Fall: Hab Acht
Im 17. Bundestag, der aus 622 Bundestagsabgeordneten (598 reguläre Mitglieder sowie 24 Überhangmandate) besteht, koalieren die Union und die FDP und haben zusammen eine absolute Mehrheit. Bereits kurz nach der Wahl, bei der die Union 33 % der Stimmen und die FDP 14,6 % der Stimmen auf sich vereinigen konnten, brach die Zustimmung der Wähler für diese Parteien in Umfragen weg. So kam beispielsweise die FDP bereits nach kurzer Zeit nur noch auf Werte um die 5 %.
Union und FDP sehen ab, dass die erforderliche Politik für die nächsten Jahre vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Umbrüche, noch zu verdauender Banken- und Wirtschafts-krisen, demographischer Wandelungen und allgemein belasteter Staatskassen, nicht zuletzt durch die Vielzahl der aufgespannten Rettungsschirme, ganz erhebliche, ja zuweilen schmerzhafte Einschnitte bei weiten Teilen der Bevölkerung mit sich bringen wird. Vor diesem Hintergrund gehen die Koalitionspartner davon aus, dass sich der aufgrund der erforderlichen Veränderungen aus ihrer Sicht später zu erwartende allseitige Aufschwung frühestens kurz nach Ablauf der gegenwärtigen 17. Legislaturperiode einstellen wird. Sie gehen weiter davon aus, dass dieses versetzte Eintreten des allseitigen Aufschwungs dazu führen wird, dass sie der Wähler anlässlich der nächsten Wahl für den vermeintlichen Misserfolg „abstrafen“ wird.
Vor diesem Hintergrund kommt der findige Bundestagsabgeordnete Dr. U. auf die Idee, die Wahlperiode von vier auf acht Jahre zu verlängern. Die Verlängerung soll sich auch schon auf die bereits laufende Legislaturperiode auswirken und insoweit zu einer Verlängerung von vier auf fünf Jahre führen.
Der Antrag des Dr. U. auf Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes findet auch bei der SPD, die mit dem Antrag aufgrund eines fortgesetzten Umfragetiefs ebenfalls sympathisiert, und weiteren Abgeordneten anderer Parteien, die in diesem Rahmen insbesondere erhöhten Pensionszahlung entgegensehen, breite Mehrheit. So stimmten letztlich 76 Prozent aller Abgeordneten dafür, Art. 39 I 1 und 3 GG durch ein entsprechendes Änderungsgesetz zu ändern. Als Begründung für diese Änderung wurde insbesondere angegeben, dass längere Legislaturperioden zu einer Stabilisierung der Regierung und damit zu einer verbesserten Durchsetzung von umfassenden Reformprojekten, wie etwa großen Steuer- oder Gesundheitsreformen führe, was im allgemeinen Interesse liege.
Das Änderungsgesetz passierte in der Folgezeit den Bundesrat und trat nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und Verkündung in Kraft.
Indessen hat eine Gruppe von Abgeordneten (24 %) Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des Änderungsgesetzes. Sie halten die Verlängerung sowohl der laufenden Legislaturperiode, als auch der zukünftigen Legislaturperioden für einen möglichen Grundgesetzverstoß. Nach heftigen Diskussionen im Bundestag sind schließlich 157 Abgeordnete davon überzeugt, dass ein klärendes Vorgehen vor dem Bundesverfassungs-gericht angezeigt ist.
Hat ein solches Vorgehen vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg?
Union und FDP sehen ab, dass die erforderliche Politik für die nächsten Jahre vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Umbrüche, noch zu verdauender Banken- und Wirtschafts-krisen, demographischer Wandelungen und allgemein belasteter Staatskassen, nicht zuletzt durch die Vielzahl der aufgespannten Rettungsschirme, ganz erhebliche, ja zuweilen schmerzhafte Einschnitte bei weiten Teilen der Bevölkerung mit sich bringen wird. Vor diesem Hintergrund gehen die Koalitionspartner davon aus, dass sich der aufgrund der erforderlichen Veränderungen aus ihrer Sicht später zu erwartende allseitige Aufschwung frühestens kurz nach Ablauf der gegenwärtigen 17. Legislaturperiode einstellen wird. Sie gehen weiter davon aus, dass dieses versetzte Eintreten des allseitigen Aufschwungs dazu führen wird, dass sie der Wähler anlässlich der nächsten Wahl für den vermeintlichen Misserfolg „abstrafen“ wird.
Vor diesem Hintergrund kommt der findige Bundestagsabgeordnete Dr. U. auf die Idee, die Wahlperiode von vier auf acht Jahre zu verlängern. Die Verlängerung soll sich auch schon auf die bereits laufende Legislaturperiode auswirken und insoweit zu einer Verlängerung von vier auf fünf Jahre führen.
Der Antrag des Dr. U. auf Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes findet auch bei der SPD, die mit dem Antrag aufgrund eines fortgesetzten Umfragetiefs ebenfalls sympathisiert, und weiteren Abgeordneten anderer Parteien, die in diesem Rahmen insbesondere erhöhten Pensionszahlung entgegensehen, breite Mehrheit. So stimmten letztlich 76 Prozent aller Abgeordneten dafür, Art. 39 I 1 und 3 GG durch ein entsprechendes Änderungsgesetz zu ändern. Als Begründung für diese Änderung wurde insbesondere angegeben, dass längere Legislaturperioden zu einer Stabilisierung der Regierung und damit zu einer verbesserten Durchsetzung von umfassenden Reformprojekten, wie etwa großen Steuer- oder Gesundheitsreformen führe, was im allgemeinen Interesse liege.
Das Änderungsgesetz passierte in der Folgezeit den Bundesrat und trat nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und Verkündung in Kraft.
Indessen hat eine Gruppe von Abgeordneten (24 %) Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des Änderungsgesetzes. Sie halten die Verlängerung sowohl der laufenden Legislaturperiode, als auch der zukünftigen Legislaturperioden für einen möglichen Grundgesetzverstoß. Nach heftigen Diskussionen im Bundestag sind schließlich 157 Abgeordnete davon überzeugt, dass ein klärendes Vorgehen vor dem Bundesverfassungs-gericht angezeigt ist.
Hat ein solches Vorgehen vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg?
Als Vorgehen vor dem Bundesverfassungsgericht kommt hier eine abstrakte Normenkontrolle in Betracht. Diese hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.
A. Zulässigkeit
Die abstrakte Normenkontrolle müsste zulässig sein.
I. Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts
Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für die abstrakte Normenkontrolle folgt aus Art. 93 I Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6 BVerfGG.
II. Antragsberechtigung
Die den Antrag stellenden Abgeordneten (Antragsteller) müssten auch antragsberechtigt (beteiligtenfähig) sein. Gemäß § 76 I BVerfGG sind im Rahmen des Normenkontrollverfahrens die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestages antragsberechtigt. Der Antrag wurde hier von den Abgeordneten, mithin von Mitgliedern des Bundestages gestellt. Vorliegend wurde der Antrag von 157 Mitgliedern des Bundestages gestellt. Fraglich ist insoweit, ob es sich hierbei um ein Viertel der Mitglieder des Bundestags handelte. Gemäß § 1 I 1 BWahlG befinden sich im 17. Bundestag 598 Abgeordnete. Hinzu kommen nach § 6 V 2 BWahlG 24 Überhangmandate, so dass die Gesamtzahl der Mitglieder des Bundestages 622 beträgt. Ein Viertel von 622 ist 155,5. Damit wurde der Normenkontrollantrag von mehr als einem Viertel der Mitglieder des Bundestages gestellt. Diese Mitglieder des Bundestages waren daher antragsberechtigt.
III. Antragsgegenstand
Das Änderungsgesetz (das die Verlängerung der Legislaturperiode bewirkt) müsste tauglicher Antragsgegenstand eines Normenkontrollverfahrens sein. Gemäß Art. 93 I Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 I BVerfGG ist tauglicher Antragsgegenstand eines Normenkontrollverfahrens die Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit dem Grundgesetz sowie die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrecht. Bei dem Änderungsgesetz zur Verlängerung bzw. Verdoppelung der Legislaturperiode handelt es sich um ein Bundesgesetz und damit um einen tauglichen Antragsgegenstand.
IV. Antragsbefugnis
Die Abgeordneten müssten auch antragsbefugt sein. Nach Art. 93 I Nr. 2 GG reichen „Meinungsverschiedenheiten oder Zweifel“ über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht mit dem Grundgesetz dafür aus. Da die Abgeordneten hier „Zweifel“ einer Verfassungsgemäßheit des Änderungsgesetzes haben, läge danach die Antragsbefugnis vor.
Demgegenüber verlangt § 76 I Nr. 1 BVerfGG, dass der Antragsteller die betreffende Norm „für nichtig hält“. Hier haben die den Antrag stellenden Abgeordneten zwar „Zweifel“ an der Verfassungsmäßigkeit des Änderungsgesetzes (s.o.), ein Für-Nichtig-Halten (im Sinne einer individuell empfundenen Gewissheit) ist indes nicht gegeben, so dass danach die Antragsbefugnis nicht gegeben wäre.
Fraglich ist daher, ob bloße Zweifel genügen, oder ob es eines Für-Nichtig-Haltens bedarf. Dies ist umstritten.
Einer Ansicht zufolge stellt § 76 I BVerfGG eine nach Art. 94 II GG zulässige Konkretisierung des Art. 93 I Nr. 2 GG dar.
Demgegenüber wird vertreten, dass § 76 I BVerfGG als einfachgesetzliche Norm den Art. 93 I Nr. 2 GG nicht einzuschränken vermag und daher, soweit er die Antragsbefugnis beschränkt, verfassungswidrig und damit nichtig ist. Da die beiden Ansichten im vorliegenden Fall, wie dargelegt, zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, bedarf es einer Stellungnahme. Gegen die erste Ansicht spricht, dass die Formulierung „Zweifel“ in Art. 93 I Nr. 2 GG vom Wortlaut her eindeutig und daher nicht weiter konkretisierungsbedürftig ist. Aus demselben Grunde kommt auch eine verfassungskonforme (einschränkende) Auslegung des § 76 I BVerfGG nicht in Betracht. § 76 I BVerfGG ist daher im dargelegten Umfang verfassungswidrig. Damit genügen (die gegebenen) Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des Änderungsgesetzes für das Gegebensein der Antragsbefugnis.
V. Form
Der Antrag müsste das Formerfordernis des § 23 I BVerfGG beachten, wovon mangels gegenteiliger Angaben auszugehen ist. Der Einhaltung einer Frist bedarf es nicht, da der Normenkontrollantrag nicht fristgebunden ist.
Der Antrag ist zulässig.
B. Begründetheit
Der Normenkontrollantrag müsste auch begründet sein. Dies ist der Fall, soweit die angegriffene Norm verfassungswidrig ist, vgl. Art. 93 I Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG.
I. Prüfungsmaßstab bei verfassungsändernden Gesetzen
Grundsätzlich ist Prüfungsmaßstab im Rahmen des Normenkontrollantrags das gesamte Grundgesetz. Sofern es sich bei dem Antragsgegenstand um ein verfassungsänderndes Gesetz handelt, ist Prüfungsmaßstab nicht das gesamte Grundgesetz, sondern allein Art. 79 GG. Fraglich ist damit ob es sich hier bei dem Änderungsgesetz um ein verfassungsänderndes Gesetz handelt.
Die insoweit maßgeblichen Vorschriften des Grundgesetzes, Art. 39 I 1 und 3 GG sehen vor, dass der Bundestag „auf vier Jahre gewählt“ wird (Art. 39 I 1 GG) und das Neuwahlen „frühestens sechsundvierzig, spätestens achtundvierzig Monate nach Beginn der Wahlperiode“ stattfinden. Zur Erreichung einer Legislaturperiode von acht (bzw. fünf) Jahren sind diese grundgesetzlich verankerten Vorschriften entsprechend zu ändern. Das diese Änderungen vornehmende Gesetz (das Änderungsgesetz) ändert damit verfassungsrechtliche Vorschriften. Es ist damit ein verfassungsänderndes Gesetz und daher am Maßstab des Art. 79 GG zu messen.
II. Formelle Verfassungsmäßigkeit
Das Änderungsgesetz müsste zunächst formell verfassungsmäßig sein. Das heißt, es müssten Zuständigkeit, Verfahren und Form gewahrt sein.
1. Zuständigkeit
Zunächst müsste der Bundesgesetzgeber zur Änderung des Grundgesetzes zuständig sein, d.h. die diesbezügliche Gesetzgebungskompetenz haben. Grundsätzlich haben die Länder gemäß Art. 30, 70 I GG die Kompetenz zum Erlass von Gesetzen, soweit nicht das Grundgesetz ausdrücklich dem Bund die Kompetenz verleiht. Solchermaßen dem Bund zugewiesene Kompetenzen finden sich insbesondere in den Art. 71 f. GG, wonach dem Bund in bestimmten Bereichen eine ausschließliche oder die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zukommt. In den diesbezüglich in den Art. 73, 74 GG näher geregelten Bereichen finden sich jedoch keine Hinweise auf eine Änderung des Grundgesetzes.
Die Kompetenz des Bundes zur Änderung des Grundgesetzes könnte jedoch aus Art. 79 I, II GG folgen. Nach dieser Vorschrift kann das Grundgesetz durch Gesetz geändert werden. Sie schreibt zugleich die erforderliche Mehrheit im Bundestag für den Erlass eines solchen Änderungsgesetzes vor. Damit setzt diese Vorschrift zugleich voraus, dass überhaupt der Bundestag - und damit der Bund - zur Änderung des Grundgesetzes berufen und demgemäß ermächtigt ist. Dies spricht für eine Bundeszuständigkeit. Die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass von verfassungsändernden Gesetzen ergibt sich damit aus Art. 79 I, II GG.
2. Verfahren
Das Änderungsgesetz müsste ferner auch die Verfahrensvorschriften beachten. Nach Art. 79 II GG bedarf ein verfassungsänderndes Gesetz der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Hier haben 76 % der Mitglieder des Bundestages, und damit mehr als zwei Drittel, für das Änderungsgesetz gestimmt. Hinsichtlich der Stimmabgabe im Bundesrat ist das exakte Ergebnis nicht bekannt, sachverhaltlich ist aber vorgegeben, dass diese ordnungsgemäß erfolgt ist, so dass davon auszugehen ist, dass das Verfahren auch insoweit und damit insgesamt eingehalten worden ist.
3. Form
Ferner müssten die gegebenen Formvorschriften gewahrt sein. Art. 79 I 1 GG legt insoweit fest, dass das Grundgesetz nur durch ein Gesetz geändert werden kann, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. Der Wortlaut des Änderungsgesetzes ist hier nicht bekannt. Es ist aber mangels gegenteiliger Angaben im Sachverhalt davon auszugehen, dass der Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich von „vier“ auf „acht“ geändert wurde, so dass die Anforderungen des Art. 79 I 1 GG gewahrt sind. Das Änderungsgesetz wurde zudem ordnungsgemäß vom Bundespräsidenten ausgefertigt und verkündet, so dass auch die Erfordernisse des Art. 82 I 1 GG beachtet sind.
Das Änderungsgesetz ist formell verfassungsgemäß.
III. Materielle Verfassungsmäßigkeit
Das Änderungsgesetz müsste auch materiell verfassungsgemäß sein. Da es sich hier um ein verfassungsänderndes Gesetz handelt (s.o.), ist Prüfungsmaßstab für die materielle Verfassungsmäßigkeit (allein) Art. 79 III GG. Danach ist eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, unzulässig. Von diesen unveränderlichen Vorgaben des Grundgesetzes kommt hier allein Art. 20 GG als möglicherweise betroffen in Betracht. Insoweit könnte eine Verletzung des aus Art. 20 I, II GG abzuleitenden Demokratieprinzips gegeben sein. Diesbezüglich ist zwischen der Verlängerung zukünftiger Legislaturperioden (1.) und der Verlängerung der laufenden Legislaturperiode (2.) zu unterscheiden.
1. Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung der zukünftigen Legislaturperioden
Die Verlängerung der zukünftigen Legislaturperioden könnte einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip (Art. 20 I, II GG) darstellen.
Teil des Demokratieprinzips ist unter anderem das Vorhandensein periodischer Wahlen. Dies findet seinen Grund insbesondere darin, dass „Herrschaft auf Zeit“ ein Kerninhalt demokratischer Strukturen ist. Das ebenfalls dem Demokratieprinzip zuzurechnende Mehrheitsprinzip verlangt, dass politische Entscheidungen mit der Veränderung der Mehrheiten ebenfalls verändert und neu getroffen werden können. Dabei muss die (ursprünglich) unterlegene Minderheit die Chance auf Mehrheitserlangung haben, was wiederum das Vorhandensein von Wahlen in absehbarer Zukunft voraussetzt. Im Hinblick auf dieses unstreitig für eine funktionierende Demokratie erforderliche Prinzip stellt das Grundgesetz keine ausdrückliche zeitliche Höchstgrenze für die Wiederwahl auf. Vor dem Hintergrund, dass Art. 39 GG auch nicht in Art. 79 GG als unveränderlich festgeschrieben ist, ist erkennbar, dass eine Änderung der Länge der Legislaturperioden grundsätzlich verfassungsrechtlich möglich ist. Fraglich ist daher, wo die zeitliche Grenze ist. Dies ist durch Auslegung nach dem dargelegten Sinn und Zweck periodischer Wahlen zu ermitteln. Klar ist vor dem dargelegten Hintergrund dessen, dass auch die Minderheit (zumindest theoretisch) in der Lage sein muss, in absehbarer Zeit an die Macht zu kommen, jedenfalls, dass eine beliebig große Verlängerung nicht zulässig sein kann.
Ein Grund dafür, Legislaturperioden zu verlängern, ist, dass zu kurze Perioden (auch vor dem Hintergrund der notwendigen Einarbeitung einer neuen Regierung und zeitaufwendiger Wahlkämpfe) eine dauerhafte und kontinuierliche Parlamentsarbeit erschweren bis unmöglich machen. Eine solche dauerhafte und kontinuierliche Parlamentsarbeit wird umso „leichter“, je länger die Legislaturperiode ist. Jedenfalls lassen sich umfangreichere Projekte, wie etwa Steuer- und Gesundheitsreformen dann eher durchsetzen, als bei kurzen Legislaturperioden. Die Erfahrung zeigt, dass vielfach große Reformprojekte der Politik auch daran gescheitert sind, dass sie nicht binnen einer Legislaturperiode durchgesetzt werden konnten. Eine achtjährige Dauer der Legislaturperioden würde damit letztlich der Stabilisierung und einer erhöhten der Durchsetzungsfähigkeit der - immerhin zu diesem Zweck gewählten - Regierung führen.
Gegen eine solche Verlängerung spräche zunächst die Gefahr, dass die Regierung dauerhaft unpopuläre Entscheidung trifft und lange durchhält. Zwar kommt dem Bundesrat insoweit ein gewisses Korrektiv zu, das gewisse Entscheidungen mit beeinflussen und gegebenenfalls verhindern kann. Gleichwohl kann der Bundesrat aber nicht kompensieren, dass die dann acht Jahre im Amt befindliche Bundesregierung über diesen Zeitraum in gewisser Weise eine „einseitige“ Politik machen kann. Für diesen, im Vergleich mit anderen Parlamenten, sehr langen Zeitraum von acht Jahren hätten auch die Opposition und Minderheiten keine realistische Gelegenheit, einen Wechsel der Politik herbeizuführen, so dass nach acht Jahren Regierungspolitik einer politischen Gruppe möglicherweise auch faktisch ein Zustand eingetreten ist, der sich selbst bei einem Regierungswechsel nur schwer revidieren ließe. Für den Zeitraum von acht Jahren bestünde damit nur eine sehr stark eingeschränkte bis gar nicht vorhandene Möglichkeit der Kontrolle und Veränderung der Bundespolitik durch die Wähler. Dies ist gerade vor dem Hintergrund sich immer schneller wandelnder gesellschaftspolitischer, wirtschaftlicher und sozialer (sowie internationaler) Probleme und Zusammenhänge nicht angemessen.
Es ist daher davon auszugehen, dass eine Verlängerung der Legislaturperiode um 100 % (eine Verdoppelung) sich nicht mehr im Rahmen der vom Demokratieprinzip verlangten Periodizität der Wahlen hält. Damit verstößt das Änderungsgesetz, soweit es für die Zukunft eine Verdoppelung der Länge der Legislaturperiode vorsieht, gegen das Demokratieprinzip und damit gegen Art. 20 I, II GG.
2. Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung der laufenden Legislaturperiode
Fraglich ist ferner, ob die im Änderungsgesetz ebenfalls vorgesehene Verlängerung der laufenden Legislaturperiode verfassungsgemäß ist. Auch diese Regelung könnte gegen das Demokratieprinzip verstoßen.
Fraglich ist zunächst, ob eine Verlängerung auf fünf Jahre an sich schon einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip darstellt. Insoweit wird man annehmen können, dass eine Verlängerung auf fünf Jahre sich grundsätzlich noch im Rahmen dessen hält, was das Erfordernis der Periodizität der Wahlen verlangt. Dieser Zeitraum ist deutlich kürzer als acht Jahre und nur geringfügig länger als vier Jahre. Von daher ist davon auszugehen, dass er jedenfalls nicht dazu führt, dass Minderheiten und die Opposition übermäßig lange von einer (potentiellen) Machtübernahme durch Wahlen abgehalten werden. Insoweit liegt daher kein Verstoß gegen das Demokratieprinzip vor.
Fraglich ist aber, ob eine Verlängerung einer laufenden Legislaturperiode überhaupt möglich ist. Insoweit ist zu beachten, dass die Herrschaft in einer Demokratie zwingend eine zeitliche Beschränkung voraussetzt bzw. verlangt (s.o.). Dies zugrunde gelegt, erfolgt bereits die Wahl der Abgeordneten im Hinblick auf eine zeitliche Beschränkung. Damit leitet sich auch die Legitimation der Abgeordneten aus dieser Wahl auf Zeit ab und ist damit zeitlich beschränkt. Nach dieser Zeit (für die das Parlament vom Volk gewählt ist) ist das Parlament und damit der einzelne Abgeordnete nicht mehr vom Volk bestellt. Verlängert das gesamte Parlament dann sein Mandat, dann wählt es sich quasi selbst, wozu es in einer Demokratie aber gerade nicht befugt ist. Damit ist eine solche „ermächtigungsverlängernde Selbstermächtigung“, wie sie die Abgeordneten hier beschlossen haben, demokratisch nicht legitimiert. Sie stellt damit einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip und damit gegen Art. 20 I, II GG dar.
Damit verletzt das Änderungsgesetz insgesamt das in Art. 20 I, II GG niedergelegte Demokratieprinzip. Es ist daher gemäß Art. 79 III i.V.m. Art. 20 I, II GG materiell verfassungswidrig. Das Normenkontrollverfahren ist daher begründet.
C. Gesamtergebnis/Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die abstrakte Normenkontrolle ist zulässig und begründet. Sie hat daher Aussicht auf Erfolg. Entsprechend wird das Bundesverfassungsgericht das Änderungsgesetz gemäß § 78 S. 1 BVerfGG für nichtig erklären. Gemäß § 31 II 1 BVerfGG kommt dieser Entscheidung Gesetzeskraft zu.