Fall: Der Reichsparteitag

Die rechtsextremistische Bewegung „Für ein Reinheitsgebot im Deutschen Reich samt Ostgebiet und -erweiterungsflächen (FRDR)“, ein nichtrechtsfähiger Verein, sieht nach zuletzt ganz erheblichen Mitgliederzuwächsen vor, an den kommenden Wahlen der FHH, aber auch an der Bundestagswahl und anderen Landtagswahlen teilzunehmen. Als „Startschuss“ für den beginnenden Wahlkampf ist für den 10.08.2017 die Abhaltung eines „(Reichs-) Parteitages“ in der FHH in der Gaststätte „Zum Pogrom“ geplant. Bei dem geplanten Parteitag handelt es sich nach der Planung der FRDR um eine nichtöffentliche Veranstaltung, zu der nur Mitglieder der Bewegung eingeladen werden und auch nur solche Zutritt haben sollen. Es werden etwa 400 Personen erwartet.

Trotz der Nichtöffentlichkeit erfuhren einige Zeitungen schon Ende Juni von der geplanten Veranstaltung und vermeldeten dies. Daraufhin kündigten mehrere Organisationen einzelne Gegenveranstaltungen an. Kurz darauf wurde bekannt, dass sich alle Veranstalter von Gegenveranstaltungen zu einer Großdemonstration zusammenschließen werden. Aus einer zuverlässigen V-Mann-Quelle gelangte die insoweit zuständige Behörde Kenntnis davon, dass von Seiten der Gegenveranstalter mit mindestens 30.000 Gegendemonstranten gerechnet werde. Darunter befände sich erwartungsgemäß auch eine nicht unerhebliche Zahl Linksautonomer, die sich dem Hörensagen nach berühmten, die „Faschisten-Rotte nun endgültig und vollständig auszuräuchern“.

Die zuständige Behörde untersagte daraufhin nach vorheriger Anhörung der FRDR den Parteitag mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 03.08.2017. Als Begründung für die Untersagungsverfügung gab die zuständige Behörde an, dass die Polizei, angesichts der erheblichen Gegendemonstrationen, nicht in der Lage sei, den friedlichen Verlauf des Parteitages und der geplanten Gegendemonstration zu gewährleisten, da die Einsatzkräfte der FHH hierfür allein nicht genügten. Die Heranziehung von Einsatzkräften anderer Bundesländer oder des Bundes sei rechtlich nicht zulässig, da Polizeirecht und damit Polizeieinsätze Ländersache seien. Im Übrigen sei die FRDR ganz offensichtlich auch verfassungswidrig, so dass sie sich nicht auf das Parteienprivileg berufen könne. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde umfangreich und in einer den Anforderungen des § 80 III VwGO genügenden Weise begründet, ohne dass die FRDR hierzu in irgendeiner Weise vorher angehört worden war.

Die FRDR sieht ihren Zeitplan gefährdet, da auf dem Parteitag noch wesentliche Personal- und Propagandaentscheidungen zu treffen sind. Daher erhebt sie noch am 04.08.2017 Anfechtungsklage. Auf den Hinweis ihres Vorstandsmitglieds Generalleutnant a.D. Rudolph Graf von Zechlin erkannte man, dass das bloße Erheben einer Anfechtungsklage in dieser Situation möglicherweise nicht dazu ausreicht, die Veranstaltung wie geplant am 10.08.2014 stattfinden zu lassen.

Man wendet sich vertrauensvoll an Sie. Was werden Sie, hier gutachterlich belegt, raten, wenn es darum geht, dass der Parteitag am 10.08.2017 „auf jeden Fall“ stattfinden soll.

Bearbeitervermerk: Gehen Sie für die Zwecke der Bearbeitung davon aus, dass ein Widerspruchsverfahren nicht gem. § 68 I 2 VwGO entbehrlich ist.



In Betracht kommt ein Vorgehen im Wege des Eilrechtsschutzes. Ein solcher Antrag hätte Erfolg, wenn er zulässig und begründet wäre.

A. Zulässigkeit

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
Der Verwaltungsrechtsweg müsste eröffnet sein. Eine aufdrängende Sonderzuweisung ist vorliegend nicht ersichtlich. Es kommt daher als rechtswegeröffnende Norm § 40 I 1 VwGO in Betracht. Dazu müsste es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handeln und es dürfte keine abdrängende Sonderzuweisung greifen. Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen oder Handlungsformen öffentlich-rechtlicher Natur sind. Dabei sind nach der sog. Sonderrechtstheorie Normen dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn sie ausschließlich einen Träger hoheitlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten. Vorliegend sind die streitentscheidenden Normen solche des VersG oder des HmbSOG. Diese Normen berechtigen und verpflichten ausschließlich einen Träger hoheitlicher Gewalt und sind daher öffentlich-rechtlicher Natur. Mithin liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. Die Streitigkeit dürfte auch nicht verfassungsrechtlicher Art sein. Eine Streitigkeit ist verfassungsrechtlicher Art, wenn Verfassungsorgane über formelles Verfassungsrecht, also das Grundgesetz oder die Landesverfassungen, streiten. Vorliegend wird über Versammlungsrecht, mithin einfaches Verwaltungsrecht und damit nicht über Verfassungsrecht im formellen Sinn gestritten. Die Streitigkeit ist daher nichtverfassungsrechtlicher Art. Eine abdrängende Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich. Damit liegen die Voraussetzungen des § 40 I 1 VwGO vor, so dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.

II. Statthafte Antragsart
Die statthafte Antragsart richtet sich gemäß den §§ 122, 88 VwGO nach dem Begehren des Antragstellers.

1. Eilrechtsschutz begehrt
Zunächst ist festzustellen, welche Verfahrensart, Eilrechtsschutz oder eine normale verwaltungsgerichtliche Klage, der Antragsteller begehrt. Vorliegend möchte der FRDR kurzfristig seinen Parteitag stattfinden lassen. Da dieser gegenwärtig sofort vollziehbar untersagt ist und kurz bevorsteht, kann dem FRDR nur eine sehr kurzfristige gerichtliche Entscheidung helfen. Damit kommt für den FRDR nur ein Vorgehen im einstweiligen Rechtsschutz in Betracht.

2. Abgrenzung zwischen § 80 V VwGO und § 123 I VwGO
Hinsichtlich der Eilrechtsschutzverfahren ist zwischen § 80 V VwGO und § 123 I VwGO abzugrenzen. Nach der Abgrenzungsregel des § 123 V VwGO bestimmt sich die statthafte Antragsart danach, welche Klageart in der Hauptsache statthaft ist. Ist dies die Anfechtungsklage, so ist das Verfahren nach § 80 V VwGO statthaft, andernfalls ist § 123 I VwGO die statthafte Antragsart. Vorliegend wendet sich der FRDR gegen die Untersagung, die Veranstaltung durchzuführen. Dabei handelt es sich um einen VA im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG, so dass in der Hauptsache die Anfechtungsklage die statthafte Klageart gegen die Untersagung wäre. Damit ist hier § 80 V VwGO die statthafte Antragsart.
Festzustellen ist ferner, welcher Fall von § 80 V VwGO einschlägig ist. Nach dem Gesetzeswortlaut gibt es zwei Alternativen. Zum einen den 1. Fall, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in den Fällen des § 80 II Nr. 1 bis 3 VwGO, und den 2. Fall, gerichtet auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im Falle des § 80 II Nr. 4 VwGO. Hier hat die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet, so dass die aufschiebende Wirkung des vom FRDR eingelegten Widerspruchs gemäß § 80 II Nr. 4 VwGO entfällt. Damit ist das Verfahren nach § 80 V 2. Fall VwGO, gerichtet auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, statthaft.

III. Antragsbefugnis, § 42 II VwGO analog
Gemäß § 42 II VwGO analog müsste der FRDR antragsbefugt sein. Die Antragsbefugnis ist gegeben, wenn nach dem Sachvortrag des Antragstellers die Möglichkeit besteht, dass er durch das gerügte Verwaltungshandeln in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist. Der FRDR ist hier Adressat eines belastenden Verwaltungsakts. Es besteht daher die Möglichkeit, dass er durch das Ge- bzw. Verbot des Verwaltungsakts in seinen Grundrechten aus Art. 19 III GG i.V.m. Art 2 I GG bzw. Art. 8 I GG verletzt ist. Der FRDR ist daher antragsbefugt.

IV. Antragsgegner, § 78 I VwGO analog
Der Antragsgegner richtet sich nach § 78 I VwGO analog.

V. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
Ferner müsste der FRDR für seinen Antrag ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis haben. Dies setzt im Fall des § 80 V VwGO grundsätzlich voraus, dass Widerspruch bzw. Anfechtungsklage eingelegt wurde, dieser Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat, Widerspruch oder Anfechtungsklage nicht offensichtlich unzulässig sind und im Falle des § 80 II Nr. 1 VwGO, dass ein vorheriger Antrag nach § 80 IV VwGO bei der entsprechenden Behörde gestellt wurde.

1. Widerspruch eingelegt
Grundsätzlich ist zumindest gleichzeitig mit dem Antrag nach § 80 V VwGO ein Widerspruch einzulegen. Hier hat der FRDR am 04.08.2017 Anfechtungsklage erhoben. Der Antrag nach § 80 V VwGO folgt nunmehr nach, so dass ein zumindest gleichzeitiges Einlegen gegeben ist.

2. Keine aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
Die Anfechtungsklage dürfte im Falle des § 80 V VwGO keine aufschiebende Wirkung haben, da andernfalls, also wenn der Widerspruch schon aufschiebende Wirkung hätte, kein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis mehr für den Antrag nach § 80 V VwGO bestünde. Hier ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 II Nr. 4 VwGO erfolgt, so dass die Anfechtungsklage des FRDR gegen den Untersagungsbescheid keine aufschiebende Wirkung hat.

3. Nicht offensichtlich unzulässig
Die Anfechtungsklage des FRDR ist auch nicht offensichtlich unzulässig.

4. Vorheriger Antrag nach § 80 IV VwGO
Eines vorherigen Antrags bedarf es, dies lässt sich aus einem Umkehrschluss aus § 80 VI VwGO folgern, nur in den Fällen des § 80 II Nr. 1 VwGO. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, so dass kein vorheriger Antrag an die Behörde nach § 80 IV VwGO erforderlich ist.

Damit liegt das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis vor.

IV. Beteiligtenfähigkeit, §§ 61, 63 VwGO
Die Beteiligtenfähigkeit der Beteiligten könnte sich hier aus den §§ 61, 63 VwGO ergeben.
Fraglich ist indes, ob der FRDR als Antragsteller, vgl. § 63 Nr. 1 VwGO, auch beteiligtenfähig ist. Seine Beteiligtenfähigkeit könnte sich ebenfalls aus § 61 Nr. 1 2 Alt. VwGO ergeben. Danach sind juristische Personen beteiligtenfähig. Juristische Person ist der FRDR als nicht-rechtsfähiger Verein nicht. Den juristischen Personen im Sinne der Vorschrift sind jedoch solche Vereinigungen gleichgestellt, die zwar keine juristischen Personen sind, denen jedoch kraft Gesetzes die Befugnis zuerkannt ist, im eigenen Namen zu klagen oder verklagt zu werden (sog. Aktiv- und Passivlegitimation). Eine solche Aktiv- und Passivlegitimation verleiht § 3 S. 1 PartG. Damit sich der FRDR auf diese Vorschrift berufen könnte, müsste es sich um bei ihm um eine Partei im Sinne des PartG handeln. Wann dies der Fall ist, bestimmt sich nach der Legaldefinition des § 2 I PartG. Danach sind Parteien Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten. Mitglieder einer Partei können nur natürliche Personen sein.
Der FRDR ist ein Zusammenschluss natürlicher Personen, die zumindest für längere Zeit für den Bereich der FHH, des Bundes und weiterer Bundesländer auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag und den Landesparlamenten mitwirken möchten sowie hinreichend Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung bieten. Damit erfüllt der FRDR die Voraussetzungen des § 2 PartG. Er ist somit auch aktiv- und passivlegitimiert und damit auch nach § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig.
Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass die Behörde der Ansicht ist, die FRDR sei verfassungswidrig. Als Partei im Sinne des § 2 I PartG unterfällt die FRDR dem Art. 21 IV GG und damit dem sog. Parteienprivileg des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), d.h. solange das BVerfG die FRDR nicht für verfassungswidrig erklärt, ist sie von allen Behörden und Gerichten als verfassungsgemäß zu erachten. Somit können sich vorliegend weder die Behörde noch das Gericht auf eine etwaige Verfassungswidrigkeit der FRDR berufen.

Der Antrag ist zulässig.

B. Begründetheit
Der Antrag nach § 80 V 2. Fall VwGO ist begründet, soweit das private Aussetzungsinteresse das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Maßgeblich hierfür sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache, für die wiederum entscheidend ist, ob der VA, hier die Untersagungsverfügung, rechtmäßig ist oder nicht.

I. Formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung
Zunächst müsste die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtmäßig sein, d.h. die Anordnung müsste von der zuständigen Behörde verfahrens- und formgemäß erlassen worden sein.

1. Zuständigkeit
Zuständig für den Erlass der Anordnung der sofortigen Vollziehung sind nach § 80 II Nr. 4 VwGO entweder die Ausgangs- oder die Widerspruchsbehörde. Hier hat die Ausgangsbehörde die Anordnung erlassen. Diese war, sachverhaltlich vorgegeben, auch zuständig.

2. Verfahren
Fraglich und umstritten ist, ob es für die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Anhörung nach § 28 I VwVfG bedarf. Nach einer Ansicht bedarf es auch bei Anordnung der sofortigen Vollziehung einer diesbezüglichen Anhörung, da der Anordnung selbst VA-Qualität zukäme. Danach wäre hier eine Anhörung bzgl. der Anordnung erforderlich gewesen. Nach anderer Ansicht bedarf es bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung mangels VA-Qualität keiner Anhörung, so dass sie auch hier nicht erforderlich gewesen wäre. Da tatsächlich keine diesbezügliche Anhörung erfolgt ist (diese bezog sich nur auf die Untersagungsverfügung), bedarf es einer Stellungnahme. Für die Ansicht, die eine Anhörung bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung für nicht erforderlich hält, spricht, dass die Anordnung, anders als ein VA, nicht in Bestandskraft erwächst und auch nicht selbständig vollziehbar ist. Ferner spricht gegen die Annahme einer VA-Qualität, dass andernfalls gegen die Anordnung selbst Widerspruch eingelegt werden könnte. Dies würde aber den mit der Anordnung gerade bezweckten kurzfristigen Vollzug des VA verhindern und widerspräche demgemäß Sinn und Zweck der Anordnung. Daher ist der zweiten Ansicht der Vorzug zu geben. Einer Anhörung bedurfte es somit nicht. Andere Verfahrenserfordernisse sind hier nicht ersichtlich.

3. Form
Ferner müsste die Anordnung der sofortigen Vollziehung die Form des § 80 III VwGO wahren. Danach ist in den Fällen des § 80 II Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Hier hat die Behörde die Anordnung der sofortigen Vollziehung umfangreich und, das ist sachverhaltlich vorgegeben, in einer den Anforderungen des § 80 III VwGO genügenden Weise begründet. Damit ist die Form gewahrt und die Anordnung formell rechtmäßig.

II. Interessenabwägung / Erfolgsaussichten in der Hauptsache
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung könnte indes materiell rechtswidrig sein. Dies wäre der Fall, wenn das private Aussetzungsinteresse das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Entscheidend für diese Beurteilung ist, ob der VA, hier die Untersagungsverfügung, bei summarischer Prüfung rechtmäßig ist.

1. Ermächtigungsgrundlage
Die Untersagungsverfügung stellt für R einen belastenden Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG dar und bedarf daher einer Ermächtigungsgrundlage.

a) § 5 VersG
In Betracht kommt insoweit zunächst § 5 Versammlungsgesetz (VersG), nach dem eine Versammlung in geschlossenen Räumen unter bestimmten Voraussetzungen verboten werden kann.

aa) Versammlung
Dazu müsste es sich zunächst um eine Versammlung im Sinne der §§ 1, 5 VersG handeln. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass sich der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes und derjenige des Grundgesetzes aus Art. 8 GG weitgehend decken. Insoweit kann auf die dort gebrauchte Definition zurückgegriffen werden. Danach ist eine Versammlung die Ansammlung mehrerer Personen zu einem gemeinsamen Zweck.
Dabei ist zunächst umstritten, ob für das Erfordernis „mehrere Personen“ zwei genügen oder ob es mindestens drei sein müssen. Eine diesbezügliche Entscheidung kann hier dahinstehen, da bei der geplanten Veranstaltung etwa 400 und damit jedenfalls mehr als zwei bzw. drei Personen erwartet werden. Ferner ist umstritten, wann ein „gemeinsamer Zweck“ vorliegt. Nach einer Ansicht genügt dafür jeder Zweck. Nach anderer Ansicht muss es sich um einen politischen oder nach wiederum anderer Ansicht um einen kommunikativen Zweck handeln. Hier ist der Zweck der Veranstaltung ein politischer. Da die Ansicht, die einen politischen Zweck verlangt, die Erfordernisse der anderen beiden Ansichten als engste Ansicht mitumfasst, kann ein Streitentscheid unterbleiben. Zugleich sind damit hier die Anforderungen sowohl an das Merkmal „mehrere Personen“ als an den „gemeinsamen Zweck“ erfüllt, so dass eine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG und damit auch des § 5 VersG vorliegt.

bb) Öffentlich
Ferner müsste die Versammlung öffentlich, d.h. für jedermann zugänglich sein, da die Vorschriften der §§ 5-13 VersG gemäß ihrer Überschrift nur für öffentliche Versammlungen (in geschlossenen Räumen) gelten. Vorliegend richtet sich der Parteitag nur an Mitglieder und nur solche sollen Zutritt haben. Andere Personen als Mitglieder haben damit keinen Zutritt, so dass die Versammlung auch nicht für jedermann zugänglich ist. Es handelt sich mithin nicht um eine öffentliche Versammlung.

Damit kommt § 5 VersG nicht als Ermächtigungsgrundlage in Betracht.

b) § 5 VersG analog oder § 3 I HmbSOG?
Eine direkte Anwendung von § 5 VersG auf nichtöffentliche Versammlungen kommt, wie soeben festgestellt wurde, nicht in Betracht (s.o.). Fraglich ist, ob die Vorschrift auf nichtöffentliche Versammlungen in geschlossenen Räumen analog angewendet werden kann oder ob auf die polizeirechtliche Generalklausel zurückzugreifen ist. Eine analoge Anwendung von § 5 VersG ist umstritten.

aa) Eine Ansicht
Nach einer Ansicht soll dies möglich sein. Als Grund dafür wird angegeben, dass auch nichtöffentliche Versammlungen, da sie dem Schutz des Art. 8 GG unterfielen, nur unter den bereichsspezifischen, also spezialgesetzlichen Vorschriften des Versammlungsgesetzes eingeschränkt werden dürften. Im Übrigen beschränke das HmbSOG gemäß § 3 I HmbSOG nur die Grundrechte aus Art. 2 II 1 und 13 GG, nicht aber Art. 8 I GG, so dass es insoweit an der Einhaltung des Zitiergebots aus Art. 19 I 2 GG fehle, so dass § 3 I HmbSOG nicht als Ermächtigungsgrundlage in Betracht komme und daher eine Regelungslücke vorliege. Danach käme § 5 VersG analog hier als Ermächtigungsgrundlage in Betracht.

bb) Andere Ansicht
Nach anderer Ansicht kann § 5 VersG auf nichtöffentliche Versammlungen nicht analog angewendet werden. Es bestehe insbesondere keine planwidrige Regelungslücke, da das Versammlungsgesetz nach dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen nur für öffentliche Versammlungen gelte, vgl. §§ 1 ff. VersG. Das Versammlungsgesetz enthalte eine insoweit gewollt abschließende Regelung. Danach käme § 5 VersG analog nicht als Ermächtigungsgrundlage in Betracht. Nach dieser Ansicht ist die richtige Ermächtigungsgrundlage für nichtöffentliche Versammlungen die jeweilige polizeirechtliche Generalklausel, hier also § 3 I HmbSOG.

cc) Stellungnahme
Beide Ansichten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Daher ist ein Streitentscheid notwendig. Das Argument der ersten Ansicht, es läge ein Verstoß gegen das Zitiergebot vor, überzeugt nicht vollumfänglich. Es trifft vielmehr nur insoweit zu, als es sich um Versammlungen handelt, die unter Art. 8 II GG fallen, also solche, die unter freiem Himmel stattfinden. Regelmäßig finden nichtöffentliche Versammlungen aber nicht unter freiem Himmel, sondern in geschlossenen Räumen statt. Solche Veranstaltungen unterfallen aber Art. 8 I GG, einem vorbehaltlos gewährleisteten Grundrecht, das nur im Rahmen verfassungsimmanenter Schranken beschränkt werden kann, für die das Zitiergebot nicht gilt. Insoweit trifft dieses Argument zumindest für den vorliegenden Fall nicht zu. Überdies ist der zweiten Ansicht auch insoweit zuzustimmen, dass nach den insoweit eindeutigen Überschriften im Versammlungsgesetz auch nicht erkennbar ist, dass die dort ausdrücklich für öffentliche Versammlungen getroffenen Einschränkungen stillschweigend oder per Analogiebildung auch für nichtöffentliche gelten sollen. Vielmehr ist erkennbar, dass der Gesetzgeber gerade für öffentliche Versammlungen wegen ihrer damit gegebenen besonderen Gefährlichkeit auch besondere Eingriffsbefugnisse normiert hat, während er dies bei nichtöffentlichen, wegen der insoweit geringeren Gefahr von Ausschreitungen etc., gerade nicht getan hat.
Überdies lässt sich auch den verfassungsrechtlichen Bedenken, die im Hinblick auf die Weite der von der zweiten Ansicht als „Alternative“ herangezogenen polizeilichen Generalklausel, hier § 3 I HmbSOG, vorgebracht werden, begegnen, indem man die Anwendung der Generalklausel im Anwendungsbereich des Art. 8 I GG, d.h. also bei Versammlungen in geschlossenen Räumen, verfassungskonform dahingehend beschränkt, dass die Anwendung der Generalklausel nur zum Schutze von Rechtsgütern mit Verfassungsrang oder Grundrechten Dritter erfolgen darf.
Gegen eine insofern verfassungskonform eingeschränkte Anwendung der Generalklausel bestehen, ganz im Gegensatz zur analogen Anwendung von § 5 VersG, keine Bedenken. Für den vorliegenden Fall kommt damit als Ermächtigungsgrundlage (nur) § 3 I HmbSOG in Betracht.

2. Formelle Rechtmäßigkeit

a) Zuständigkeit
Bedenken gegen die Zuständigkeit bestehen hier nicht.

b) Verfahren
Nach § 28 I VwVfG bedarf es bei einem belastender VA, wie der Untersagungsverfügung, grundsätzlich einer Anhörung. Hier ist eine solche erfolgt, so dass dem Erfordernis des § 28 I VwVfG Rechnung getragen wurde.

c) Form
Bedenken hinsichtlich der Form bestehen nicht. Insbesondere wurde sie als schriftlicher VA ordnungsgemäß begründet, so dass die Voraussetzungen des § 39 I 1 VwVfG gewahrt sind.

Die Untersagungsverfügung ist damit formell rechtmäßig.

3. Materielle Rechtmäßigkeit
Die Untersagungsverfügung wäre materiell rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen des § 3 I HmbSOG vorliegen, der FRDR ordnungspflichtig war und das Ermessen fehlerfrei ausgeübt wurde.

a) Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 I HmbSOG
Es müssten die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 I HmbSOG vorliegen, d.h. es müsste eine bevorstehende Gefahr für ein Schutzgut des § 3 I HmbSOG bestehen. Zudem müsste der FRDR der richtige Adressat der Ordnungsverfügung sein.

aa) Schutzgut / verfassungskonforme Auslegung
Zunächst müsste ein Schutzgut betroffen sein. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass § 3 I HmbSOG im Anwendungsbereich des Art. 8 I GG verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, dass als Schutzgüter des § 3 I HmbSOG nur Grundrechte Dritter und Rechtsgüter mit Verfassungsrang in Betracht kommen. Hier kommt als zu schützendes Grundrecht Dritter die über Art. 2 II 1 GG geschützte Gesundheit der Versammlungsteilnehmer, der Gegendemonstranten und Unbeteiligter sowie sonstiger Dritter, etwa der in diesem Rahmen eingesetzten Polizeibeamten, in Betracht. Ferner kommt als zu schützendes Grundrecht Art. 14 GG hinsichtlich des durch die Versammlung bzw. Gegendemonstration und entsprechende Ausschreitungen gefährdete Eigentum der jeweiligen Teilnehmer, aber auch Dritter in Betracht. Im Übrigen kommt als Rechtsgut mit Verfassungsrang auch der Schutz der Verfassung insgesamt in Betracht. Hier beruft sich die Behörde darauf, die FRDR sei verfassungswidrig. Träfe dies zu, so bestünde auch die Gefahr, dass sie versuchte, die Verfassung in ihrem Bestand zu gefährden, so dass Rechtsgüter mit Verfassungsrang, nämlich die Verfassung in ihrem Bestand (selbst), betroffen wären. Insoweit ist aber zu beachten, dass die FRDR als Partei im Sinne des § 2 I PartG dem Parteienprivileg des Art. 21 II 2 GG unterfällt, was bedeutet, dass, solange des BVerfG die FRDR nicht für verfassungswidrig erklärt, sie von allen Behörden und Gerichten als verfassungsgemäß zu erachten ist (s.o.). Somit können sich vorliegend weder die Behörde noch das Gericht auf eine etwaige Verfassungswidrigkeit der FRDR berufen (s.o.), woraus hier folgt, dass die Behörde aus der von ihr angenommenen Verfassungswidrigkeit auch keine Verletzung eines Schutzguts ableiten durfte. Insoweit bleibt es hier bei den bereits als betroffen gekennzeichneten Schutzgütern.

bb) Gefahr
Es müsste auch eine konkrete Gefahr für das Schutzgut gegeben sein. Eine solche liegt vor, wenn aufgrund der Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass bei ungestörtem Fortgang des Geschehens eine Rechtsgutsbeeinträchtigung eintreten wird. Vorliegend würde dann, wenn der FRDR seinen Parteitag abhält, auch die Gegendemonstration stattfinden und es wäre, die Verlässlichkeit der Informationen des V-Manns vorausgesetzt, auch zu erwarten, dass es zu Ausschreitungen kommt. Damit liegt eine Gefahr vor.

cc) Richtiger Adressat (Störer)
Der FRDR müsste auch Störer und damit richtiger Adressat der Ordnungsverfügung sein.

(1) Verhaltensstörer, § 8 I HmbSOG
Der FRDR könnte hier zunächst Verhaltensstörer im Sinne des § 8 I HmbSOG sein. Verhaltensstörer ist, wer durch sein Verhalten unmittelbar die Gefahrenschwelle überschreitet. Hier würde der FRDR seinen Parteitag abhalten. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass es auf dem Parteitag selbst oder von dessen Teilnehmern aus zu Ausschreitungen oder anderen Schutzgutsverletzungen kommen wird. Es sind vielmehr die Gegendemonstranten, die Schutzgutsverletzungen durch ihr Verhalten verursachen. Damit überschreitet der FRDR nicht selbst unmittelbar die Gefahrenschwelle und ist damit auch nicht Verhaltensstörer im Sinne des § 8 I HmbSOG.

(2) Zweckveranlasser / mittelbarer Störer
Fraglich ist, ob der FRDR Zweckveranlasser und damit mittelbarer Störer ist. Zweckveranlasser ist, wer mit seinem Verhalten bezweckt, dass andere die Gefahrgrenze unmittelbar überschreiten. Dabei ist umstritten, ob ein objektives oder subjektives Bezwecken verlangt ist. Für ein subjektives Bezwecken müsste es dem Willen des FRDR entsprechen, dass es durch die Gegendemonstranten zu Ausschreitungen kommt. Dafür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Dagegen liegt ein objektives Bezwecken vor, wenn die Störung oder Gefahr nahe liegende Folge der Handlung des Zweckveranlassers ist. Objektiv betrachtet ist die Gegendemonstration, schon begrifflich (nahe liegende) Folge der Versammlung des FRDR. Damit wäre der FRDR danach Zweckveranlasser. Da beide Ansichten hier zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, bedarf es einer Stellungnahme. Gegen den objektiven Ansatz sprechen Fälle wie der vorliegende. Der FRDR macht mit seiner Versammlung Gebrauch von seinem Grundrecht aus Art. 8 I GG (s.o.). Würde man in diesem Gebrauchmachen zugleich eine Zweckveranlassung sehen, dann hätte es der jeweilige Gegendemonstrant quasi in der Hand, ob der Erst-Demonstrant sein Grundrecht ausüben kann oder nicht. Das darf nicht sein. Insofern bedarf der objektive Ansatz insoweit zumindest im vorliegenden Fall einer deutlichen verfassungskonformen Korrektur. Diese Probleme sind demgegenüber beim subjektiven Ansatz nicht gegeben und er führt darüber hinaus, wie hier, zu sachgerechten Ergebnissen. Er ist daher vorzuziehen. Damit ist der FRDR hier nicht Zweckveranlasser und damit auch nicht mittelbarer Störer im Sinne des § 8 I HmbSOG.

(3) Notstandspflichtiger, § 10 I HmbSOG
Zu prüfen ist weiter, ob der FRDR als Notstandspflichtiger im Sinne des § 10 I HmbSOG herangezogen werden konnte. Danach dürfen Maßnahmen gegen andere als die in den §§ 8 und 9 HmbSOG genannten Personen nur gerichtet werden, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht abgewehrt oder eine Störung für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht beseitigt werden kann und soweit die Verwaltungsbehörde nicht über ausreichende eigene Kräfte und Mittel verfügt.
Hier hat die Behörde nur vorgetragen, dass die Polizei, angesichts der erheblichen Gegendemonstrationen, nicht in der Lage sei, den friedlichen Verlauf des Parteitages und der geplanten Gegendemonstration zu gewährleisten, da die Einsatzkräfte der FHH hierfür allein nicht genügten. Die Heranziehung von Einsätzkräften anderer Bundesländer oder des Bundes sei rechtlich nicht zulässig, da Polizeirecht und damit Polizeieinsätze Ländersache seien. Diese Begründung ist unzutreffend. Zwar ist die Polizeiarbeit Ländersache, aber dies bedeutet nicht, dass eine Heranziehung von Polizeikräften aus anderen Bundesländern unzulässig wäre, vgl. §§ 30 ff. HmbSOG. Unter Heranziehung dieser Kräfte wäre die Polizei in der Lage, die Gegendemonstration, die eine nicht unbewältigbare Größe hat, „in den Griff“ zu bekommen und Ausschreitungen zu verhindern. Damit hätte die Polizei die Gefahr für die öffentliche Sicherheit anders als durch die Untersagung verhindern können. Damit lagen auch die Voraussetzungen von § 10 I HmbSOG nicht vor.

Damit war der FRDR nicht der richtige Pflichtige. Ein Vorgehen gegen ihn war damit nach summarischer Prüfung rechtswidrig.

III. Ergebnis
An dem Vollzug eines rechtswidrigen VA besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse, so dass das Aussetzungsinteresse des FRDR überwiegt. Der Antrag des FRDR ist damit auch begründet.

C. Endergebnis
Der Antrag des FRDR ist zulässig und begründet und wird daher Erfolg haben.