegen K

A. Anspruch B gegen K auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 II BGB

I. Anspruch entstanden

1. Einigung
Zunächst müssten sich B und K geeinigt haben. Eine Einigung setzt zwei sich deckende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, voraus.

a) Zwischen B und K
Eine unmittelbare Einigung zwischen B und K liegt nicht vor, da K selbst keine Willenserklärung abgegeben hat.

b) Stellvertretung des K durch S
Eine Einigung zwischen B und K könnte jedoch entstanden sein, wenn K wirksam von S gemäß §§ 164 ff. BGB vertreten wurde.

aa) Eigene Willenserklärung
Für eine wirksame Stellvertretung müsste S nach § 164 I 1 BGB zunächst eine eigene Willenserklärung abgegeben haben. Dies ist nicht der Fall, wenn sie lediglich als Botin des K eine fremde Erklärung übermittelt hat. Eine eigene Willenserklärung der S ergibt sich vorliegend insbesondere daraus, dass sie sich entgegen der Bitte des K entschieden hat, Fruchtgummis zu kaufen. Die Minderjährigkeit der S steht einer wirksamen Stellvertretung gem. § 165 BGB nicht entgegen. S hat somit wirksam eine eigene Willenserklärung gem. § 164 I 1 BGB abgegeben.

bb) Im fremden Namen
Weiterhin müsste S auch i.S.d. Offenkundigkeitsprinzips des § 164 I 1 BGB im Namen des K gehandelt haben. Vorliegend hat sie ausdrücklich erklärt, die Fruchtgummis für ihren Bruder zu kaufen, so dass sie im fremden Namen gehandelt hat.

cc) Im Rahmen der Vertretungsmacht
S müsste zudem auch im Rahmen ihrer Vertretungsmacht gehandelt haben.

(1) Rechtsgeschäftlich
K hatte S mit der Bitte, drei Tafeln Schokolade zu kaufen, S rechtsgeschäftlich Vollmacht erteilt. S handelte somit grundsätzlich mit Vertretungsmacht. Fraglich ist jedoch, ob sie auch im Rahmen ihrer Vertretungsmacht handelte. Denn vorliegend war S von K gebeten worden, Schokolade zu kaufen. Es ist nicht ersichtlich, dass S damit auch berechtigt war, andere Süßigkeiten zu kaufen, oder gar selbst aussuchen sollte. Somit handelte S außerhalb des Rahmens ihrer Vertretungsmacht.

(2) Gesetzlich
Für das Bestehen einer gesetzlichen Vertretungsmacht gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte.

(3) Rechtsschein
Ebenso ist nicht ersichtlich, dass S des öfteren Geschäfte für K in dessen Namen tätigt, ohne vertretungsbefugt zu sein. Sowohl Anscheins- als auch Duldungsvollmacht sind somit nicht gegeben.

(4) Genehmigung
B könnte die Willenserklärung der S jedoch nachträglich gemäß § 177 I BGB genehmigt haben. Hier war K jedoch gerade nicht mit dem Kauf der S einverstanden, weshalb er sie auch zwecks Umtausches zum B zurückschickte. Eine Genehmigung des K liegt mithin nicht vor.
?
(5) Ergebnis
S handelte somit ohne Vertretungsmacht

2. Ergebnis
Mangels wirksamer Vertretung des K durch S konnte folglich keine Einigung zwischen K und B zustande kommen.

II. Ergebnis
Infolgedessen hat B gegen K keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 II BGB.

B. Anspruch B gegen K auf Schadensersatz gemäß §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB
B könnte jedoch einen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB (culpa in contrahendo) haben. Ein Schuldverhältnis könnte hier in einer Vertragsanbahnung gemäß § 311 II Nr. 2 BGB zu sehen sein, indem K die S zum Kauf der Schokolade zu B geschickt hat. Allerdings ist nicht ersichtlich, welche Pflichtverletzung K hier begangen haben soll. Dass K die S beauftragte, ihm Schokolade zu kaufen, kann allein keine Pflichtverletzung darstellen. Hier müsste sich K höchstens eine Pflichtverletzung der S zurechnen lassen. Diese hat mit der Auswahl des falschen Artikels jedoch nur gegenüber K eine Pflichtverletzung begangen, nicht jedoch gegenüber B.
Ein Anspruch aus culpa in contrahendo kommt vorliegend somit nicht in Betracht.


2. Teil: Ansprüche B gegen S

A. Anspruch B gegen S auf Zahlung des Kaufpreises nach § 433 II BGB
B könnte gegen S einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gemäß § 433 II BGB haben.
Eine Einigung zwischen B und S kommt vorliegend jedoch nicht in Betracht, da S offensichtlich für K handeln wollte. Ein Anspruch des B gegen S aus § 433 II BGB besteht somit nicht.

B. Anspruch B gegen S auf Zahlung des Kaufpreises aus § 179 I BGB
B könnte gegen S aber einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises aus § 179 I BGB haben.

I. Vertreter ohne Vertretungsmacht
S handelte vorliegend ohne Vertretungsmacht i.S.d. § 177 I BGB (s.o.)

II. Keine Genehmigung
Auch eine nachträgliche Genehmigung des Geschäfts seitens des K liegt nicht vor (s.o.).

III. Kein Ausschluss
Der Anspruch des B aus § 179 I BGB dürfte zudem nicht ausgeschlossen sein. S ist mit 17 Jahren noch minderjährig i.S.d. § 106 BGB. Ihre Haftung ist somit nach § 179 III 2 BGB ausgeschlossen.

IV. Ergebnis
Ein Anspruch des B gegen S auf Kaufpreiszahlung gemäß § 179 I BGB besteht folglich gemäß § 179 III 2 BGB nicht.

C. Anspruch B gegen S auf Schadensersatz gemäß §§ 989, 990 I BGB
B könnte gegen S einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 I BGB haben, weil S die Fruchtgummitüten fallen ließ.

I. Vindikationslage
Dann müsste, als die S die Tüten fallen ließ, eine Vindikationslage vorgelegen haben.

1. Besitz der S
Für das Vorliegen einer Vindikationslage müsste S Besitzerin der Fruchtgummis gewesen sein. Zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung – hier das Fallenlassen – hatte S die tatsächliche Gewalt über die Fruchtgummis inne und war damit gemäß § 854 I BGB Besitzerin.

2. Eigentum des B
Weiterhin müsste B noch Eigentümer der Fruchtgummis gewesen sein, als S diese fallen ließ.
?
a) Ursprünglich
Ursprünglich war B Eigentümer der Fruchtgummis. Dafür spricht zumindest die Vermutung der §§ 1006 I und II BGB.

b) Eigentumserwerb des K gemäß § 929 S. 1 BGB
B könnte sein Eigentum jedoch an K gemäß § 929 S. 1 BGB verloren haben.


aa) Einigung
Hierfür müssten sich B und K über den Eigentumsübergang nach § 929 S. 1 BGB geeinigt haben.

(1) Zwischen B und K
Eine unmittelbare Einigung zwischen B und K liegt nicht vor, da K selbst keine Willenserklärung abgegeben hat.

(2) Stellvertretung des K durch S
Vorliegend hat S auch im Hinblick auf die dingliche Einigung nicht im Rahmen ihrer Vertretungsmacht gehandelt. Eine wirksame Stellvertretung des K durch S bei der dinglichen Einigung nach den §§ 164 ff. BGB hat vorliegend somit nicht stattgefunden.

bb) Ergebnis
Mangels dinglicher Einigung hat B sein Eigentum an den Fruchtgummis nicht an K gemäß § 929 S. 1 BGB verloren.

3. Kein Recht zum Besitz
Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass S nach § 986 BGB ein Recht zum Besitz zusteht.

II. Bösgläubigkeit der S
S müsste weiterhin auch nach § 990 I 1 BGB bösgläubige Besitzerin gewesen sein. Das heißt, sie muss Kenntnis von ihrer mangelnden Berechtigung zum Besitz gehabt haben. Hier wusste S spätestens nach der Verweigerung der Genehmigung des Kaufs durch K, dass sie zu dem Kauf der Fruchtgummis nicht berechtigt gewesen ist. Von dem Wissen, keine Vollmacht besessen zu haben, ist auf die Kenntnis der mangelnden Berechtigung zum Besitz zu schließen. S war somit auch bösgläubige Besitzerin i.S.v. § 990 I 1 BGB.

III. Beschädigung
Weiterhin müsste S die Fruchtgummis auch beschädigt haben. Vorliegend hat S sie fallen gelassen, wodurch die Tüten aufgeplatzt sind und damit eine Verschlechterung der Ware i.S.d. § 989 BGB eingetreten ist, weil sie nun nicht mehr regulär verkäuflich ist.

IV. Verschulden
S müsste für den Eintritt des Schadens auch verantwortlich i.S.d. § 276 BGB gewesen sein. Hier hat S die Tüten fallen gelassen, obwohl sie wusste, dass sie diese dem B zurückgeben muss. S hat damit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und handelte somit fahrlässig i.S.d. § 276 II BGB. Sie ist folglich für den an den Fruchtgummitüten eingetretenen Schaden auch verantwortlich.

V. Rechtsfolge: Schadensersatz
S ist nach §§ 989, 990 BGB verpflichtet, dem B den entstandenen Schaden zu ersetzen. Dieser berechnet sich aus einem Vergleich der Fruchtgummis vor und nach dem schädigenden Ereignis.

VI. Ergebnis
B hat gegen S einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Minderung des Wertes der Fruchtgummis aus §§ 989, 990 I BGB.

D. Anspruch B gegen S auf Schadensersatz gemäß §§ 823 I, 249 ff. BGB
B könnte gegen S zusätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 I BGB wegen einer Eigentumsverletzung haben, weil S die Fruchtgummis fallen ließ.

I. Anwendbarkeit des § 823 I BGB
Fraglich ist jedoch, ob § 823 I BGB vorliegend überhaupt anwendbar ist.
Nach einer Ansicht sind die §§ 987 ff. BGB abschließende Sonderregelungen nur für den gutgläubigen Besitzer. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 993 I 2. HS BGB, der sich nur auf den gutgläubigen Besitzer beziehe. Zudem würden die §§ 987 ff. BGB nur den schutzwürdigen Besitzer privilegieren, der bösgläubige Besitzer sei indes nicht schutzwürdig. Nach der gegenteiligen Ansicht sind die §§ 987 ff. BGB abschließende Sonderregelungen sowohl für den gutgläubigen, als auch für den bösgläubigen Besitzer. Dies wird u.a. mit dem Wortlaut des § 993 I a.E. BGB begründet, wo die Betonung auf "im übrigen“ liege, weshalb die Vorschrift auch für den bösgläubigen Besitzer gelte. Dieser Ansicht ist insbesondere unter systematischen Aspekten zuzustimmen. Nach § 992 BGB haftet nur der deliktische Besitzer nach Deliktsrecht. Ebenso haftet der bösgläubige Besitzer weitergehend nur unter den besonderen Voraussetzungen des Schuldnerverzugs, vgl. § 990 II BGB. Beide Haftungsunterschiede würden durch eine Anwendung des Deliktsrechts unterlaufen.
Die §§ 987 ff. BGB sperren folglich die Anwendung des § 823 I BGB.

II. Ergebnis
Mangels Anwendbarkeit des § 823 I BGB scheidet ein Schadensersatzanspruch des B gegen S aus §§ 823 I, 249 ff BGB aus.

E. Anspruch B gegen S auf Schadensersatz gem. § 687 II, 678 BGB
B könnte gegen S anlässlich der Weiterveräußerung an X einen Anspruch auf Schadensersatz aus den §§ 687 II, 678 BGB haben. Bei der Weiterveräußerung der Fruchtgummis an X führte die S ein fremdes Geschäft mit Eigengeschäftsführungswillen. Allerdings ist fraglich, ob sie zu diesem Zeitpunkt auch bösgläubig war. B hatte die Rücknahme verweigert. Daher durfte S im Zweifel davon ausgehen, dass nicht mehr im Interessenkreis der B tätig wurde. Also hat B gegen S keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 687 II, 678 BGB.

F. Anspruch B gegen S auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 I BGB
B könnte gegen S anlässlich der Weiterveräußerung an X einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 I BGB haben. Auch zum Zeitpunkt der Weiterveräußerung bestand eine Vindikationslage. Allerdings war S zu diesem Zeitpunkt, nachdem B die Rücknahme verweigert hatte, nicht mehr bösgläubig. ( nach h.L. kann der bösgläubige Besitzer wieder gutgläubig werden und haftet dann nicht mehr nach § 990 I BGB). Also hat B gegen S keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 989, 990 I BGB.


G. Anspruch B gegen S auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 I BGB
B könnte gegen S einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 992, 823 I BGB haben. Allerdings hat die S den Besitz an den Fruchtgummis weder durch verbotene Eigenmacht noch durch eine Straftat erlangt. Also scheidet ein solcher Anspruch aus.

H. Anspruch B gegen S auf Erlösherausgabe aus § 816 I 1 BGB
B könnte gegen S einen Anspruch auf Herausgabe des Erlöses aus § 816 I 1 BGB haben.

I. Verfügung eines Nichtberechtigten
Da die S nicht Eigentümerin der Fruchtgummis und auch sonst nicht berechtigt war, verfügte sie als Nichtberechtigte, als sie die Fruchtgummis an X übereignete.

II. Wirksamkeit gegenüber dem Berechtigten
Fraglich ist, ob diese Verfügung der B gegenüber wirksam war. X könnte gemäß § 929 ff. BGB Eigentum an den Fruchtgummis erlangt haben.

1. Einigung
S und X müssten sich somit darüber geeinigt haben, dass das Eigentum an den Fruchtgummis auf X übergehen soll. Eine solche Einigung liegt hier vor. Fraglich ist nur, ob diese Einigung auch wirksam ist. Denn S ist als Minderjährige gemäß § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig.

a) Einwilligung
Eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters gemäß §§ 107, 183 S. 1 BGB liegt nicht vor, da die Eltern als gesetzliche Vertreter der S gemäß §§ 1626, 1629 BGB nichts von dem Kauf wussten.

b) Lediglich rechtlich vorteilhaft
Eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ist jedoch nach § 107 BGB entbehrlich, wenn das Rechtsgeschäft für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Ein Rechtsgeschäft ist lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn es nicht unmittelbar rechtlich nachteilig ist. Dies ist wiederum dann der Fall, wenn der Minderjährige ein Recht aufgibt, eines seiner Rechte beschränkt wird oder er sich persönlich verpflichtet. Eine Übereignung ist für den Minderjährigen in der Regel rechtlich vorteilhaft, wenn er das Eigentum erwirbt. Hier steht die S jedoch auf der Seite des Veräußerers. Zu beachten ist allerdings, dass S nicht Eigentümerin der Fruchtgummis war und damit durch die Übereignung auch keinen Eigentumsverlust erleidet. Die dingliche Einigung stellt sich für S als rechtlich neutral dar. Solche rechtlich neutralen Rechtsgeschäfte müssen nach dem Rechtsgedanken des § 165 BGB wirksam sein, da der Minderjährige in diesen Fällen keines Schutzes bedarf. Schließlich liegt ein rechtlich nachteiliges Rechtsgeschäft bei neutralen Rechtsgeschäften gerade nicht vor.

c) Ergebnis
Somit haben sich S und X wirksam gemäß § 929 S. 1 BGB geeinigt.


2. Übergabe
S hat die Fruchtgummis auch an X übergeben.

3. Einigsein
S und X waren sich überdies auch bei der Übergabe noch über den Eigentumsübergang einig.

4. Berechtigung
S müsste letztlich auch zur Übereignung berechtigt gewesen sein. Eine Berechtigung liegt indes nicht vor, da zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung B noch Eigentümerin der Fruchtgummis war (s.o.).

5. Gutgläubiger Erwerb gemäß §§ 929 S. 1, 932 BGB
X könnte die Fruchtgummis jedoch gemäß §§ 929 S. 1, 932 BGB gutgläubig erworben haben.

a) Rechtsgeschäft i.S. eines Verkehrsgeschäfts
Mit S und X sind auf Veräußerer- und Erwerberseite zwei verschiedene Personen beteiligt. Ein Rechtsgeschäft i.S. eines Verkehrsgeschäfts liegt somit vor.

b) Rechtsscheinstatbestand, § 1006 I BGB
S war auch im Besitz der Fruchtgummis, weshalb der Rechtsscheinstatbestand des § 1006 I BGB erfüllt ist.

c) Gutgläubigkeit, § 932 I, II BGB
X müsste gemäß § 932 I BGB zudem auch gutgläubig bezüglich der Eigentümerposition der S gewesen sein. Dies ist dann der Fall, wenn X nicht bösgläubig gewesen ist. Nach § 932 II BGB ist bösgläubig, wem bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Laut Sachverhalt wusste X nicht, dass ihr die Fruchtgummis nicht gehören. X war somit auch gutgläubig i.S.v. § 932 I, II BGB.

d) Kein Abhandenkommen, § 935 BGB
Die Fruchtgummis dürften dem B allerdings nicht abhanden gekommen sein. B hat S die Fruchtgummis jedoch verkauft und sie auch nicht zurückgenommen und sie damit bewusst in den Rechtsverkehr gegeben. Ein Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB kommt vorliegend damit nicht in Betracht.

e) Restriktive Auslegung der §§ 932 ff. BGB
Fraglich ist jedoch, ob es hier einer restriktiven Auslegung der Gutglaubensvorschriften bedarf.

aa) Eine Ansicht
Eine Ansicht bejaht eine solche teleologische Reduktion der Gutglaubensvorschriften, da deren Sinn und Zweck der Schutz des guten Glaubens an das Eigentum sei, weshalb ein Erwerb nach den §§ 932 ff. BGB ausgeschlossen sein müsste, wenn der Erwerber bei der Richtigkeit seiner Vorstellung kein Eigentum erworben hätte. Denn wäre die Vorstellung des X, dass S Eigentümerin der Fruchtgummis ist, richtig gewesen, so wäre ein Eigentumserwerb an den §§ 106 ff. BGB gescheitert.

bb) Andere Ansicht
Die gegenteilige Ansicht lehnt eine derartige restriktive Auslegung der §§ 932 ff. BGB ab, da sie meint, dadurch würde der Minderjährigenschutz unnötig ausgedehnt bzw. es würde dadurch eine unzulässige Vermischung von Minderjährigenschutz vorgenommen, obwohl der Minderjährige in diesen Fällen gerade nicht schützenswert erscheint.

cc) Stellungnahme
Vorliegend ist der ersten Ansicht zuzustimmen. Es geht gerade nicht um eine Ausdehnung des Minderjährigenschutzes, sondern um eine Restriktion der Gutglaubensvorschriften. Es ist nicht ersichtlich, warum derjenige Eigentum erwerben soll, der dies bei Richtigkeit seiner Vorstellung gerade nicht getan hätte. Es handelt sich folglich um eine seinem Zweck entsprechende Beschränkung des Verkehrsschutzes. Aufgrund der Korrektur der Gutglaubensvorschriften über eine teleologische Reduktion konnte X von S vorliegend das Eigentum an den Fruchtgummis nach §§ 929 S. 1, 932 BGB nicht erwerben.

III. Ergebnis
Nach der hier vertretenen Ansicht hat B gegen S keinen Anspruch auf Erlösherausgabe.


3. Teil: Ansprüche S gegen X

A. Anspruch S gegen X auf Herausgabe der Fruchtgummis aus § 985 BGB
S könnte gegen X einen Anspruch auf Herausgabe der Fruchtgummis aus § 985 BGB haben. S war jedoch zu keinem Zeitpunkt Eigentümerin derselben. Ein Anspruch aus § 985 BGB besteht folglich nicht.

B. Anspruch S gegen X auf Herausgabe der Fruchtgummis aus § 1007 I BGB
S könnte gegen X einen Anspruch auf Herausgabe der Fruchtgummis aus § 1007 I BGB haben. Hierfür müsste X jedoch bösgläubig gewesen sein. Als S dem X die Fruchtgummis verkauft hat, war dieser jedoch nicht bösgläubig im Hinblick auf seine Berechtigung zum Besitzerwerb. S hat gegen X somit keinen Anspruch auf Herausgabe der Fruchtgummis aus § 1007 I BGB.

C. Anspruch S gegen X auf Herausgabe der Fruchtgummis aus § 1007 II BGB
S könnte gegen X einen Anspruch auf Herausgabe der Fruchtgummis aus § 1007 II BGB haben. S hat X die Fruchtgummis jedoch in freiem Willen an X verkauft. Ein Abhandenkommen i.S.d. § 1007 II BGB liegt deshalb nicht vor. Ein Anspruch der S gegen X aus § 1007 II BGB scheidet folglich aus.

D. Anspruch S gegen X auf Herausgabe der Fruchtgummis an B aus § 812 I 1 1. Fall BGB
S könnte gegen X jedoch einen Anspruch auf Herausgabe der Fruchtgummis an B aus § 812 I 1 1. Fall BGB haben.

I. Etwas erlangt
Hierfür müsste X nach § 812 I 1 1. Fall BGB etwas erlangt haben. Durch Übergabe der Fruchtgummis hat X an ihnen zumindest Besitz gemäß § 854 I BGB erlangt; dieser stellt einen vermögenswerten Vorteil dar.

II. Durch Leistung
X müsste den Besitz an den Fruchtgummis auch durch Leistung der S erhalten haben. Leistung ist jede bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Hier hat S dem X Besitz an den Fruchtgummis verschafft, um ihre vermeintliche Verbindlichkeit aus dem Kaufvertrag zu erfüllen. Eine Leistung der S liegt somit vor.

III. Ohne Rechtsgrund
X müsste den Besitz an den Fruchtgummis überdies auch ohne Rechtsgrund erlangt haben.

1. Kaufvertrag
Als Rechtsgrund kommt hier der zwischen S und X geschlossene Kaufvertrag in Betracht.

2. Wirksamkeit
Dieser müsste jedoch auch wirksam zustande gekommen sein. Dies ist insbesondere fraglich, da S als Minderjährige gemäß § 106 BGB in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt ist.

a) Einwilligung des gesetzlichen Vertreters
Eine Einwilligung der Eltern i.S.d. §§ 107, 183 S. 1 BGB der S ist vorliegend nicht erfolgt (s.o.).
?
b) Lediglich rechtlich vorteilhaft
Eine solche Einwilligung ist jedoch nach § 107 BGB entbehrlich, wenn das Rechtsgeschäft für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Dies ist dann der Fall, wenn es für den Minderjährigen nicht unmittelbar rechtliche nachteilig ist, der Minderjährige also keinen Rechtsverlust erleidet oder sich nicht rechtlich persönlich verpflichtet. Hier ist S nach dem Kaufvertrag gemäß § 433 I BGB zur Übergabe und Übereignung der Fruchtgummis an X verpflichtet. Der Kaufvertrag ist für S somit nicht lediglich rechtlich vorteilhaft.

c) Genehmigung
Auch haben die Eltern der S das Rechtsgeschäft nicht nachträglich gemäß §§ 108 I, 184 I BGB genehmigt.

d) Sonderfälle
Ein Eingreifen von Sondertatbeständen ist hier nicht ersichtlich.

e) Ergebnis
Es ist folglich kein wirksamer Kaufvertrag zwischen S und X zustande gekommen.

3. Ergebnis
X hat den Besitz an den Fruchtgummis mithin ohne Rechtsgrund erlangt.

IV. Rechtsfolge: Herausgabe
X ist somit gemäß § 812 I 1 1. Fall BGB verpflichtet, die Fruchtgummis an B herauszugeben, Zug-um-Zug gegen Rückgabe des gezahlten Kaufpreises.

V. Kein Ausschluss
Ein Ausschlusstatbestand greift vorliegend nicht ein.

VI. Ergebnis
S hat gegen X folglich einen Anspruch auf Herausgabe der Fruchtgummis an B aus § 812 I 1 1. Fall BGB.